Gerd Brucks, Konni Lopau und Stefan Natke sind an diesem Wochenende auf der Straße. Als Mitglieder der Friedensbewegung sind sie bei den Ostermärschen aktiv. Alle drei sind auch Mitglied der DKP und kandidieren für die EU-Wahlen. Als einzige Partei in der BRD stellt diese den Kampf um Frieden und gegen Waffenlieferungen, gegen NATO-Politik, Hochrüstung und Wirtschaftskrieg in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. Sie steht konsequent gegen das Abwälzen der Kriegs- und Krisenlasten auf die Bevölkerung.
„Ihr seid nicht allein!“
Stefan Natke (66) ist Landesvorsitzender der DKP in Berlin und kandidiert für die Kommunisten zur EU-Wahl. Er ist soeben aus dem Donbass zurückgekehrt, wo er gemeinsam mit der Antifa-Karawane war.
UZ: Die italienische Musikgruppe Banda Bassotti organisiert seit 2014 die Antifa-Karawane in den Donbass. Du warst nun das zweite Mal dabei. Was ist das Hauptanliegen der Karawane?
Stefan Natke: Von Beginn an ging es darum, den Menschen im Donbass, die mehrheitlich Russen sind und die sich gegen die nationalistische, vom Westen installierte Regierung der Ukraine wehren, moralisch und praktisch zu unterstützen. Wir wollen ihnen zeigen: Ihr seid nicht allein!
Gleichzeitig machen wir Aufklärungsarbeit in unseren Heimatländern und berichten nach der Reise über die wahren Geschehnisse in der Ukraine und im Donbass. Wir zeigen auf, dass der Krieg in der Ukraine nicht erst 2022, sondern bereits 2014 begann. Alle Menschen im Westen wissen, dass die Russische Föderation seit Februar 2022 in diesen Krieg eingegriffen hat. Aber wer weiß, dass die ukrainische Armee am 9. Mai 2014, am Tag des Sieges der Roten Armee über den deutschen Faschismus, die Menschen, die diesen Sieg auf den Straßen Mariupols feierten, mit Artilleriefeuer belegt und Donezk bombardiert hat?
UZ: Ihr hattet Spenden und Hilfsgüter dabei. An wen habt ihr sie übergeben?
Stefan Natke: Wir waren in Schulen, Waisenhäusern und Einrichtungen für Kinder mit Beeinträchtigungen. Kinder sind die wehrlosesten Opfer in einem Krieg. Ihnen muss deswegen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Von 2014 bis 2022 gab es durch ukrainischen Beschuss in den Volksrepubliken des Donbass mehr als 14.000 Tote. Viele Kinder haben ihre Eltern verloren. In den Waisenhäusern leben nicht selten stark traumatisierte Kinder. Wir haben Spielsachen, Mal- und Schreibutensilien gebracht, aber auch jeweils einen Umschlag mit finanzieller Unterstützung an die Leitungen der Einrichtungen übergeben.
Wir hatten auch drei große Koffer medizinisches Material für ein Krankenhaus in Wasiljiwka dabei. Wegen starken Beschusses konnten wir leider in diesem Jahr nicht zu dem Krankenhaus fahren. Der Ort liegt sehr nahe an der Front. Trotz der gefährlichen Lage arbeiten Ärzte und Pflegepersonal weiter, um zivile Opfer der ukrainischen beziehungsweise NATO-Waffen zu operieren und zu pflegen. Wir sind sicher, dass die Genossen unser Material noch nach Wasiljiwka bringen.
UZ: Auf eurer Reise habt ihr mit vielen Menschen gesprochen. Was haben sie euch mit auf den Weg gegeben?
Stefan Natke: Es gab sehr bewegende Momente. Zum Beispiel der Besuch eines Heims für Geflüchtete aus der Ukraine in der Nähe von Donezk. Ihre Erzählungen gingen unter die Haut. Viele von ihnen kamen aus den von der Ukraine besetzten Gebieten der Lugansker und Donezker Volksrepubliken. Einige hatten sich in den Kellern von Artjomowsk (ukr. Bachmut) versteckt und sind erst nach dessen Befreiung herausgekommen. Sie schilderten die Misshandlungen durch die ukrainischen Einheiten, wollten deshalb nicht ins ukrainische Hinterland und haben sich deshalb in den Kellern versteckt. Sie gaben uns den klaren Auftrag, in unseren Ländern dafür zu sorgen, dass keine Waffen mehr an die Naziregierung in der Ukraine geschickt werden.
Für die Mitglieder der Antifa-Karawane, die aus verschiedenen Ländern Europas kamen – eine Teilnehmerin war auch aus Palästina dabei – ist der Auftrag klar: Wir müssen in unseren Ländern den Kampf gegen Waffenlieferungen und die Unterstützung der Ukraine durch unsere Regierungen verstärken. Es wird nicht leicht werden, aber irgendwie müssen wir es auch in der BRD schaffen, die Bevölkerung davon abzuhalten, „kriegstüchtig“ zu werden.
Die Fragen stellte Wera Richter
Eine Langfassung des Interviews mit Bildern von der Antifa-Karawane erscheint im UZ-Blog.
„Mit Dark Eagle steigt die Kriegsgefahr“
Konni Lopau (71) ist Stadtplanerin im Ruhestand. Sie ist aktiv in der Stuttgarter Friedensbewegung. Sie ist Mitglied im Sprecherrat der DKP Baden-Württemberg und kandidiert auf der Liste der DKP zu den EU-Wahlen auf Platz 26.
UZ: Vor kurzem habt ihr ein Hearing zur geplanten Stationierung der US-Raketen Dark Eagle durchgeführt. Worin siehst du die besondere Gefahr dieser Waffen?
Konni Lopau: Diese Waffe wurde unter US-Präsident Donald Trump auf den Weg gebracht und hat Top-Priorität beim dortigen Verteidigungsministerium. Dark Eagle erreicht eine Hyperschallgeschwindigkeit von etwa 5 Kilometern pro Sekunde und hat eine Reichweite von fast 3.000 Kilometern. Moskau wäre von Deutschland aus in etwa fünf Minuten erreichbar. Das angepeilte Ziel kann diesem Geschoss unmöglich entrinnen. Dark Eagle ist auf „zeitkritische Ziele“ ausgelegt, auf etwas Bewegliches am Boden – eben nicht nur auf Bunker und Kommandozentralen, sondern auf sogenannte „Hochwertziele“, die ihren Ort verändern wie militärisches oder politisches Führungspersonal. Es sind Erstschlags- und Enthauptungswaffen gegen Russland und China.
UZ: Was würde sich mit der Stationierung von Dark Eagle in Deutschland ändern?
Konni Lopau: Schon durch die Stationierung wird die Spannung ins Unermessliche gesteigert. Sie soll bis Mitte kommenden Jahres in Deutschland stattfinden. Unklar ist, ob die Bundesregierung der Stationierung auf deutschem Boden zugestimmt hat.
Die Dark-Eagle-Raketen werden von Lkw gestartet, die sehr mobil sind. Damit ist das Waffensystem selbst kaum zu treffen. Dadurch rücken US-Militärbasen und Kommandozentralen wie in Wiesbaden oder Stuttgart noch stärker in den Focus. Sie sind prädestiniert als Ziele für eventuelle Präventiv- oder Zweitschläge. Russland wird auf jeden Fall auf diese neue Bedrohung reagieren müssen. Offenbar wurde dort schon eine Abfangwaffe entwickelt. Das heizt auf jeden Fall die Aufrüstungsspirale an.
Schwerer wiegt allerdings, dass die Kriegsgefahr damit gesteigert wird. Der US-Imperialismus wäre damit in der Lage, von deutschem Boden aus den Krieg gegen Russland zu führen, Europa würde zum Schlachtfeld in einem voraussichtlich zunächst konventionell geführten Krieg.
UZ: Der Friedensbewegung gelingt es seit Jahren nur selten, Massen zu bewegen. Wo siehst du die Ursachen?
Konni Lopau: Denkfabriken, von unseren Steuergeldern finanziert, arbeiten systematisch seit Jahrzehnten daran, die Menschen von ihren eigenen Interessen abzulenken. Im Interesse der Herrschenden gelingt es fast gleichgeschalteten Medien, viel Unheil in den Köpfen anzurichten: Verwirrung, Einschüchterung, Lähmung, Denkblockaden und -verbote. Die Schwäche der Friedensbewegung trägt dazu bei, dass der Opportunismus auch in den Gewerkschaften fröhliche Urstände feiert. Allerdings gibt es auch hier Ansätze für kritische Gegenstimmen, wie etwa den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“.
UZ: Die unterschiedlichen Einschätzungen in der Friedensbewegung, die teilweise zu ihrer Spaltung geführt haben, sind ein Problem. Wie geht ihr in Stuttgart damit um?
Konni Lopau: In Stuttgart ist es gelungen, einen „modus vivendi“ zu finden. Einerseits haben wir uns offen auseinandergesetzt mit den verschiedenen Spektren der Friedensbewegung, andererseits haben wir mitgewirkt an der Erarbeitung des „Stuttgarter Friedenskonsenses“, mit dem wir Gemeinsamkeiten im Kampf gegen Krieg und Aufrüstung festgehalten haben. So gelingt es uns trotz Differenzen, weiter vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.
Die Fragen stellte Björn Blach
Der Aufruf kann hier unterzeichnet werden.
„Der Mensch wird übergangen“
Gerd Brucks (67) ist ehemaliger Berufskraftfahrer und heute Rentner. Er lebt im sächsischen Torgau, engagiert sich in der Friedensbewegung und kandidiert auf Platz 9.
UZ: Du bist seit Jahren einer der Organisatoren der Friedensdemonstration zum Elbe-Tag in Torgau. Worum geht es da genau?
Gerd Brucks: Der Elbe-Tag wird in diesem Jahr am 27. April stattfinden. Diese Friedensdemonstration ist für uns in Torgau sehr wichtig. Im Jahr 1945 war die Beendigung des Krieges so gut wie sicher, als hier US-Soldaten und Rotarmisten aufeinandertrafen. Hier an der Elbe haben sich einfache Soldaten die Hand gegeben. Das war ein Handschlag für den Frieden. Es ist für uns wichtig, das Grundprinzip dahinter in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir sehen derzeit, wie die Kriegshysterie hochgefahren wird. Die Gefahr eines großen Krieges liegt auf der Hand. Das richtet sich gegen die Interessen von uns allen. Der einfache Mensch wird bei dieser Politik übergangen, egal welche Hautfarbe er hat, welche Sprache er spricht, ob er jung ist oder alt. Deswegen stehen wir hier in Torgau auf, gerade hier, wo der Schwur an der Elbe geleistet wurde. Der Elbe-Tag steht für ein friedliches Miteinander, darauf kommt es an. Wir spüren, dass das auch wahrgenommen wird. Viele Menschen hier im Ort wissen, dass dieser Tag gerade in diesen Zeiten notwendig ist. Der Zuspruch wächst.
UZ: Du hast den Schwur an der Elbe angesprochen. Was besagt er und welche Bedeutung hat er heute?
Gerd Brucks: Der Schwur an der Elbe fand am 25. April 1945 statt. Sein Wortlaut ist direkt am Fahnenmonument am Ort der Begegnung festgehalten. „Hier wurde der Geist der Elbe geboren, der sich an die Menschen aller Nationen wendet, Differenzen ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen. Er ist ewige Mahnung an alle Nationen, für das gemeinsame Wohl der gesamten Menschheit zusammenzuarbeiten.“ So steht es dort. Das bezieht sich auf das große internationale Geschehen, auf die Diplomatie und den Umgang von Ländern miteinander. Wir begreifen es aber auch als Hinweis, wie wir als Menschen miteinander umgehen sollen. Er richtet sich also gegen den Krieg, aber begleitet uns auch im Alltag, zum Beispiel beim Kampf gegen Rassismus. Der Schwur erinnert uns daran, dass wir zusammenhalten müssen, um eine bessere Welt zu schaffen und den Frieden zu erhalten. Deswegen ist es uns ganz wichtig, diesen Schwur in die Welt zu tragen. Und wir freuen uns auch, dass uns das in den letzten Jahren immer besser gelungen ist. Es kommen Jahr für Jahr mehr Friedensaktivisten aus dem ganzen Bundesgebiet nach Torgau.
UZ: War das auch deine Motivation, um für die DKP zur EU-Wahl zu kandidieren?
Gred Brucks: Ich habe mich schon immer gegen Ungerechtigkeit aufgelehnt. Egal ob in politischen Gesprächen oder in meiner Zeit als Berufskraftfahrer am Arbeitsplatz habe ich mich dafür eingesetzt, dass es gerecht zugeht. Dabei hat mich meine Frau Elke immer unterstützt. Ohne sie wäre das alles nicht zu schaffen. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Zudem lege ich Wert darauf, dass ein offener Gedankenaustausch möglich ist. Das ist bei der ganzen Kriegspropaganda in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Es wurde massiv daran gearbeitet, die Friedensbewegung zu spalten. Deshalb wollte ich mithelfen, dass die DKP bei den Wahlen antreten kann. Wir brauchen in dieser Zeit eine konsequente Friedenspartei. Und weil es bei dieser Kandidatur um den Frieden geht, geht es am Ende natürlich auch darum, den Schwur an der Elbe ernst zu nehmen. Was er ausdrückt, findet sich – zum Teil fast wörtlich – in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen wieder. 193 Staaten haben das unterschrieben, auch die USA und Mitglieder der NATO, es darf nicht länger ignoriert werden.
Die Fragen stellte Vincent Cziesla