Die Krise des Vorstands

Christoph Hentschel im Gespräch mit Stefan Mitschke

Die Medien melden, der Autohersteller „Audi“ stecke in der Krise. Der Audi-Vorstand möchte, dass die Belegschaft die Zeche zahlt. Darüber sprach die UZ mit Stefan Mitschke.

UZ: Audi werden Manipulationen vorgeworfen. Kannst du kurz umreißen, worum es geht?

Stefan Mitschke: Das eine sind die Vorwürfe, die aus dem Dieselskandal entstanden sind. Es geht darum, dass bei den Abgastests die Fahrzeuge die Testumgebung erkennen und dementsprechend anders als im Normalbetrieb verhalten, um so im Testzyklus bessere Ergebnisse zu erhalten. Das Auto schaltet erst danach in den Normalbetrieb, wie er auch beim Kunden ist.

Ich glaube aber, dass Audi in der Vergangenheit einiges verpennt hat. Letztes Jahr schaltete man den neuen Testzyklus „WLTP“ scharf.

UZ: WLTP bedeutet was?

Stefan Mitschke arbeitet bei Audi in Ingolstadt in der Entwicklung und ist Vertrauensmann der IG Metall.

Stefan Mitschke arbeitet bei Audi in Ingolstadt in der Entwicklung und ist Vertrauensmann der IG Metall.

Stefan Mitschke: WLTP ist der neue Prüfzyklus für die Abgaswerte, um dann eine Zulassung zu erhalten. Seit September 2018 müssen alle weltweit zugelassenen Fahrzeuge den WLTP-Standard erfüllen, der näher am realen Verbrauch ist. Das hat Audi total verpennt.

Eventuell hat der Konzern gehofft, hier durch Lobbyarbeit noch einen zeitlichen Aufschub zu bekommen. Jedenfalls führte dies dazu, dass viele Fahrzeuge nicht zugelassen werden konnten und dass die Produktion eingeschränkt werden musste.

UZ: Wie reagiert die IG Metall auf die Drosselung der Produktion bei Audi?

Stefan Mitschke: Es gibt eine Beschäftigungssicherung bis 2025, die der Betriebsrat mit der Kapitalseite ausgehandelt hat. Die IG Metall möchte diese bis 2030 verlängern. Von der Kapitalseite gibt es eine ganz klare Aussage, dass Stellen abgebaut werden sollen. Das kann man auch mit Beschäftigungssicherung machen, wenn frei werdende Stellen nicht neu besetzt werden. Zudem hat Audi die 40-Stunden-Verträge, die mit dem letzten Tarifvertrag ausgeweitet wurden, noch nicht ausgeschöpft. Audi hat eigentlich eine 35-Stunden-Woche, aber es gibt eine Obergrenze an 40-Stunden-Verträgen. Diese wurde letztes Jahr erhöht, jedoch noch nicht ausgeschöpft.

UZ: Sind das die einzigen Mittel der Kapitalseite, das eigene Versagen auf die Belegschaft abzuwälzen?

Stefan Mitschke: Schichtentfall ist gerade ein großes Thema. Der neue Vorstandsvorsitzende Abraham Schot, der sich sehr kumpelhaft und lässig auf der Betriebsversammlung hingestellt hatte und sagte, dass wir als Audi alle an einem Strang ziehen müssen, knallt keine zwei Monate später dem Betriebsrat den Antrag auf unbefristeten Schichtentfall auf den Tisch.

Der Betriebsrat hat jetzt schon zwei solche Anträge auf unbefristeten Schichtentfall in der Nachtschicht vom Vorstand vorgelegt bekommen und abgelehnt. Ein Schichtentfall hätte die Folge, dass die Kollegen, die von diesen Schichten betroffen sind, auf die anderen Schichten verteilt werden. Für alle Kollegen heißt das, dass sie weniger Arbeitsstunden zur Verfügung haben. Sie müssen Minusstunden machen und mit ihrem Stundenkonto ausgleichen. Auf lange Sicht bedeutet es Einkommensverlust.

UZ: Du warst vorletzte Woche auf der Vertrauenskörpervollversammlung der IG Metall. Was habt ihr dort besprochen?

Stefan Mitschke: Zuerst sprachen der 1. Bevollmächtigte der IG-Metall Ingolstadt, Bernhard Stiedl, der Betriebsratsvorsitzende Peter Mosch und der Leiter des Vertrauenskörpers, Jörg Schlagbauer. Da wurde darauf hingewiesen, dass aus Arbeitersicht Audi kein Sanierungsfall ist, wie es das „Manager-Magazin“ nannte. Die Rendite von Audi ist ein bisschen zurückgegangen. Das heißt nicht, dass Audi rote Zahlen schreibt, sondern es wird nur weniger Profit gemacht.

Aus Gewerkschaftssicht sind die Probleme, die Audi heute hat, dem Vorstand und dem Management anzulasten. Neue Entwicklungen, wie WLTP, aber auch die E-Mobilität wurden lange ignoriert. Die Kosten dafür sollen jetzt von der Belegschaft getragen werden. Betriebsrat, Gewerkschaft und Vertrauenskörper erteilen dem eine klare Absage: Das müssen wir uns nicht gefallen lassen. Dagegen können wir uns als Belegschaft wehren und das müssen wir auch tun.

UZ: Wie wollt ihr euch wehren? Kam das auf der Konferenz zur Sprache?

Stefan Mitschke: Es gab Gesprächsrunden, bei denen man zwischen den Tischen wechselte und mit vielen Kollegen ins Gespräch kam. Für alle war es klar, dass wir zusammenstehen müssen. Es dürfen nicht die Fachbereiche oder Standorte gegeneinander ausgespielt werden. Das hat man auch beim Streik der Kollegen in Györ gesehen (siehe UZ vom 8. März 2019). Das ist eine positive Sache, wenn die bessere Löhne kriegen. Der Lohndruck auf uns in Deutschland ist dann auch nicht mehr so hoch. Man darf sich nicht spalten lassen.

Es wurde überlegt, dass beispielsweise die Kollegen, die vom Schichtentfall betroffen sind, mit denen, die nicht unmittelbar betroffen sind, sich mit kleinen Aktionen bemerkbar machen könnten. Kleine Aktionen könnten Kundgebungen und Ministreiks in der Produktion sein.

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"Die Krise des Vorstands", UZ vom 29. März 2019



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