Bundesfinanzhof bestätigt Soli für Reiche, Kapitalseite hofft trotzdem auf baldiges Ende

Zwischenniederlage

Der Bundesfinanzhof (BfH), das höchste deutsche Finanzgericht, hat am vergangenen Montag die Klage eines Steuerberaterehepaars gegen den Solidaritätszuschlag (Soli) abgeschmettert. Eine Entscheidung, die Reiche und Vermögende ins Mark traf. „Der Solidaritätsbeitrag 2020 und 2021 ist rechtmäßig“, verkündete der Präsident des BfH, Hans-Josef Thesling, in München.

1991 eingeführt, hat der Soli rund 400 Milliarden Euro in die Kassen des Fiskus gespült. Die regierungsamtliche Begründung der Extra-Steuer lautete damals, er diene der „Abfederung der Sonderkosten der deutschen Wiedervereinigung“. Im Gesetzgebungsverfahren trat auch ein anderer Grund für seine Einführung ans Tageslicht: Die auf Deutschland entfallenden Kosten des zweiten Golfkriegs von circa 16,9 Milliarden DM konnten aus zur Verfügung stehenden Steuermitteln nicht mehr getilgt werden.

Von Anfang an floss nur ein Bruchteil der Steuereinnahmen aus dem Soli, nach Schätzungen etwa ein Drittel, in Investitionen in den neuen Bundesländern. Entgegen der politischen Begleitmusik herrscht im Steuerrecht der Grundsatz, dass Steuereinnahmen nicht zweckgebunden sein dürfen. Genauso wie ein Großteil der Erträge aus der Mineralölsteuer zur Finanzierung der Renten verwendet wird, wurden Milliarden Euro aus dem Soli in den Rüstungshaushalt eingestellt. Ab 1995 gingen von jeder Mark an Lohn- und Einkommensteuer 7,5 Pfennig zusätzlich an den Fiskus, ab 1998 lag die Quote bei 5,5 Prozent.

Nachdem der „Solidarpakt“ 2019 auslief, wurde 2020 die Extra-Steuer für all jene nicht mehr erhoben, deren zu versteuerndes Jahreseinkommen unter 62.121 Euro bei Ledigen beziehungsweise bei Eheleuten unter 124.242 Euro lag. Der Soli verwandelte sich heimlich, still und leise faktisch in eine Reichensteuer und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht zuvor mit Beschluss vom 22. Juni 1995 die Erhebung einer Vermögensteuer für verfassungswidrig erklärt hatte. Etwa 10 Prozent der Steuerzahler und die zur Zahlung herangezogenen Kapitalgesellschaften sorgten in den Folgejahren für jährlich circa 13 Milliarden an Steuerzuflüssen.

Nach der Entscheidung des BfH ist nun das Wehklagen unter den Begüterten groß: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) formulierte eilig seine Erwartungen an die Ampel-Koalition: „Die heutige Entscheidung des Bundesfinanzhofs hindert die Politik nicht daran, den Solidaritätszuschlag dennoch abzuschaffen.“ Die CDU bot sich als verlässlicher Partner der Reichen an, die Entscheidung des BfH sei im Grunde nicht ernst zu nehmen. Das höchste Finanzgericht könne die „Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags nicht ausräumen“, teilte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) der Deutschen Presseagentur mit. Im Finanzministerium setzt man alle Hoffnung auf die von den Klägern angekündigte Verfassungsbeschwerde. „Das Bundesverfassungsgericht (wird) in einem anderen Verfahren entscheiden“, hieß es unmittelbar nach Urteilsverkündung aus dem Hause Christian Lindners (FDP).

In der Tat hat der BfH dem Bundesverfassungsgericht ein Hintertürchen zur (späteren) Aushebelung seiner eigenen Entscheidung geöffnet: Der Solidaritätszuschlag sei in der seit 2020 geltenden Form „nicht verfassungswidrig“, was juristisch so viel heißt, „er ist gerade noch verfassungsgemäß“. Gemessen an den Grundsätzen, die das BVerfG in seiner Vermögensteuer-Entscheidung aufgestellt hat, stehen die Chancen für die Kläger, Industrieverbände und das Finanzministerium auf ein baldiges Ende des Soli gut. Mit einer Entscheidung in Karlsruhe ist nicht vor Jahresende zu rechnen. Für den Hauch an Gerechtigkeit, den die letzten Jahre des Solis in die bundesdeutsche Steuerlandschaft gebracht hat, läutet dann aller Wahrscheinlichkeit nach das Totenglöcklein.

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"Zwischenniederlage", UZ vom 3. Februar 2023



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