Über 130 Teilnehmer kamen am vergangenen Sonntag im DGB-Haus in Frankfurt am Main zusammen, um Zwischenbilanz zu ziehen und weitere Schritte zu beraten. Bisher konnten 140000 Unterschriften online und offline gesammelt werden gegen das NATO-Ziel, die Rüstungsausgaben bis 2024 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. „Damit ist ein großer Erfolg erreicht worden“, betonte Rainer Braun von der Kampagnen-Initiative, der allerdings den Vergleich mit dem historischen Krefelder Appell noch scheuen müsse. Zentrales Ziel sei es, die ideologische Kampagne von Ursula von der Leyen für Aufrüstung zu stoppen. Er dankte der „kleinen Partei“ DKP, die die Kampagne mit über 30000 Unterschriften unterstützte. „Andere Parteien sollten sich daran ein Beispiel nehmen.“
Die Konferenz startete zunächst holprig: In seinem Grußwort an die Konferenz bezeichnete DGB-Vertreter Michael Rudolph die neue Aufrüstungsrunde im 80. Jahr des Beginns des zweiten Weltkrieges als geschichtsvergessen. Gleichzeitig beschuldigte er aber auch Russland, Öl ins Feuer zu gießen, indem es die Krim annektiert habe und Krieg in der Ostukraine führe. Damit erntete er viel Widerspruch aus dem Publikum. Reiner Braun machte deutlich, dass die Kontroverse um Krim und Ukraine nicht das Kampagnenziel eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses zu Russland in Frage stellen darf. Ein solches sei mit der NATO an der Grenze zu Russland und dem NATO-Aufrüstungsvorhaben nicht möglich. Auch die Darstellung der EU als ein mögliches Friedensprojekt in mehreren Grußworten blieb nicht ohne Gegenrede. Michael Müller (Naturfreunde Deutschlands) warb für eine stärkere Zusammenarbeit von Umweltbewegungen mit der Friedensbewegung. Er warnte vor einer neuen US-amerikanischen Hochrüstung, die „Europa in Geiselhaft“ nehme.
Ein Appell mit 150 Unterstützern bat die Konferenz, die Forderungen nach NATO-Austritt und Kündigung des „Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der BRD“ in den Fokus der Öffentlichkeitsarbeit zu stellen. Die Kampagnen-Initiatoren machten deutlich, dass sie eine Veränderung des ursprünglichen Aufrufs weder als möglich noch als sinnvoll ansehen. „Die Stärke der Kampagne liegt darin, dass sie als Einpunktbewegung eine zusammenführende Rolle in der Friedensbewegung erlangen kann“, so Reiner Braun. Empfohlen wurde hingegen der Start einer eigenständigen Kampagne im Sinne des Appells – nicht in Abgrenzung, sondern in inhaltlicher Ergänzung von „abrüsten statt aufrüsten“. Klaus Hartmann (Freidenker), einer der Unterzeichner des Appells, räumte ein, dass der Aufruf nicht verändert werden könnte. Ein Aufgreifen neuer Themen, die zum Kampagnenstart so noch nicht absehbar waren, sei jedoch nötig – und verwies auf die zugespitzte Aggression gegen Russland, den Putschversuch in Venezuela und die Kündigung des INF-Vertrages.
Hans-Joachim Friedrich von der „Berliner Friedenskoordination“ verdeutlichte am Beispiel einer Berliner Aktion gegen die Kooperation der Deutschen Bahn mit der Bundeswehr, wie eine Konkretisierung der Abrüstungsforderung mit spezifischen Aktionsfeldern aussehen kann.
Als nächste Aktionen wurden vorgeschlagen: Unterschriftensammlung vor Wahllokalen während der Europawahl, lokale Abrüstungsforen mit eintägigen Veranstaltungen, Proteste während der nächsten Haushaltsberatungen des Bundestages sowie eine bundesweite Demonstration in Berlin im Herbst. Diese stehe allerdings unter Vorbehalt und müsse gründlich geprüft werden: „5 000 Demonstranten sind in Berlin nicht viel – 50000 müssen es schon sein!“. Deutlich wurde in der Diskussion, dass die Kündigung des INF-Vertrages durch die USA und eine drohende erneute Mittelstreckenraketen-Stationierung in Europa in diesem Jahr eine große Rolle in der Kampagne spielen wird. „Hierzu muss allerdings eine gemeinsame Position erst erarbeitet werden“, so Willi van Ooyen, der auf die unterschiedliche Bewertung der Rolle Russlands innerhalb der Friedensbewegung hinwies.