UZ: In Irland kämpft eine Massenbewegung gegen die Einführung von Wassergebühren. Worum geht es?
John Jefferies: Bisher wurde die Wasserversorgung in Irland immer über allgemeine Steuern finanziert. Aber nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch in Irland hat sich die Regierung mit der EU und dem IWF auf ein Sparprogramm geeinigt, die Milliardenkredite des IWF und der EU müssen zurückgezahlt werden, und sie werden in erster Linie von der Arbeiterklasse zurückgezahlt. Obwohl die Leute schon mit ihren Steuern für das Wasser bezahlen, sollen sie jetzt im Zusammenhang mit diesen Kürzungsmaßnahmen noch ein zweites Mal bezahlen – durch die Einführung von Gebühren für das Wasser. Dazu planen sie auch, in 1,5 Millionen Haushalten Wasserzähler zu installieren.
Dagegen gibt es großen Widerstand, denn die Leute wissen, erstens, dass sie sich das nicht leisten können, zweitens, dass sie schon jetzt für das Wasser bezahlen und drittens, dass am Ende dieses Prozesses die Privatisierung unserer Wasserversorgung stehen wird.
In der ganzen Republik Irland gab es Widerstand dagegen, und in Nordirland, das noch immer unter britischer Kontrolle ist – obwohl es die Northern Ireland Assembly gibt –, wissen wir, dass dort irgendwann dasselbe passieren wird. Denn die britische Regierung macht Druck, auch dort zu sparen. Es ist also eine gesamtnationale Angelegenheit, aber die eigentlichen Kämpfe finden im Süden Irlands, in der Republik Irland statt. Die Regierung hat 2013 dieses neue Unternehmen Irish Water gebildet. Diese Firma will 1,8 Millionen Haushalte als Kunden erfassen, aber nicht einmal 500 000 haben die Formulare dafür ausgefüllt. Die Regierung lügt auch über diese Zahlen. Es gibt einen Boykott der Wassergebühren, und es gibt Widerstand gegen die Installation der Zähler. Ich würde sagen, das ist die größte Massenbewegung von Menschen aus der Arbeiterklasse in der Republik Irland seit der Staat vor 80 Jahren gegründet wurde.
UZ: Welche Rolle spielt die WPI in diesen Protesten?
John Jefferies: Die WPI ist eine von einer Reihe linker Parteien, die an dieser Kampagne mitwirken. Wir sind eine kleine Partei, und wir sind vor allem in den Städten vertreten, aber wir nehmen aktiv teil an den Protesten. Unsere Mitglieder sind aktiv in dieser Bewegung, und sie stellen sich auch ganz buchstäblich den Leuten in den Weg, die kommen, um die Zähler zu installieren, wir stellen uns auf die Absperrhähne, an denen die Zähler installiert werden sollen oder parken unsere Autos darüber. Bis jetzt ist dann zwar die Polizei gekommen, es gab auch einige Festnahmen, aber bis jetzt hat sie die Installation noch nicht vollständig durchgedrückt. In Dublin war das schlimmer, dort gab es auch einige Angriffe der Polizei. Es gab auch eine ganz widerliche Kampagne der Medien gegen uns. Trotzdem hat das den Widerstand nicht geschwächt – er wird stärker.
UZ: Und was fordert ihr?
John Jefferies: Wir wollen zu der Bezahlung des Wassers über die Steuern zurückkehren. Wir wollen Irish Water abschaffen, die Privatisierungen stoppen und wir wollen, dass die Kommunen das machen, was sie vorher auch gemacht haben – aber wir sagen auch, dass die Kommunen seit über 20 Jahren zu wenig Geld bekommen. Zum Beispiel gibt es im Moment einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst, sie können keine neuen Leute einstellen, und Leute, die in Rente gehen, werden nicht ersetzt. Die Kommunen stehen sehr schlecht da, die Labour Party unterstützt die Regierung bei ihrer Politik der Privatisierungen und der Angriffe auf die Arbeiter – das gehört alles zusammen.
UZ: Von Seiten der EU wird Irland immer als Beispiel dafür angeführt, dass die „Rettungspakete“ erfolgreich sein können.
John Jefferies: Wenn man darüber spricht, dass die Regierung die Politik der EU umgesetzt hat, dann kann sagen: Es war erfolgreich. Aber wenn man von der Bevölkerung spricht und von den Lebensbedingungen, von dem, was dem Volk aufgezwungen wurde, dann war das eine Katastrophe. Die irische Regierung stellt sich gerne als der Klassenbeste in Europa dar. Vor einiger Zeit haben wir den Ministerpräsidenten Enda Kenny im Fernsehen gesehen, wie Nicolas Sarkozy ihm den Kopf getätschelt hat – „Gut gemacht.“
Im Wahlkampf hatten sie noch etwas ganz anderes erzählt, besonders die Labour Party, die zweite Partei in der Koalition. Sie haben gesagt, sie würden die Troika zurückweisen, sie haben gesagt, sie würden einen Schuldenschnitt durchführen. Stattdessen bezahlt nun das irische Volk. EU und IWF haben 67,5 Milliarden Kredite gegeben, weitere 17,5 Milliarden hat die Regierung größtenteils aus den staatlichen Rentenfonds genommen hat – die Regierung hat Gelder, die für die Renten bestimmt waren, genommen und an die Banken weitergereicht.
UZ: Die Kritik an der EU in Irland nimmt zu – heißt das, dass sich ein antikapitalistisches Bewusstsein herausbildet?
John Jefferies: So weit würde ich nicht gehen. Es gibt sicher ein Bewusstsein, dass die verantwortlichen Leute in der EU sich nicht um die Interessen der Menschen kümmern. Früher war Irland ja ein Land, in dem es eine sehr große Unterstützung für die EU gab. Aber das Land hat sich verändert, und ich denke, die EU wird heute überwiegend als ein gescheitertes Projekt angesehen. Aber ob die Leute die EU als ein Projekt des Kapitals erkennen – bis dahin ist es wohl noch ein ganzes Stück.