Wie Kommunisten auf die Landtagswahlen im Osten blicken

Zweimal schwierig, einmal leicht

Brandenburger müsste man sein. Dann wäre das Wählerdasein einfach. Denn in dem Bundesland rund um Berlin gibt es am 22. September die Möglichkeit, sein Kreuz bei der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zu machen. Die Kandidatur: jetzt schon ein beeindruckender Kraftakt. Mehr als 2.000 Unterstützungsunterschriften mussten gesammelt werden, um die Kommunisten auf den Wahlschein zu bringen. „Ohne die solidarische Mitarbeit einzelner Grundorganisationen unserer Landesorganisation untereinander, aber auch die Hilfe von außerhalb hätten wir das Ziel nicht erreicht“, schreibt Susanne Steinhardt für den Landesvorstand der DKP Brandenburg.

Der Wahlkampf falle in eine Zeit der Wut gegen die bundesrepublikanische Politik, die in einer zerfallenden Parteienlandschaft auch mit einer spürbaren politischen Orientierungslosigkeit einhergehe. „80 Prozent der Ostdeutschen können das ‚demokratische’ Konstrukt der Bundesrepublik nicht teilen. Die Hälfte der Bürgermeister und Gemeinderäte sind parteilos. Eine Vielzahl neuer Parteien hat sich gebildet“, so Steinhardt. „Linke“ und Grüne stehen nach aktuellen Umfragen bei 5 Prozent und könnten aus dem Landtag fliegen. Dafür darf das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) derzeit mit 17 Prozent rechnen. Stärkste Partei könnte mit einem Umfrageergebnis von rund 24 Prozent die AfD werden.

„Leider haben wir erlebt, dass die hemmungslose Entstellung der DDR fruchtbare Wirkung erreicht hat: Die Vermittlung eines realen, differenzierten Bildes über die DDR ist selten geworden. Dennoch gibt es Lichtblicke: Wir haben erfahren, dass die Freundschaft zu den Völkern Russlands in diesem Land noch fortlebt“, schreibt Steinhardt. Die Kandidatur der DKP komme daher „nicht über die Hintertreppe“, sondern stellt die Friedensfrage ins Zentrum. Gleich zu Beginn der Positionen der DKP zur Landtagswahl heißt es folgerichtig: „Weg mit den Sanktionen gegen Russland! Wir wenden uns dagegen, dass Brandenburg als Transitbundesland für NATO-Truppen in Richtung der russischen Grenze missbraucht wird. (…) Stopp der Waffenlieferungen in die Ukraine. Wir wenden uns gegen das Sondervermögen für die Bundeswehr und gegen eine Aufrüstung der Bundeswehr nach NATO-Kriterien. Für eine soziale Zeitenwende mit umfangreichen Investitionen zur Bekämpfung des Pflegenotstandes in Brandenburger Kliniken, des Lehrermangels und der fehlenden Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr oder in den Umweltschutz.“

Frieden im Mittelpunkt

Während der Wahlkampf in Brandenburg gerade erst in die heiße Phase geht, müssen die Wählerinnen und Wähler in Thüringen und Sachsen schon an diesem Sonntag an die Wahlurnen treten. Dass die DKP in beiden Bundesländern nicht zur Wahl stehen wird, macht es für Kommunistinnen und Kommunisten schwieriger. Die inhaltliche Orientierung ist jedoch klar: Gegen den Kriegskurs der Regierung, für Frieden und die Verteidigung von sozialen und demokratischen Rechten.

Das trifft auch den Nerv der Bevölkerungsmehrheit. Wie eine von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht in Auftrag gegebene Umfrage in der vergangenen Woche zeigte, sind 68 Prozent der Deutschen für Friedensverhandlungen mit Russland – im Osten sogar 76 Prozent. Eine Mehrheit fordert einen Waffenstillstand (65 Prozent), knapp die Hälfte der Befragten beklagen mangelnde Diplomatie (46 Prozent) und sprechen sich gegen Taurus-Lieferungen aus (48 Prozent). Im Osten finden 52 Prozent die Forderung nach Friedensverhandlungen zudem wahlentscheidend.

Die Zahlen zeigen bei aller Widersprüchlichkeit, dass die von der Bundesregierung und anderen Kriegstreibern behauptete Meinungsführerschaft gelitten hat. Die Wahlen im Osten könnten zur symbolischen Abstimmung über den Kriegskurs werden – sofern es den Herrschenden nicht gelingt, die Migrationsfrage in den Mittelpunkt aller Interpretationen zu stellen und dadurch die Spaltung voranzutreiben. Dass Letzteres der Ansatz sein dürfte, ist nach dem medialen Aufschrei der vergangenen Tage kaum noch zu bezweifeln. Mit der Hetze nach den tödlichen Messerangriffen in Solingen bereiten Ampel und CDU – unter Zuhilfenahme der AfD – die Begründung für eine Fortsetzung der Kriegspolitik nach den verlorenen Wahlen im Osten vor. Denn statt über Waffenlieferungen und ein Ende des Krieges gegen Russland wird anschließend nur noch über Asylpolitik und Abschiebungen diskutiert werden. Nicht sehr hilfreich ist, dass sich auch Protagonisten des in der Friedensfrage wichtigen BSW lautstark an diesem Ablenkungsmanöver beteiligten.

Spiegelbild Thüringen

Umso wichtiger ist es, bei aller Widersprüchlichkeit einen kühlen Kopf zu bewahren. Das gilt auch für Thüringen, wo „die erste und einzige von der ‚Linken‘ geführte rot-rot-grüne Landesregierung zum Ende kommt“, wie Arturo Gallegos, Landesvorsitzender der DKP Thüringen, feststellt. „Nur wenige Menschen werden sie vermissen, da sie sich von keiner anderen bürgerlichen Regierung unter Führung von CDU oder SPD wesentlich unterschieden hat. Wenn das alles ist, was von Rot-Rot-Grün zu erwarten ist, dann wundert es nicht, dass dieses Szenario auf Bundesebene weiter von der Verwirklichung entfernt ist als je zuvor“, so Gallegos. Überhaupt sei Thüringen auch ein Spiegelbild der Trends auf Bundesebene, wobei die Polarisierung aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche nach der Deindustrialisierung des Ostens, die mit dem Zusammenbruch des Sozialismus einherging, viel deutlicher zutage trete.

Glücklich ist er über die Situation der „Linken“ keineswegs, erkennt sie aber als selbstverschuldet. „Die Linke“ habe ihre Wählerschaft in Thüringen verprellt, sich an kriegsbefürwortende Positionen angenähert und die Zusammenarbeit mit kämpferischen linken Strömungen und Organisationen verweigert. „Wieder einmal verwässert sich eine linke Partei in zentristischen Positionen in dem plumpen Versuch, von der Bourgeoisie akzeptiert und zum Regieren eingeladen zu werden“, beschreibt Gallegos die Situation. Nun werde das BSW an die Stelle der „Linken“ treten. „Unsere Position muss kohärent bleiben: Kritische Begleitung. Solidarisch mitarbeiten und unterstützen, wo es gemeinsame Positionen gibt, und kritisieren und ablehnen, wo es nötig ist“. Der große Test für BSW seien ohnehin nicht die Wahlen, sondern die Zeit danach. Wird das Bündnis eine Koalition eingehen? Und wenn nicht: Wie wird die Oppositionsarbeit aussehen?

Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass die AfD stärker wird – zurzeit ist sie laut Umfragen mit 30 Prozent sogar die stärkste Kraft. Es könnte für die anderen bürgerlichen Parteien faktisch unmöglich werden, ohne sie zu regieren, stellt Gallegos fest: „Das könnte dazu führen, dass diese Parteien ihre heuchlerische Anti-AfD-Rhetorik aufgeben. Vielleicht hören wir bald schon das Argument, es sei besser, mit der AfD zu regieren, um sie kontrollieren zu können.“

Taktisch in Sachsen

Auch in Sachsen könnten bald neue politische Konstellationen notwendig sein. Maximilian Schanz weist für die DKP Dresden darauf hin, dass die AfD bei den Wahlen stärkste Kraft werden und neben ihr nur noch CDU und BSW im Landtag vertreten sein könnten. Auch hier wird am Sonntag keine kommunistische Partei auf dem Wahlzettel stehen. Wen also wählen?

Die Dresdner Kommunisten haben sich Wahlprogramme und Antworten aus dem „Wahl-O-Mat“ angeschaut, das Ergebnis: „Die Linke“ will für die „Sicherung der ärztlichen Versorgung und der Bildung, die nachhaltige Entwicklung der sächsischen Industrie und Landwirtschaft zum Wohle aller, die Stärkung der Kommunen, den Erhalt der Kulturförderung und eine menschenwürdige Migrationspolitik“ werben. Das Thema Frieden steht im Wahlprogramm ganz hinten und stellt keine grundsätzliche Opposition zur aktuellen Kriegspolitik dar. Das BSW hat diesen Themenkomplex ganz vorne in seinem Wahlprogramm und wirbt für „einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen“ in der Ukraine.

Gerade Letzteres komme bei den sächsischen Wählern gut an. Zu den wichtigsten Themen gehören in der Bevölkerung außerdem die Senkung der Energiepreise und die innere Sicherheit. „Alle diese Themen gelten zwar nicht als klassische linke Themen in Sachsen, müssen aber nach entsprechender Analyse – unter Einbeziehung antifaschistischer und gewerkschaftlicher Standpunkte – von der DKP besetzt werden“, schlussfolgert Schanz für die Zukunft.

„Die meisten Genossinnen und Genossen werden taktisch wählen“, sagt in dieser Situation Peter Weyland aus Leipzig. Einen Wahlaufruf der DKP gebe es nicht. Dabei werde die Zweitstimme häufig an das BSW gehen. „Mit den Bedingungen, die Wagenknecht für Koalitionen genannt hat, kann das zumindest deutlichen Druck auf die CDU ausüben“. Doch das BSW werde von vielen auch sehr kritisch gesehen: „Insbesondere die Haltung zur DDR und die Positionen zu NATO und Zivilklausel, wie sie im Wahl-O-Mat deutlich werden, stoßen übel auf.“ Trotz dieser Gemengelage kann er der bevorstehenden Wahl auch etwas Positives abgewinnen: Denn sofern SPD und FDP bei den zu erwartenden 3 Prozent landen würden, hätte das „zumindest den charmanten Vorteil, dass über die Sperrklausel neu nachgedacht werden wird“.

Weitere Infos zu den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gibt es im UZ-Blog.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Zweimal schwierig, einmal leicht", UZ vom 30. August 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Tasse.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit