Interview mit Michael Csaszkóczy

Zweifel an Verfassungstreue

Frage: Michael, zu dir: Gegen dich als Lehrer in Baden-Wüttemberg wurde vor achtzehn Jahren ein Berufsverbotsverfahren begonnen. Wie kam es dazu und was waren die Hintergründe?

041204 Michael - Zweifel an Verfassungstreue - Berufsverbote, Geschichte der Arbeiterbewegung, Repression - Hintergrund
Michael Csaszkóczy ist Realschullehrer in Baden-Wüttenberg. 2003 wurde aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg versucht, ein Berufsverbot gegen ihn zu verhängen. Er ist bis heute aktiv gegen die Praxis der Berufsverbote.

Michael Csaszkóczy: In meinem Fall war es so, dass ich nach Beendigung meines Referendariats als Realschullehrer Ende des Jahres 2003 eine Vorladung zum Regierungspräsidium bekam, weil „Zweifel an meiner Verfassungstreue“ bestünden. Ich sollte dort zu meiner Mitgliedschaft in der „Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ (AIHD) Stellung nehmen, die tatsächlich kein Geheimnis war. Nachdem ich es abgelehnt hatte, mich zu distanzieren, folgte ein Berufsverbot, später auch im Bundesland Hessen, wo ich bereits für eine Stelle eine Zusage hatte. Der Prozess ging durch zwei Instanzen und dauerte vier Jahre. Er war von einer breit aufgestellten Solidaritätskampagne begleitet. Schließlich verurteilte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Jahr 2007 das Berufsverbot als Grundrechtsverletzung und ich wurde verbeamtet – gezwungenermaßen, wie die Landesregierung betonte.

Mein Berufsverbot war nach fast zwanzig Jahren der erste Versuch, die Politik der Berufsverbote wiederzubeleben. Das konnte glücklicherweise vorerst gestoppt werden.

Frage: Wie hast du dich gegen das Berufsverbot gewehrt, welche Strategien waren zielführend?

Michael Csaszkóczy: Ein solches Verfahren ist allein juristisch nicht zu gewinnen. Wichtig war es, den Prozess im öffentlichen Bewusstsein präsent zu halten und eine strömungsübergreifende Solidaritätsbewegung aufzubauen. Es war gar nicht so einfach, radikase linke Gruppen und meine Gewerkschaft GEW zu diesem Zweck an einen Tisch zu bringen und dazu zu bewegen, gemeinsame Flugblätter, Presseerklärungen und Demonstrationen in Angriff zu nehmen.

Besonders wichtig war neben der gewerkschaftlichen Unterstützung die Rote Hilfe.

Frage: Was lässt sich über die Wirkung des Radikalenerlasses bis heute und aus deinem Fall lernen? Was muss noch getan werden?

Michael Csaszkóczy: Die gesetzlichen Grundlagen des Radikalenerlasses bestehen bis heute fort und können jederzeit wieder aus dem Hut gezaubert werden. Die einschlägigen Rechtsvorschriften stammen bis in die Formulierungen hinein aus der Nazizeit – sie wurden ja auch von Juristen mit einschlägiger Vergangenheit verfasst. Eine politische Bewegung, die es sich zum Ziel setzt, das deutsche Beamtenrecht von diesem Erbe der Nazizeit zu befreien, wäre das eigentliche Ziel. Der Inlandsgeheimdienst, der den irreführenden Namen „Verfassungsschutz“ trägt, muss endlich entmachtet und aufgelöst werden. Und schließlich ist es wichtig, die irrwitzige Vorstellung zu bekämpfen, mit diesem antidemokratischen Instrumentarium und diesem antidemokratischen Geheimdienst sei es irgendwie möglich, die Demokratie vor Rechten zu beschützen. Das Gegenteil ist der Fall.

Auch wenn der Staat sich heute nur noch selten genötigt sieht, die Waffe der Berufsverbote ganz real einzusetzen, wirken sie doch im Bewusstsein der Öffentlichkeit und insbesondere unter den künftigen und gegenwärtigen Beamtinnen und Beamten fort. Es gibt kaum eine Veranstaltung an Unis oder Pädagogischen Hochschulen, bei der nicht Leute auf mich zukommen und fragen: „Ich will doch jetzt Lehrerin oder Lehrer werden, was darf ich denn jetzt politisch überhaupt noch äußern?“

Diejenigen, die das fragen, müssen nicht einmal je etwas von Berufsverboten oder deren gesetzlichen Grundlagen gehört haben, um zu wissen: „Als Staatsdiener wird von mir Willfährigkeit und Wohlverhalten gefordert.“ Und es stimmt einfach nicht, wenn Leute sagen: „Ich kann mich ja vordergründig distanzieren und von missliebigen Meinungen fernhalten.“ Wer diesen Schritt einmal getan hat und seine Überzeugungen verleugnet und damit den Anspruch des Staates auf Unterordnung akzeptiert, das zeigen alle Erfahrungen, der oder die wird das auch künftig tun.

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"Zweifel an Verfassungstreue", UZ vom 28. Januar 2022



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