Zum DGB-Aufruf zum Antikriegstag

Zweierlei Maß

Mit seiner Erklärung zum diesjährigen Antikriegstag übernimmt der DGB die Sichtweise der NATO: Eine ausschließliche Schuldzuweisung für den Ukrainekrieg an Russland, sein „autokratisches Regime“ verfolge „eine brutale Politik der militärischen Konfrontation und Eskalation“ und ziele auf „die Vernichtung der Ukraine“. Mit dem „verbrecherischen Überfall der russischen Armee“ sei der Krieg zurück in Europa. „Nie wieder Krieg!“ – das sei und bleibe die Grundüberzeugung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften.

Zum Antikriegstag 1999, als die NATO den Krieg gegen Jugoslawien führte, hatte der DGB in seiner damaligen Erklärung das „Nie wieder Krieg!“ relativiert: Dieser Krieg habe gezeigt, „dass Bemühungen um die friedliche Beilegung von Konflikten an Grenzen stoßen können“.

Mit viel gutem Willen ließe sich im damaligen Aufruf auch Kritik herauslesen: „Der NATO-Einsatz im Kosovokrieg darf aber keine grundsätzliche Abkehr vom Vorrang friedlicher Konfliktlösungen bedeuten.“ Zur Erkenntnisgewinnung über die Hintergründe der Kriege von 1999 und 2022 sind die jeweiligen Erklärungen des DGB nicht geeignet, widerspiegeln sie doch die Schwäche der Linkskräfte und die Dominanz des regierungsnahen Führungspersonals in unseren Einheitsgewerkschaften. Deutlich wird, dass in den Aufrufen mit zweierlei Maßen gemessen wird.

Brauchbarer wird der aktuelle Aufruf, wenn man auf die konkreten Aufgaben der Friedens- und Arbeiterbewegung blickt. Denn der DGB verweist auf die „Militarisierung der Debatte“: „Der Ukrainekrieg darf uns nicht zu dem Irrglauben verleiten, Frieden ließe sich mit Waffen schaffen.“

Die Gewerkschaft erklärt, dass jeder Euro, der zusätzlich für Aufrüstung ausgegeben wird, an anderer Stelle zu fehlen droht, und positioniert sich an einer wichtigen Stelle gegen die Aufrüstungspläne der Bundesregierung: „Die Festlegung der Bundesregierung, den deutschen Rüstungshaushalt dauerhaft auf das 2-Prozent-Ziel der NATO oder darüber hinaus aufzustocken, lehnen wir auch deshalb entschieden ab.“

Eindeutig spricht sich der DGB auch für eine weltweite Ächtung von Atomwaffen aus: „Alle Nuklearmächte modernisieren derzeit ihre Atomwaffenarsenale. Dieser Wahnsinn muss beendet werden“, fordert der Gewerkschaftsbund. An die Adresse der Bundesregierung gerichtet heißt es: „Wir fordern sie auf, an dem im Koalitionsvertrag formulierten Ziel eines atomwaffenfreien Deutschlands festzuhalten, aus der nuklearen Teilhabe auszusteigen und die Lagerung von Atomwaffen in unserem Land zu beenden. Das bedeutet für uns auch, dass Deutschland dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten muss.“

Es wird für die Friedens- und Arbeiterbewegung schwer werden, die politischen Kämpfe gegen die dauerhafte Aufstockung des Rüstungshaushalts zu unseren Lasten und die Stationierung von Atomwaffen in unserem Land erfolgreich zu führen. In diesen Auseinandersetzungen wird sich schnell zeigen, dass sie gegen diese Regierung zu führen sind. Sie werden auch zeigen, wer die vom DGB geforderte europäische und internationale Friedensordnung, „die auf den Menschenrechten und den Prinzipien der Freiheit, der Selbstbestimmung und der sozialen Gerechtigkeit“ beruht, fördert oder diese boykottieren wird.

Voraussetzung ist jedoch, dass diese Kämpfe überhaupt geführt werden. Und ich bin sicher, dass sich in diesen Auseinandersetzungen auch genügend Möglichkeiten entwickeln werden, die Hintergründe von Kriegsursachen zu erkennen.

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"Zweierlei Maß", UZ vom 12. August 2022



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