Vor 60 Jahren versuchten Contras eine Invasion in der kubanischen Schweinebucht

Zwei Tage im April

Kuba feiert an diesem Wochenende den 60. Jahrestag des Sieges über die Söldnerinvasion in der Schweinebucht und die Proklamation des sozialistischen Charakters der Revolution durch Fidel Castro am 16. April 1961. Zur Erinnerung an das historische Datum werden – wie seit Jahren üblich – auch an diesem Freitag um 16.10 Uhr (Ortszeit) von der Festung San Carlos de La Cabaña an der Hafeneinfahrt Havannas 21 Artilleriesalven abgefeuert. Zeitgleich beginnt in Havanna zudem der 8. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC), der – wie die beiden vorangegangenen in den Jahren 2011 und 2016 – symbolträchtig vom 16. bis zum 19. April abgehalten wird. Von diesem Kongress, der zu einer Zeit stattfindet, in der Kuba durch die verschärfte US-Blockade und die Covid-19-Pandemie vor den größten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte steht, werden grundlegende Weichenstellungen für die künftige Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes sowie die Fortsetzung des Generationenwechsels in den Leitungsgremien der Partei erwartet. Wie bei der Niederschlagung der von der CIA organisierten militärischen Aggression vor 60 Jahren geht es auch bei den Entscheidungen des KP-Parteitages um die Verteidigung der Unabhängigkeit, der Souveränität und des sozialistischen Gesellschaftsmodells auf der größten Antilleninsel.

Angriff im Auftrag der USA

Einen Tag, nachdem Fidel Castro die kubanische Revolution 1961 auch formal als „sozialistisch“ proklamiert hatte, waren am 17. April mehr als 1.500 Söldner der „Brigada de Asalto 2506“ (Brigade des Sturmangriffs 2506) unter dem Schutz von US-Flugzeugen und einer Armada von Fracht- und Kriegsschiffen in Playa Girón (der Schweinebucht) im Süden der Insel gelandet, um die noch junge revolutionäre Regierung zu stürzen. Diese „Brigade“ war nach dem Sieg der Revolution in den USA von geflohenen Großgrundbesitzern, Industriellen und ehemaligen Batista-Militärs gegründet und mit Hilfe der CIA und des Pentagon als Söldnerarmee für eine militärische Intervention in Kuba aufgebaut worden. Die Angreifer, die im Auftrag Washingtons in Kuba wieder die bis zur Revolution herrschenden Zustände herstellen wollten, waren von US-Militärexperten und unter anderem auch von Spezialisten aus Westdeutschland in speziellen Ausbildungslagern auf einem Landgut in Retalhueu (Guatemala) trainiert worden.

Von Anfang an waren die militärischen Vorbereitungen durch politische Kontakte zu verbündeten Staaten und eine globale Desinformationskampagne flankiert worden. In Westdeutschland spielte die „Tagesschau“, seit 1952 das Nachrichten-Flaggschiff des 1945 mit Unterstützung des britischen Geheimdienstes „Political Warfare Executive“ gegründeten „Nordwestdeutschen Rundfunks“ (NWDR), eine wichtige Rolle. Seit dem Aufbau der scheinbar seriösen Nachrichtensendung war deren Auslandsberichterstattung auch vom Presseamt der USA, der „United States Information Agency“ (USIA), finanziert worden. Als die CIA-Söldner auf Kuba gelandet waren, verkündete „Tagesschau“-Chefsprecher Karl-Heinz Köpcke am 17. April 1961 in der 20-Uhr-Sendung eine auch von US-Medien verbreitete Nachricht. „Wenn Meldungen aus Mexiko zutreffen, leitet der Führer der Castro-feindlichen Bewegung Cardona bereits seit den frühen Abendstunden von Santiago aus die Operationen. Die Provinz Oriente soll ohne größeren Widerstand in die Hände der Aufständischen gefallen sein“, verlas Köpcke den von der Redaktion in der BRD ohne Prüfung der Fakten übernommenen Text. Die Meldung war komplett erfunden.

Während die Zuschauer in der BRD mit dieser und weiteren Falschmeldungen manipuliert wurden, berichtete das DDR-Fernsehen, was tatsächlich in Kuba geschehen war. „Kein Putschist hat auch nur einen Fuß auf den Boden der Stadt Santiago gesetzt. Der Putschistenboss Cardona hat es vorgezogen, darauf zu verzichten, kubanischen Boden zu betreten. Die Provinz Oriente war keine Sekunde in der Hand der Putschisten. Der ganze Spuk spielte sich unmittelbar an der Landungsstelle ab und in 72 Stunden war die Aggression liquidiert“, berichtete der Chefkommentator des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler, wahrheitsgemäß in seiner Sendung „Der Schwarze Kanal“. Die von BRD-Zeitungen und der „Tagesschau“ verbreiteten Lügen kommentierte er mitleidig: „Man kann Sie, meine Damen und Herren im Westen, zu dem, was sich bei Ihnen Fernsehen nennt, nur beglückwünschen.“

Gescheiterte Invasion

Die propagandistische Unterstützung westlicher Medien hatte das Fiasko der vom BRD-Fernsehen als „Aufständische“ bezeichneten CIA-Söldner jedoch nicht verschleiern können. Unter Leitung ihres Comandante en Jefe, Fidel Castro Ruz, hatten Milizen, revolutionäre Streitkräfte und die Bevölkerung die Aggressoren am 19. April 1961, nach knapp 72 Stunden, zurückgeschlagen. Bei der gescheiterten Invasion waren auf kubanischer Seite 176 Menschen getötet und über 300 verletzt worden. Die Angreifer verzeichneten mehr als 200 Tote, 1.192 Söldner wurden festgenommen. Unter den Gefangenen waren 100 Plantagenbesitzer, 67 Eigentümer von Mietshäusern, 35 Besitzer von Fabriken, 112 Geschäftsleute und 194 Ex-Militärs von Batista. Vor der Revolution haben sie insgesamt 923.000 Morgen Land, 9.666 Gebäude und Mietshäuser, 70 Fabriken, zwölf Nachtklubs, zehn Werke zur Zuckerverarbeitung, fünf Bergwerke und drei Banken besessen. Ende April wurden 41 der gefangenen Söldner an vier Abenden im Gewerkschaftshaus von Havanna in einer formlosen Prozedur durch Juristen und Journalisten befragt. Die Kämpfer der ehemals in Kuba herrschenden Klasse mussten, bekleidet mit US-amerikanischen Fallschirmjägeruniformen, Rede und Antwort stehen. Alle Verhöre wurden im Fernsehen live übertragen. Nachdem Washington der Forderung Castros nach einer Entschädigung in Form von Medikamenten und Nahrungsmitteln für Kubas Kinder nachgekommen war, wurden die Söldner wieder zurück in die USA geschickt. Am Strand in der Schweinebucht errichteten die Kubaner eine riesige Plakatwand: „Girón – die erste große Niederlage des Yankee-Imperialismus in Lateinamerika!“

Zwei Wochen nach dem Sieg über die Invasoren erklärte Fidel Castro in seiner Ansprache zum 1. Mai: „Wenn Mr. Kennedy den Sozialismus nicht mag, nun, wir mögen keinen Imperialismus, wir mögen keinen Kapitalismus! … Aber es kommt uns nicht in den Sinn, den Vereinigten Staaten vorzuschreiben, welche Regierungsform sie haben sollen. Deshalb ist es absurd, wenn Herr Kennedy sagt, welches System wir hier haben sollen.“ Rund 16 Jahre nach der Befreiung Europas vom Faschismus verglich der Revolutionsführer die gegen Kuba gerichtete antikommunistische Propaganda der USA und ihrer Verbündeten mit der „faschistischen, nationalistischen Sprache, die der deutschen Aggression gegen europäische Nachbarn“ vorausgegangen war. „Wer hat vor Kennedy so gedacht?“, fragte Castro und prangerte Washingtons Rhetorik mit dem Vorwurf an: „Auch Hitler und Mussolini glaubten, sie hätten das Recht, in den Nachbarländern Regierungen zu errichten, die ihren Interessen nützten.“

Die Blockade Kubas beginnt

Unmittelbar nach der Schlappe seiner CIA-Söldner ging Kennedy erneut in die Offensive. Nachdem Washington vor den Augen der Welt – trotz aller Manipulationsversuche – militärisch und moralisch als gescheitert dastand, warnte der US-Präsident Fidel Castro, er solle „die Nachsicht Amerikas nicht überstrapazieren“. Am 20. April 1961 erklärte Kennedy, die US-Regierung habe bisher zwar nicht in das Geschehen eingegriffen, aber – so drohte er – „unsere Zurückhaltung ist nicht unendlich“. Castro parierte die Drohung: „Seine Geduld geht also zu Ende. Und wie viel Geduld sollen wir aufbringen angesichts der ökonomischen Aggression und der wirtschaftlichen Blockade?“ Damit bezog er sich auf Sanktionen, die US-Präsident Dwight D. Eisenhower bereits 1960 verhängt hatte, als Kuba die Enteignung von US-Konzernen ankündigte. Ziel der Maßnahmen, hieß es in einem Dokument der US-Regierung vom 6. April 1960, sei „das Provozieren von Enttäuschung und Entmutigung durch wirtschaftliche Not“. Wörtlich formulierte Staatssekretär Lester Mallory in dem Memorandum: „Die Mehrheit der Kubaner unterstützt Castro. Es gibt keine wirksame politische Opposition. Das einzige Mittel, um ihm interne Unterstützung zu nehmen, ist, mittels Enttäuschung und Unzufriedenheit aufgrund wirtschaftlicher Mängel und Elends … das Wirtschaftsleben zu schwächen … und Kuba Geld und Versorgung zu rauben, um die Nominal- und Reallöhne zu reduzieren und durch Hunger und Verzweiflung den Sturz der Regierung hervorzurufen.“ Wenige Monate nach der missglückten Invasion untersagte Kennedy im Februar 1962 alle Handelsbeziehungen zu Kuba. Später wurde die Einfuhr von Produkten aus Drittländern verboten, wenn ein Rohstoff dafür von der Insel kam. Wirtschaftliche Not soll seit 60 Jahren das bewirken, was den USA in der Playa Girón misslungen war.

Die identische Zielsetzung demonstrierte Donald Trump noch vor seiner Abwahl, als er Ende September 2020 im Weißen Haus vor Veteranen der „Brigada de Asalto 2506“ weitere Sanktionen gegen Kuba ankündigte. Während rechte Exilkubaner und Systemgegner auf der Insel die geschlagenen Söldner als „Helden“ feierten, „die nie aufgehört haben, für die Freiheit Kubas zu kämpfen“, wurde die entlarvende Inszenierung zum propagandistischen Bumerang. Tatsächlich habe Trump die neuen Sanktionen von „einer Gruppe von Verlierern“ feiern lassen, spottete die kubanische Journalistin Norelys Morales Aguilera in ihrem Blog „Isla Mía“.

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"Zwei Tage im April", UZ vom 16. April 2021



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