Aktion der DKP – Für einen Ort des Gedenkens in Wilhelmshaven

Zwei Rote Matrosen

Von Björn Schmidt und Achim Bigus

Der Matrosenaufstand 1917, Gedenken in Köln

Vor genau 100 Jahren, am 5. September 1917, wurde der Militär-Übungsplatz in Köln-Wahn Schauplatz von zwei Hinrichtungen. Hier, weit weg von der Küste, wurden die wenige Tage zuvor verhängten Todesurteile gegen zwei junge Matrosen der Kaiserlichen Marine vollstreckt: Albin Köbis und Max Reichpietsch.

Das Friedensbildungswerk (Köln) nimmt den Jahrestag zum Anlass, um mit Kooperationspartnern an den Matrosenaufstand zu erinnern.

Marinemeuterei 1917 – Filmvorführung

Fr 1.9. 2017/18.00–20.15 Uhr/Weißhauskino, Luxemburger Str. 253, Köln-Klettenberg/Teilnahme kostenlos

Marinemeuterei 1917 ist ein deutscher Spielfilm von Hermann Kugelstadt aus dem Jahr 1969 nach einem Dokumentarspiel von Michael Mansfeld, das auf einer wahren Begebenheit beruht. Das Szenenbild stammt von Heinrich Mager.

Eine gemeinsame Veranstaltung vom Friedensbildungswerk Köln mit dem DGB Köln/Bonn und der Gruppe Robert Blum. Gesponsert von Off Kinobetriebs GmbH.

Der Matrosenaufstand 1917 – Das Schicksal von Max Reichpietsch und Albin Köbis

Mo 4.9.2017, 19.30–21.45 Uhr, Friedensbildungswerk, Preis: 5 Euro,

Christoph Regulski würdigt in seinem Buch „Lieber für die Ideale sterben, als für die sogenannte Ehre fallen“ das Schicksal der beiden jungen Matrosen und untersucht die politischen Hintergründe der deutschen Matrosenbewegung 1917. Er ist als Referent geladen.

Gedenkmarsch zum 100. Todestag von Max Reichpietsch und Albin Köbis

Di 5.9.2017, 12.00–14.00 Uhr

Hinweis: Der Gedenkstein mit den Reliefs von Max Reichpietsch und Albin Köbis liegt auf einem Kasernengelände der Bundeswehr. Der Zugang wird durch die Bundeswehr beschränkt. Die Teilnehmer mussten sich vorher mit Personalangaben anmelden.

Öffentliche Kundgebung

Di 5.9.2017, 14:15 Uhr Max-Reichpietsch-Str. 2, Heidestraße in Köln Porz

Anschließend an die Kranzniederlegung auf dem Friedhof der Luftwaffenkaserne Porz-Wahn findet eine öffentliche Kundgebung an der Kreuzung Albin-Köbis-Straße/Max-Reichpietsch-Straße statt.

Weitere Informationen unter: friedensbildungswerk.de

50 Menschen nahmen am regionalen Aktionstag der DKP in Wilhelmshaven teil, der letzten Samstag stattfand. Anlass war der 100. Jahrestag der Ermordung der „roten Matrosen“ Max Reichpietsch und Albin Köbis. Sie wurden am 25. August 1917 vom Marine-Kriegsgericht in Wilhelmshaven als „Rädelsführer“ zum Tode verurteilt. Reichpietsch und Köbis gehörten zu den Organisatoren einer Antikriegsbewegung unter den Matrosen der Hochseeflotte. Am 5. September wurde das Todesurteil auf dem Schießplatz Wahn bei Köln gegen den Heizer Reichpietsch und den Obermatrosen Köbis vollstreckt.

Wir dokumentieren die in Wilhelmshaven gehaltenen Reden von Achim Bigus und Björn Schmidt in Auszügen.

Björn Schmidt ist Leiter der Friedens-AG der DKP

Björn Schmidt ist Leiter der Friedens-AG der DKP

Es gibt keinen Streit unter den Kriegsparteien

Es ist unübersehbar: Die Bundestagswahlen stehen bevor. Zum großen Teil wird der Wahlkampf mit inhaltsleeren Phrasen geführt. Die wirklich wichtigen Fragen bleiben außen vor. Was ist mit der sozialen Gerechtigkeit? Mit der grassierenden Armut in Deutschland beim gleichzeitig wachsenden Reichtum der Milliardäre und Millionäre? Und was ist mit der Frage von Krieg und Frieden? Der Nahe Osten brennt. Die Kriege rücken – wie in der Ukraine – näher an Mitteleuropa heran.

Nun versuchen CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sich im Bereich der sogenannten Verteidigungspolitik voneinander abzugrenzen. Beim näheren Hinsehen wird aber deutlich: Unterschiede gibt es nur in der Rhetorik – in der Sache sind sie sich einig. Die Bundeswehr soll massiv aufgerüstet werden, um die deutsche Beteiligung an den Kriegen der NATO, der USA und der EU in der ganzen Welt zu verstärken!

Dagegen ist Widerstand angesagt – auf der Straße und mit dem Wahlzettel!

Vor drei Jahren erklärten die NATO-Staaten auf ihrem Gipfel in Wales, bis 2024 ihre finanziellen Mittel für Krieg und Militär auf 2 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts erhöhen zu wollen. Bei einem Wirtschaftswachstum von zwei Prozent pro Jahr wären das in der Bundesrepublik im Jahr 2024 mehr als 70 Milliarden Euro. Das ist eine Riesensumme, die dort fehlt, wo sie wirklich gebraucht wird: Im Gesundheitswesen, in Schulen und Hochschulen, in den Renten- und Sozialkassen!

Das Vorhaben scheint so wahnwitzig, dass die Bundesregierung es immer wieder bestätigen muss. Im Juni erklärte Merkel, dass das gemeinsame Ausgabenziel der Nato-Mitgliedstaaten „auf mittlere und längere Sicht nicht nur auf dem Papier stehen kann, sondern dass wir uns seiner annehmen müssen“. Und der Koalitionspartner SPD? Kanzlerkandidat Schulz tönt über Merkels Pläne: „Sie will Aufrüstung, ich will das nicht.“

Drei bis fünf Milliarden mehr pro Jahr sollten es aber schon sein.

Statt Aufrüstung ist massive Abrüstung angesagt. Doch stattdessen werden gigantische Rüstungsprojekte angeschoben: Kampfdrohnen, neue Fregatten, das MEADS-Raketensystem. Und auch personell wird aufgerüstet: Die Bundeswehr soll wieder auf 200 000 Personen vergrößert werden. Da kommen die NATO-Aufrüstungsverpflichtung und die Forderungen der US-Regierung nach mehr Militärausgaben der übrigen NATO-Staaten wie gerufen.

Denn darin sind sich CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP einig: Am transatlantischen Bündnis darf nicht gerüttelt werden. Und auch die AfD hat sich zur NATO bekannt. Die NATO steht für den Konfrontationskurs gegen Russland.

Glaubt man den Worten des neuen Außenministers Gabriel, bricht eine völlig neue Politik gegenüber Russland an. Im Rahmen seines Russlandbesuchs Anfang März mahnte er an, man müsse versuchen, Russland zu verstehen. Er sorge sich, „dass wir zu einer neuen Aufrüstungsspirale kommen“ und forderte „konkrete Abrüstungsschritte in Europa“. Ein Rückfall in den Kalten Krieg müsse „um jeden Preis“ verhindert werden.

Die Taten der Bundesregierung gehen allerdings in die entgegengesetzte Richtung: Eine militärische Drohgebärde gegen Russland jagt die nächste. Über 4 000 US-Soldaten wurden dieses Jahr permanent nach Polen und in andere osteuropäische Staaten verlegt – aus russischer Sicht eine riesige Provokation. Dazu kommt schweres Kriegsgerät wie Kampfpanzer, das mit deutscher Hilfe über Bremerhaven nach Osten transportiert wurde.

Die Bundeswehr ist mit bis zu 500 Soldaten, 26 Panzern und etwa 170 weiteren Militärfahrzeugen in Litauen dauerhaft stationiert.

Nach Ansicht der Kriegsministerin Ursula von der Leyen sei diese Maßnahme „genau angemessen“ und „defensiv“. Begründet wird sie mit einer angeblichen Aggressivität Russlands. Immer wieder wird Russland unterstellt, seine Nachbarländer überfallen und annektieren zu wollen. Tatsächlich verhält es sich genau andersherum: Es sind die militärisch und wirtschaftlich dutzendfach überlegenen westlichen Staaten, insbesondere der NATO und der EU, die Russland bedrängen. Die NATO ist durch ihre Osterweiterung immer näher an die russischen Grenzen herangerückt – entgegen den Abmachungen nach Ende des kalten Krieges. Das Säbelrasseln der NATO wird lauter. Die Kriegsgefahr wird dadurch erhöht und die Sicherheit der Menschen in Europa aufs Spiel gesetzt.

Wer für Frieden und Entspannungspolitik gegenüber Russland wirbt, muss konsequenterweise fordern: Austritt der Bundesrepublik aus der NATO! Damit einhergehen muss ein Abzug der US-Atombomben vom Fliegerhorst Büchel, die Schließung der US-Airbase Ramstein und der anderen US-Kommandozentralen wie AFRICOM und EUCOM in Stuttgart. (…)

Die Bundeswehr befindet sich in zahlreichen Kriegseinsätzen. Von Afghanistan, über Syrien bis nach Mali. Offiziell wird das wahlweise mit Terrorismusbekämpfung oder der Durchsetzung von Menschenrechten begründet. Wenn man sich die Bilanz dieses „Anti-Terror-Krieges“, der ja schon 2001 ausgerufen wurde, ansieht, muss man sagen: Wenn es wirklich das Ziel war, den islamistischen Terrorismus zu besiegen, dann hat der Westen, dann hat die NATO und auch die deutsche Bundesregierung völlig versagt. Dann könnte es nur eine Schlussfolgerung geben: Sofortiger Abzug aller deutschen Truppen aus den Auslandseinsätzen, egal mit welcher Begründung sie nun erfolgt sind.

Aber geht es wirklich um Terrorabwehr und Menschenrechte? Wenn man das „Weißbuch der Bundeswehr“ und die anderen Aussagen der politischen Eliten zur Kenntnis nimmt, dann lässt sich nur der Schluss ziehen, dass es tatsächlich um etwas anderes geht. Nämlich darum, die geopolitische Vorherrschaft des Westens abzusichern und auszubauen – und Deutschland ein „Stück vom Kuchen“ zu sichern. Wie anders kann man folgende Aussage verstehen, die im Papier „Neue Macht, neue Verantwortung“ von der regierungsnahen „Stiftung Wissenschaft und Politik“ getätigt wurde:

„Deutschlands Streitkräfte […] beteiligen sich an der Sicherung von Versorgungswegen“ und „Das verlangt mehr militärischen Einsatz und mehr politische Führung.“

Noch mehr Kriegseinsätze in aller Welt also. Diese geschehen auf Kosten der Bevölkerung der betroffenen Länder, der Jugendlichen, die als Kanonenfutter herhalten sollen, und der Bevölkerung hierzulande, die sprichwörtlich dafür bezahlen muss. Auch in dieser Frage gibt es bei CDU/CSU-SPD-FDP-Grünen keinen Streit. Lediglich die Rhetorik unterscheidet sich. Etwa wenn SPD-Außenminister Gabriel auf dem Evangelischen Kirchentag allen Ernstes Abrüstung fordert. Dabei war er als Wirtschaftsminister für Rekorde beim deutschen Waffenexport verantwortlich!

Die Politik der Bundesregierung kennt nur eine Richtung: Mehr Waffen, mehr Kriegseinsätze, mehr Rüstungsexporte, mehr NATO, mehr militärische Drohgebärden, mehr Geld fürs Militär. FDP, AfD und Grüne haben in diesen Grundfragen keinen anderen Kurs. Lasst uns bei der Bundestagswahl dieser Kriegspolitik ein deutliches „Nein“ entgegen setzen!

Achim Bigus ist Stellvertretender Bezirksvorsitzender der DKP Niedersachsen und DKP-Kandidat auf Landeslistenplatz 1.

Achim Bigus ist Stellvertretender Bezirksvorsitzender der DKP Niedersachsen und DKP-Kandidat auf Landeslistenplatz 1.

Unsere Vorbilder

„Reichpietsch und Köbis können nicht die Vorbilder der Bundesmarine sein“, so steht es amtlich und hochoffiziell in einem gemeinsamen Kommuniqué des damaligen Staatssekretärs Rust, des Generalinspekteurs der Bundeswehr Heusinger und des Marineinspekteurs Ruge im Jahre 1958. Ihre Begründung: die beiden „Meuterer“ hätten das Ziel verfolgt, „an die Stelle des damaligen Reiches eine Räte-Republik nach russischem Muster zu setzen“. Sie „waren nicht Wegbereiter der Weimarer Republik, sondern können eher als Vorkämpfer einer Staatsform gelten, wie sie heute in der deutschen Sowjetzone verwirklicht wird; sie werden dort auch als Volkshelden gefeiert.“

Dies berichtete der „Spiegel“ Nr. 49 vom 3. Dezember 1958, und auch über den Anlass für diese Erklärung: eine Veranstaltung der Evangelischen Akademie Hamburg und der evangelischen Militärpfarrer im Wehrbereich 1 im „Matthias-Claudius-Heim“ in Glücksburg unter dem Titel „Rüstzeit für Offiziere“. Referent war der SPD-Wehrberater, Oberstleutnant außer Dienst und Dr. jur. Fritz Beermann. Sein Thema: „Zur Tradition der Bundesmarine“.

Zu Beginn seines Vortrags erinnerte er an die Erschießung von Max Reichpietsch und Albin Köbis im Morgengrauen des 5. September 1917. Dann mutete er seinem Offizierspublikum einiges zu: nicht genug, dass er „nicht Sozialisten oder Kommunisten“, sondern den „Hunger und die skandalösen Dienstverhältnisse“ (so der „Spiegel“) für die Matrosenmeuterei 1917 verantwortlich machte – nein, mit Bezugnahme auf Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) forderte er, die Marine solle „jenen beiden Seeleuten ihren Respekt nicht versagen, die durch die Fehler eines vergangenen Militärsystems zu Symbolen vieler in ihrer Menschenwürde tief verletzter Soldaten und Matrosen geworden sind.“

Das war zu viel: „Keine Hand regte sich zum Beifall“, so der „Spiegel“. Nach einer Pause gab der Rangälteste der versammelten Marineoffiziere eine Erklärung ab: „Ich weiß, dass Reichpietsch und Köbis Idealisten waren; sie waren aber auch Mitglieder der radikalen USPD. Beide haben den Tatbestand der Meuterei erfüllt. Beide sind als Hochverräter und Meuterer gerichtet worden. Die Gesetze der Pflichterfüllung und des Gehorsams sind für uns notwendig.“

Heute gibt es in Wilhelmshaven keinen Ort des Gedenkens. Anders in Köln: auf dem öffentlichen Friedhof der Stadt Köln, der als Enklave innerhalb des Kasernengeländes der Bundeswehr Köln-Porz liegt, gibt es einen Gedenkstein mit den Reliefs von Max Reichpietsch und Albin Köbis. Der Zugang wird allerdings durch die Bundeswehr beschränkt. Dieses Jahr wurde ein Gedenkmarsch von 30 bis 40 Personen zugestanden. Diese müssen sich vorher mit Personalangaben anmelden. Friedenskräfte in Köln fordern, wie schon 2007 und 2008, vom Rat der Stadt Köln, eine Lösung zu finden, die den freien und unbeschränkten Zugang ermöglicht.

Anders als für die Bundesmarine sind für uns Max Reichpietsch und Albin Köbis Vorbilder im Kampf gegen den Krieg. Wir unterstützen die Forderung des Kreisverbandes Wilhelmshaven der Partei „Die Linke“, die Erinnerung an Köbis und Reichpietsch durch eine Straßen- oder Platzbenennung wachzuhalten.

Ein Vorbild dafür könnte Westberlin sein. Dort beschlossen die Bezirksverordneten des Verwaltungsbezirks Tiergarten einstimmig, das „Tirpitz-Ufer“ am Landwehrkanal in „Reichpietsch-Ufer“ und die „Admiral-von-Schröder-Straße“ in „Köbisstraße“ umzubenennen. Die Vorlage dafür hatte CDU-Stadtrat Böhme ausgearbeitet. Er begründete die Umbenennung „zu Ehren der beiden Revolutionshelden, die als Anführer der Kieler Matrosen-Revolte im Oktober 1918 erschossen wurden“. Die Begründung verrät zwar einen Mangel an Geschichtskenntnis, sagt aber auch viel über den Zeitgeist:

Vorlage und Beschluss stammen vom Mai 1947, also aus einer Zeit, in der auch die CDU in ihrem Ahlener Wirtschaftsprogramm vom 3. Februar 1947 erklärt hatte: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.“

Wie sehr sich im Zuge des kalten Krieges dann der Wind gedreht hatte, zeigte am 23. Juli 1958 der Antrag der Bezirksverordneten derselben CDU, die Namen der „Spartakisten Reichpietsch und Köbis“ durch Namen aus dem Widerstand gegen Hitler zu ersetzen. Dieser scheiterte allerdings am Widerspruch der SPD: „Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass genügend Gründe bestehen, Reichpietsch und Köbis zu ehren und ihr Andenken wachzuhalten.“

Das meinen wir auch. Lasst uns das tun, lasst uns Max Reichpietsch und Albin Köbis ehren und ihr Andenken wachhalten, als Opfer der kaiserlichen Militärjustiz und als Vorbilder im Kampf gegen den Krieg – am besten, indem wir diesen Kampf in ihrem Sinne weiterführen!

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"Zwei Rote Matrosen", UZ vom 1. September 2017



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