USA beharren bei Anhörung vor dem High Court in London auf Auslieferung des Journalisten Julian Assange

Zwei mal drei Meter für Bidens Gefangenen

Zwei mal drei Meter klein ist die Zelle im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, dem „britischen Guantánamo“, in der Julian Assange eingesperrt ist, weil er die Wahrheit berichtet hat über diejenigen, die mit Lügen Kriege beginnen und Verbrechen verheimlichen. Sechs Quadratmeter, seit 1.786 Tagen schon an diesem Freitag lebendig begraben. Der Journalist und Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks wehrt sich gegen eine Auslieferung an die USA, wo er nach einem Spionagegesetz aus dem Jahr 1917 angeklagt ist wegen Veröffentlichung von als „Geheim“ eingestuften Dokumenten. Die zusammen mit international renommierten Medien publik gemachten Papiere haben der Welt US-Verbrechen in den Kriegen im Irak und in Afghanistan, Folter im extraterritorialen US-Sonderlager Guantánamo und in Geheimgefängnissen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA vor Augen geführt sowie das globale Ausmaß der Überwachung durch Washingtons Nachrichtendienste deutlich gemacht. Im Fall seiner Auslieferung und Verurteilung drohen Julian Assange 175 Jahre Gefängnis. Tod auf Raten. Das Imperium kennt keine Gnade.

Schon die Verfolgung und laufenden Verfahren gegen Julian Assange in Europa sind Strafe und sollen ein Exempel statuieren. Seit 13 Jahren ist der Journalist seiner Freiheit beraubt. Nach fingierten Vergewaltigungsvorwürfen einer hilfswilligen Justiz im Bald-NATO-Mitglied Schweden rettete sich Julian Assange in London in die Botschaft Ecuadors, um einer absehbaren Auslieferung an die USA zu entgehen. Sieben Jahre währte sein politisches Asyl, ständig belagert von britischen Sicherheitskräften vor dem Haus und drinnen illegal dauerüberwacht von spanischen Dienstleistern im Auftrag der CIA. Am 11. April sind es fünf Jahre, die Julian Assange in Belmarsh sitzt, nachdem sein Asyl aufgekündigt und er aus seinem Zufluchtsort gezerrt worden war. Fünf Jahre Hochsicherheitsgefängnis, ohne in der Sache selbst je vor einem Richter gestanden zu haben, geschweige denn verurteilt worden zu sein. Washingtons Geheimdienst plante zwischenzeitlich die Entführung und Ermordung des Journalisten – allein dies führt jeden Gedanken daran, dem politischen Gefangenen Julian Assange würde vor einem US-Gericht Gerechtigkeit widerfahren, ad absurdum. Lange verschleppte Verfahren in Britannien sind Teil der Rache am Dissidenten des Westens, verkleidet in Recht.

Nach einer Anhörung in der vergangenen Woche vor den Royal Courts in London hat die Verteidigung bis zum 4. März Zeit, dem Gericht weiteres Material vorzulegen, um eventuell doch noch ein Berufungsverfahren gegen eine 2022 ergangene Entscheidung auf Auslieferung zu erwirken. Julian Assange hat an dem zweitägigen Verfahren aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen können, war noch nicht einmal per Videostream in den Verhandlungssaal zugeschaltet. Seine Ehefrau Stella Assange teilte mit, ihr Mann habe teilnehmen wollen, sei aber „nicht bei guter Verfassung“. Immer wieder verweisen die Familie und Unterstützer darauf, dass Assange psychisch und körperlich unter den juristischen Verfahren der vergangenen Jahre gelitten habe. Er ist 52, sieht aber mittlerweile aus wie 72. Stella Assange sagte auf einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude in der vergangenen Woche, ihr Mann werde sterben, wenn er in die USA geschickt werde.

Julian Assange kämpft in Britannien um sein Leben. Buchstäblich. Eine größer werdende internationale Solidaritätsbewegung konnte bisher helfen, zu verhindern, dass er seinen Häschern in den USA ausgeliefert, aber noch nicht erwirken, dass er freigelassen wird. Hier sekundiert das NATO-Mitglied Britannien Washingtons unbedingten Bestrafungswillen – hier genügt allein der Vergleich im Umgang mit Augusto Pinochet vor 25 Jahren: Der frühere chilenische Diktator war nach einer Klage Spaniens wegen Verbrechen während seiner Militärherrschaft (1973 bis 1990) bei einem Besuch in London 1998 verhaftet worden. Nach 16 Monaten im komfortablen Hausarrest in London konnte Pinochet nach Chile zurückkehren. Der damalige britische Innenminister Jack Straw (Labour) hatte am Ende eine Auslieferung des Verbrechers aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt – Skrupel, die seine reaktionäre Amtsnachfolgerin Priti Patel im Juni 2022 im Fall des Journalisten, der Verbrechen aufgedeckt hatte, nicht kannte, als sie die Auslieferung Assanges an die USA billigte.

Vor dem mächtigen viktorianischen Gerichtsgebäude Royal Courts of Justice forderten Demonstranten während der Anhörung lautstark und ausdauernd die Freilassung von Julian Assange. „Free Assange“ und „Journalism is not a crime“ waren die zentralen Motive. Journalismus ist kein Verbrechen. Offen bleibt, bis wann die Richter nun ihre Entscheidung bekanntgeben wollen, ob Assange die Chance auf ein Berufungsverfahren bekommt oder ob dies verworfen und der gesundheitlich schwer angeschlagene Journalist dann binnen vier Wochen in einen Flieger in die USA gesetzt wird. Beobachter rechnen damit, dass ein Urteil der Briten bis auf Weiteres verschleppt wird. Washington kann dies nur recht sein. Assange bleibt in jedem Fall eingesperrt, dem Weißen Haus aber erst einmal neben Ukraine und Gaza ein möglicher dritter Konfliktfall im bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf erspart.

Dass eine Auslieferung Julian Assanges am Ende politisch entschieden wird, machte das Ziel des finalen Demonstrationszuges der internationalen Solidaritätsbewegung nach der Anhörung am 21. Februar deutlich: Downing Street No. 10, Sitz des britischen Regierungschefs. Die Verfolgung zu beenden obliegt allein US-Präsident Joseph Biden, der die Anklage von seinem Vorgänger – und möglichen Nachfolger – Donald Trump übernommen hat.

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"Zwei mal drei Meter für Bidens Gefangenen", UZ vom 1. März 2024



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