Zum 115. Geburtstag von Werner Stertzenbach
Am 04. April 1909 wird Werner Stertzenbach in eine jüdische Familie geboren. Er wächst in Essen auf und macht eine kaufmännische Lehre. Werner engagiert sich bei den Arbeiterfotografen und dem Arbeiter-Stenografenbund. Er tritt in die KPD ein. 1933 wird Werner sofort in Schutzhaft genommen. Nach seiner Entlassung flieht er in die Niederlande. Dort wird er, da er keine gültige Aufenthaltserlaubnis mehr hat, 1936 interniert. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht kommt er in das Polizeiliche Durchgangslager Westerbork, von dort wird die jüdische Bevölkerung ab Juli 1942 in die Vernichtungslager deportiert. Werner gründet eine Widerstandsgruppe. Es gelingt ihnen, mindestens 20 Personen zur Flucht zu verhelfen. Im September 1943 muss Werner selbst fliehen, um der Deportation zu entgehen. In Amsterdam schließt er sich der Widerstandsgruppe seiner späteren Frau Alice an.
Nach der Befreiung erfährt Werner, dass es von seinen Eltern nach ihrer Deportation in das Ghetto Izbica kein Lebenszeichen mehr gibt. Ende 1945 werden sie für tot erklärt. Sein Bruder Herbert hat überlebt.
Mit dem Ziel, am demokratischen Aufbau mitzuwirken, kehrt Werner im Herbst 1945 nach Deutschland zurück. Privat ist seine Situation kompliziert. Für Stella Pach, der Mutter seiner im Dezember geborenen Tochter Manja, ist es ausgeschlossen, in das Land der Mörder ihrer ganzen Familie zu ziehen.
Werner wird wieder Mitglied der KPD und arbeitet fortan als Journalist beim Bielefelder Volksecho und dann bei der niedersächsischen Volksstimme. In den 1950er Jahren gerät er wieder in die Klauen der Justiz. Ein britisches Militärgericht verurteilt ihn zu zwölf Monaten Gefängnis, weil er sich gegen die Demontage der Salzgitter-Werke stellt. Als Kommunist wird ihm 1957 die Wiedergutmachung gestrichen. Von 1960 an ist er der Chefredakteur der antifaschistischen Wochenzeitung „Die Tat“.
Ab Mitte der 1970er Jahre leben Werner und Alice Stertzenbach – sie haben 1954 geheiratet – in Düsseldorf. Werner ist Mitglied des Präsidiums der VVN-BdA, über viele Jahre ebenfalls Landessekretär der VVN-BdA Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender der örtlichen Kreisorganisation.
Am 10. Juli 2003 stirbt Werner Stertzenbach im Alter von 94 Jahren in Düsseldorf.
Zum 100. Geburtstag von Henny Dreifuss
Henny Dreifuss, am 6. April 1924 in eine sozialdemokratische Familie geboren, wächst in Mannheim auf. 1933, sie ist 9 Jahre alt, flüchtet die jüdische Familie vor den Nazis nach Frankreich. Als die deutsche Wehrmacht Frankreich überfällt, entkommt die Familie in den Süden. Henny arbeitet in einem Kinderheim in Limoges. Dort trifft sie auf Kommunistinnen und Antifaschistinnen. Zusammen retten sie jüdische Kinder aus dem berüchtigten Lager Gurs und verstecken sie in dem Kinderheim oder bei französischen Familien. 1942 schließt Henny sich der Résistance an. Aufgrund ihrer Zweisprachigkeit ist sie prädestiniert für die „Travail Allemand“. Als angebliche Französin, ihre Papiere sind auf den Namen Marguerite Barbe ausgestellt, kann sie als Putzfrau bei der Wehrmachtsbehörde jeden Raum betreten, Gespräche belauschen und Pläne der Besatzer in Erfahrung bringen – eine gefährliche Tätigkeit.
Im September 1944 erlebt Henny die Befreiung in Lyon. Erst danach erfährt sie, dass aus ihrer engeren Familie nur ihre Großmutter, versteckt in einem Kloster, überlebt hat. Ihre Eltern wurden in Auschwitz und ihr Bruder Bernhard in Majdanek ermordet.
Henny kehrt nach Mannheim zurück und wird KPD-Mitglied. Bis 1955 hat sie eine Stelle beim Jugendamt. 1955, nach ihrem Umzug nach Düsseldorf, arbeitet sie als Journalistin und später viele Jahre in der Pressestelle beim Parteivorstand der DKP. Als langjähriges Mitglied der IG Druck und Papier ist die Frauenförderung ihr großes Anliegen. Sehr engagiert ist Henny Dreifuss in der VVN und setzt sich ein für die Gründung der Mahn- und Gedenkstätte. In Hörfunk, Schulen und Erzählcafés ist sie eine gefragte Zeitzeugin. In den Gesprächen betont Henny, dass ihre berechtigte Kritik an der Besatzungspolitik Israels nichts mit Antisemitismus zu tun hat.
Am 12. September 2017 stirbt Henny im Alter von 93 Jahren in Düsseldorf. Fünf Jahre später wird für sie ein Stolperstein neben denen ihrer Eltern und ihres Bruders in Mannheim verlegt.
Henny Dreifuss hat sich immer für eine Hanns-Kralik-Straße in Düsseldorf eingesetzt. Der kommunistische Künstler, der nach der Befreiung der erste Düsseldorfer Kulturdezernent war, hatte in der Résistance ihren lebensrettenden fingierten Ausweis angefertigt.