Ilse Jacob erinnert sich an ihre Eltern Katharina (1907–1989) und Franz Jacob (1906–1944)

Zwei Kämpfer im Stadthaus

Von Ilse Jacob

Mein Vater Franz Jacob war Hamburgischer Bürgerschaftsabgeordneter für die KPD, war schon 1933 nach der Machtübergabe an die Nazis in eine andere Gegend Deutschlands umgesiedelt und wurde im August 1933 verhaftet. Er ist dann nach Hamburg überführt und allen Aussagen nach dort schwer gefoltert worden. Er wurde zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Bremen abgesessen hat. Danach wurde er aber nicht entlassen, sondern kam für vier weitere Jahre in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Nachdem er von dort 1940 entlassen worden ist, ging er nach Hamburg zurück und beteiligte sich am Aufbau einer Widerstandsorganisation, die in der Literatur unter dem Namen „Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe“ bekannt ist. Diese Gruppe wurde 1942 weitgehend von der Gestapo aufgerollt. Meinem Vater gelang die Flucht nach Berlin. Dort hat er weiter im Rahmen des Widerstandes gearbeitet und ist im Juli 1944 zusammen mit Anton Saefkow verhaftet worden. Davor war Bernhard Bästlein dazu gestoßen und die drei sind gemeinsam zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 hingerichtet worden.

Meine Mutter wurde kurz nach der Machtübergabe das erste Mal verhaftet, weil sie einer Bekannten erzählt hatte, dass sie den KPD-Bürgerschaftsabgeordneten Fiete Dettmann gesehen hätte. Sie wurde noch am selben Tag festgenommen und gefragt, wo sie Fiete Dettmann gesehen hätte. Da wusste meine Mutter, wer der Spitzel war. Sie wurde dann die Nacht über verhört. Die Gestapo hatte immer nur die eine Frage: Wo ist Fiete Dettmann. Sie musste mit zwei dicken Adressbüchern unter den Armen bis in den Morgen stehen. Dann wurde das Verhör abgebrochen und sie wurde in einen anderen Raum geführt, wo sie Genossen aus Hamburg-Barmbek erkannte, die mit blutverschmierter Kleidung und Gesichtern dort saßen. Sie konnte einem zuflüstern, wer der Spitzel war. Das war für sie eine große Erleichterung, dass sie das weitergeben konnte, und auch, dass sie durchgehalten hatte.

Meine Mutter ist dann Silvester 1938 noch einmal verhaftet worden und wahrscheinlich im Stadthaus verhört worden. Sicher kann man das aber nicht mehr sagen.

Meine Mutter hat dann in der Widerstandsorganisation in Hamburg mitgearbeitet. Als mein Vater im Oktober 1942 flüchten musste – das war kurz vor meiner Geburt – ist meine Mutter nicht verhaftet worden. Ich bin im November 1942 geboren und meine Mutter konnte meinen Vater noch zweimal in Berlin besuchen. Als er verhaftet wurde, wurde sie auch verhaftet. In ihrem Prozess vor dem Volksgerichtshof wurde sie wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Sie wurde aber nicht freigelassen, sondern kam ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, wo sie am 1. Mai 1945 von der Roten Armee befreit wurde.

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"Zwei Kämpfer im Stadthaus", UZ vom 11. Mai 2018



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