Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk kam zum 75. Gründungstag der DDR aus seiner Sicht offenbar nicht ausreichend zum Zug. Am 7. Oktober machte er jedenfalls auf X seinem Herzen Luft und schrieb: „Die DDR wird auf vielen Ebenen und von vielen Akteuren verharmlost, vorneweg JournalistInnen von der ‚Berliner Zeitung’, ‚Zeit’, ‚Spiegel’ und ‚Tagesspiegel’.“ Sein Verdacht, selbst sogenannte Leitmedien fänden in dem von ihm und anderen „SED-Diktatur-Aufarbeitern“ produzierten Brei zu wenig Verdauliches, scheint berechtigt. Überregional tat sich zum DDR-Gründungsjubiläum nicht allzu viel in den bürgerlichen Medien.
Ihre Pflicht war, zu diesem Datum der deutschen Staatsräson, die einer völkermörderischen Kriegspolitik der Regierung Israels gilt, Genüge zu tun. Da fiel das Herumtrampeln auf der DDR und den heutigen Ostdeutschen beinahe aus. Hinzu kommt: Die Kriegsgefahr scheint das Gedächtnis der Ostdeutschen zu schärfen. Zum Beispiel in der RBB-„Abendschau“ am vergangenen Sonntag. Mit allerhand Antikommunismus hielt der Reporter fest: „Es gab ein DDR-Nationalgefühl.“ Dann folgte eine Zufallsumfrage in östlichen Berliner Bezirken: „Den 7. Oktober habe ich immer fleißig gefeiert, weil – ich hab dett als meine Republik angesehen.“ – „Waren Sie stolz damals, DDR-Bürgerin sein?“. Antwort: „Ja, auf alle Fälle. Bin ich immer noch.“ – „Sie hätten ganz gern die DDR weiter gehabt?“. Energische Antwort: „Ja.“ – „Warum?“ – „Weil et einfach besser war.“
Kowalczuk hat recht: Das greift um sich. Seine DDR-Erzählung blieb hingegen am Rand. Oder kam mit einem Schmarren wie vom SPD-Hofhistoriker Heinrich August Winkler im „Handelsblatt“ am Montag unter der Überschrift „Ein Land, zwei Kulturen – Ostdeutschland ist anders“. Begründung war unter anderem die Blödelei, der Holocaust sei „in der DDR fast schon systematisch beschwiegen“ worden, weil er sich mit dem Historischen Materialismus nicht erklären lasse. Was macht’s so einem aus, dass das „Tagebuch der Anne Frank“ seit 1957 in der DDR in großen Auflagen erschien, dass der erste deutschsprachige Spielfilm dazu 1959 von DEFA-Regisseur Konrad Wolf gedreht wurde, dass die wissenschaftliche Literatur dazu in der DDR stetig anwuchs. Es wird so einen nie kümmern. Sind eben zwei Geschichten, mehr denn je.