Der Polizeiangriff auf die LL-Demo hat für die Beamten vermutlich keine Folgen. Auch dank der Berliner „Linken“

Zwei-Diktaturen-Verdummung

Die brutalen Angriffe der Polizei auf die Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am 10. Januar waren, wie die UZ titelte, eine „Prügelorgie mit Vorsatz“. Die Begründung der Polizeiführung für das Einschreiten, es habe wegen FDJ-Symbolen „der Verdacht des strafbaren Zeigens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ (Pressemitteilung vom 11. Januar) bestanden, ist hanebüchen und ermunterte offenbar zu exzessiver Gewalt. Denn erstens nahm die FDJ jahrelang unbehelligt an der Demonstration teil und zweitens gibt es eine Rechtslage.

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Arnold Schölzel

Allerdings gibt es dazu leider bei vielen Kommentatoren und auch bei den Organisatoren der Demonstration Unsicherheiten. So erklärte das Vorbereitungsbündnis der LL-Demo am 12. Januar, Tatsache sei, „dass die FDJ, die Anfang der 50er Jahre in der alten Bundesrepublik verboten wurde, auf dem Territorium der früheren DDR erlaubt ist, weil der Einigungsvertrag gewährleistete, dass keine aus der DDR stammende Organisation verboten wird“. Das in den alten Bundesländern geltende Verbot gelte für den Osten nicht. In einem Interview mit der „jungen Welt“ erklärte FDJ-Zen­tralratsmitglied Terry Sch. am 18. Januar, „diese Einschränkung“ sei falsch. jW-Redakteur Nico Popp, der die Fragen stellte, formulierte es so: „Die rechtliche ‚Grauzone‘ entsteht offensichtlich erst dadurch, dass Polizei und Gerichte versuchen, die Verbotsentscheidung von 1951/54 als höherrangige Rechtstatsache“ gegenüber dem Einigungsvertrag zu bewerten. Durch ihn seien „alle in der DDR legalen politischen Parteien und Organisationen in der vergrößerten Bundesrepublik legalisiert“ worden. Offenbar beschreibt das die juristische Situation richtig. Aber die soll verändert werden. In den Worten von Terry Sch.: „Das Problem der Gerichte ist, dass es einen Einigungsvertrag gibt.“

Es geht demnach bei der Prügelattacke wie so oft in der Geschichte der BRD bei staatlichen Angriffen insbesondere auf Kommunisten und Antifaschisten darum, die Rechtslage zu ignorieren oder dreist zu verfälschen.

Die exzessive Gewaltausübung von Polizeibeamten, darunter eine Attacke auf einen Rollstuhlfahrer und ein Sprung mit dem Fuß voran in Kopfhöhe von Demonstranten, deutet auf Übermotivation und die Gewissheit, straflos handeln zu können. Wes Geistes Kind dabei herrscht, besagt das Zitat eines Polizeibeamten, das „Neues Deutschland“ in seinem Bericht über die Demonstration erwähnt. Der Beamte habe auf Nachfrage darauf beharrt, „Hakenkreuze dürfe man ja auch nicht auf der Straße zeigen“. 30 Jahre Zwei-Diktaturen-Verdummung tragen ihre Früchte.

Es gehört zur heutigen politischen Lage, dass die in Berlin in der Senatskoalition mitregierende Partei „Die Linke“ die Polizeiattacke zwar verbal verurteilt, aber nicht dazu bereit ist, die politischen Konsequenzen zu ziehen. So wiesen sowohl die beiden „Linke“-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus, Anne Helm und Carsten Schatz, sowie die Landesvorsitzende Katina Schubert in Antwortschreiben auf einen Brief von Ellen Brombacher und Jürgen Herold für das Vorbereitungsbündnis der LL-Demo gleichlautend darauf hin, „Linke“ und Grüne hätten „keinen direkten Einfluss auf Polizeieinsatzplanungen“. Auf dem digitalen Berliner „Linke“-Landesparteitag am 16. Januar spielten die Brutalitäten der Polizei folgerichtig keine Rolle. Innensenator Andreas Geisel (SPD) darf und wird das als Freibrief fürs Draufhauen bei Aktionen Linker betrachten. Er hat da eine Tradition zu wahren. Nur zwei Beispiele: Am 26. Januar 2020 ging die Polizei bei einer Gedenkkundgebung zur Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz auf dem Parkfriedhof Berlin-Marzahn rabiat gegen Teilnehmer einer Kundgebung der VVN-BdA vor und am 9. Oktober 2020 gab es kein Pardon bei der Räumung des Hauses Liebigstraße 34 in Friedrichshain. Der Mehraufwand gegen Linke wird schließlich durch Einsparungen bei Auftritten von Rechten und Faschisten kompensiert. „Die Linke“ trägt dafür Mitverantwortung.

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"Zwei-Diktaturen-Verdummung", UZ vom 22. Januar 2021



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