US-Präsident Joseph Biden hat eine neue große Zahl ins Schaufenster gestellt: Dem 1,9 Billionen US-Dollar (USD) schweren Covid-19-Entlastungsgesetz sollte ein 3 Billionen schweres Infrastrukturprogramm folgen. Wie schon zuvor bei der Covid-19-Entlastung ist Biden allerdings auch dabei nach wenigen Tagen zurückgerudert. Aus der 2.000-USD-Arbeitslosenhilfe des Covid-19-Gesetzes wurden 1.400 und aus den 3 Billionen USD des Infrastrukturplans wurden zwei. Aber das sind die üblichen taktischen Betrügereien und nicht der Kern des Problems. Klar ist, dass Kongress und Federal Reserve mittlerweile weit über 8 Billionen USD für Covid-19-Hilfen aufgewandt haben. Mit den Kosten des Infrastrukturprogramms wären es über 10 Billionen, gut 50 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts.
Ebenso wie die US-Ökonomie nahezu vollständig an den Billioneninfusionen des Finanzministeriums und der Zentralbank hängt, so ist auch völlig unbestritten, dass sich die US-Infrastruktur in einem beklagenswerten Zustand befindet. Die American Society of Civil Engineers (ASCE) hat den Infrastrukturzustand in ihrem detaillierten Report für 2021 mit einem schwachen C- bewertet. 43 Prozent der Straßen seien in einem schlechten oder mäßigen Zustand, 46.154 Brücken seien strukturell mangelhaft. Der Zusammenbruch des Stromnetzes in Texas hat den Zustand der Energieversorgung vor Augen geführt. Allein 21 Milliarden USD seien notwendig, um die maroden Dämme zu stabilisieren und so weiter. Die ASCE kam 2017 zu dem Ergebnis, dass ein Investitionsvolumen von 4,59 Billionen USD notwendig sei, um die Lage einigermaßen in den Griff zu kriegen.
Die Biden-Regierung hat unter dem Slogan „Build Back Better“ eine ganze Reihe schöner Versprechungen gemacht, was mit diesen zwei Billionen USD, so sie denn vom Kongress genehmigt werden, geschaffen werden soll. Das ist nicht neu – noch nahezu jede Regierung der letzten 30 Jahre hat mit einem Infrastrukturprogramm aufgewartet. Passiert ist wenig bis nichts. So verspricht Biden die Elektromobilität voranzubringen, Kredite für den Mittelstand und die Kleinunternehmen, eine „Ermutigung“ für „Industrien der nächsten Generation“, Investitionen in die Verbesserung des Stromnetzes und in „Clean & Green Energy“, den Bau von 500.000 Häusern für Käufer aus der Unter- und Mittelschicht, Steuererleichterungen und -kredite, die Beendigung der Subventionierung von fossiler Energie und ähnliches mehr.
Diskutiert wird eine Laufzeit dieses angeblichen „Tech New Deal“ von zehn Jahren. Sollte es tatsächlich so kommen, so wäre angesichts der Probleme zwar nicht viel, aber vielleicht zumindest etwas gewonnen. Allerdings fragt wieder einmal niemand, warum die Infrastruktur im angeblich reichsten Land der Erde in einem so desaströsen Zustand ist. Das wäre ja wichtig, um die Ursachen bekämpfen zu können, anstatt die Probleme mit Tonnen von Geld aus der Druckerpresse zuschütten zu wollen. Allerdings würde man dann bei der unangenehmen Wahrheit landen, dass die verrottete Infrastruktur das unmittelbare Ergebnis der seit 40 Jahren andauernden neoliberalen Offensive, der hemmungslosen Reichenbereicherung und der Ausplünderung der Privat- und Staatshaushalte ist.
Um die US-Infrastruktur tatsächlich sanieren zu wollen, müsste man die neoliberale Selbstruinierung umkehren. Notwendig wäre ein gigantisches, sich über mehrere Jahrzehnte erstreckendes Programm. Die operativen staatlichen Fähigkeiten der 1930er bis 1960er Jahre müssten zurückgewonnen werden, die Reichen und die Großkonzerne müssten wieder zur Kasse gebeten werden und die sozialökonomischen Lebensverhältnisse wieder auf ein Niveau gebracht werden, das gute Löhne für qualifizierte Arbeit ermöglicht. Davon kann selbstredend nicht im Ansatz die Rede sein.
Die Federal Reserve hat im US-Finanzcasino ein Spiel organisiert, bei dem niemand verlieren kann und so – inmitten der Krise – für eine Reichtumsexplosion von 9 Billionen USD bei den Zockern gesorgt. Die 460 US-Milliardäre haben allein davon 1,3 Billionen abbekommen. Geld ist also reichlich vorhanden. Aber die Reichen und die Monopole hatten noch nie genug und sie haben auch jetzt nicht genug. Sie werden auch beim Infrastrukturprogramm wieder die Hand aufhalten. Das Geld wird per Private Public Partnership oder durch ähnliche Konstruktionen zuallererst bei ihnen landen, bei den Dividenden der Aktionäre und den Boni der Vorstände und Aufsichtsräte. Was dann noch für Straßen, Brücken, Deiche und Eisenbahnen bleibt, dürfte überschaubar sein. Während des New Deals der 1930er Jahre wurden 15 Millionen arbeitslose US-Bürger direkt vom Staat eingestellt. Daran ist beim „Tech New Deal“ nicht einmal zu denken.