Grundsteuerreform macht Wohnen teurer und Gewerbeimmobilien billiger

Zwanzig zahlen für einen

Mieter und Bewohner von Ein- und Zweifamilienhäusern erwartet im kommenden Jahr eine böse Überraschung: die Grundsteuer B wird für sie teils fünffach erhöht. Freuen können sich Konzerne und Eigner von Gewerbeflächen: Sie werden stark entlastet, teils um bis zu 90 Prozent. Auch so geht Umverteilung von unten nach oben.

Die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke ist neben der Gewerbesteuer, dem Gemeindeanteil an den Einkommens- und Umsatzsteuern und den Schlüsselzuweisungen vom Land eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Über den Hebesatz können die Gemeinden frei entscheiden, aber nur theoretisch. In Rheinland-Pfalz (RLP) wurden im Vorjahr zwei Drittel der kommunalen Haushalte von der Kommunalaufsicht zurückgewiesen. Um die Defizite zu mindern, zwang man das Gros der Gemeinde- und Stadträte unter anderem dazu, die Grundsteuer B, aber auch die Gewerbesteuern teils massiv zu erhöhen. Ein Hauptfehler dieses Systems ist, dass die Kommunen ständig zusätzliche Pflichtaufgaben erhalten, aber keinen adäquaten Finanzausgleich. Dadurch werden Gemeinden ohne potente Steuerzahler als Wohngemeinde und Gewerbestandort noch unattraktiver. Ausnahmen bilden Kommunen wie Ingelheim (RLP) mit dem Pharmakonzern Boehringer und einem neuen Hebesatz von nur 81 Prozent.

Berechnungsgrundlage der Grundsteuer ist der Messwert, multipliziert mit dem örtlichen Hebesatz. Da die Messwerte auf alten Verfahren beruhten, verlangte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 eine Reform. Die wurde am 18. Oktober 2019 beschlossen. Dem Stimmergebnis nach votierten die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD und die „Opposition“ von FDP und Grünen dafür, „Linke“ und AfD nicht. Letztere sah mit dem Gesetz den „Sozialismus“ anmarschieren. Das im Bundestag beschlossene Modell wurde von vielen Bundesländern eins zu eins übernommen, im Saarland und in Sachsen mit Änderungen. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen erließen eigene Gesetze, deren Auswirkungen vor Ort separat untersucht werden sollten.

Jahre dauerte die notwendige Erfassung der Immobiliendaten. Wobei zumeist Daten abgefragt wurden, die erkennbar schon vorlagen. Nicht verwunderlich, dass viele das Verfahren als einen „Gehorsamstest“ empfanden. Die oben genannten Steuererhöhungen zur Haushaltskonsolidierung wurden dabei oft fälschlich als Auswirkungen der „Reform“ gesehen.

Die Grundsteuerzahler wurden damit vertröstet, dass die Reform insgesamt aufkommensneutral bleibe. Die folgenden Zahlen, aus einer Vorlage des dortigen Finanzausschusses (auf volle Euro gerundet), beziehen sich auf Bad Kreuznach (RLP). Da wird dann zum Beispiel in einem älteren Wohngebiet mit teils über 100 Jahre alten kleinen Einfamilien-Reihenhäusern der bisherige Messbetrag von 11,43 auf 45 Euro, die Grundsteuer von 63 auf 248 Euro erhöht, also vervierfacht. Bei einem Zweifamilienhaus in einem ländlichen Vorort steigt der Messbetrag von 111 auf 149 Euro, zahlbar dann statt 610 künftig 819 Euro. Ganz anders bei einem Gewerbegebiet, dessen Messbetrag von 1.253 auf 128 Euro gesenkt wird, die Steuerschuld sinkt von 6.890 auf läppische 702 Euro. Aufkommensneutral heißt hier, dass 20 „Kleine“ mit jeweils circa 200 Euro den Gewerbebetrieb subventionieren müssen.

Aber damit nicht genug. Beim 2024er-Hebesatz von 550 Prozentpunkten (2022 waren es noch 450) gleichen höhere Steuern aufs Wohnen nicht die Senkung bei den Gewerbeflächen aus. Erst beim Hebesatz von 679 Prozent wird es aufkommensneutral. Für das kleine Wohnhaus heißt das, 306 statt jetzt 63 Euro, für das Zweifamilienhaus statt 610 demnächst 1.011 Euro. Der Eigner der Gewerbeimmobilie wäre mit 866 statt 702 Euro immer noch um 6.024 Euro massiv entlastet.

Die Belastung des Wohnens steigt, je höher der Anteil an Gewerbeflächen ist. Militärische Liegenschaften sind von der Grundsteuer befreit. So entfallende Einnahmen müssen durch höhere Belastungen von Wohneigentum kompensiert werden, Eigenheimbewohner und Mieter subventionieren so dann auch die Bundeswehr und die Stationierungsstreitkräfte mit. Es wird Zeit, dass die Betroffenen aufstehen, um diese Steuerreform in die Tonne zu treten.

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"Zwanzig zahlen für einen", UZ vom 20. Dezember 2024



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