Urteil des BSG bestätigt unsoziale Praxis der Jobcenter – Betroffene müssen Rentenkürzungen hinnehmen

Zwangsrente Rente mit 63

Von Manfred Dietenberger

Die Koalitionäre bescherten uns die Rente mit 67 – nur die vom „Arbeitsmarkt“ sozial deklassierten Hartz-IV-Empfänger werden seit Jahren auch gegen ihren Willen in die Frührente abgeschoben. So auch ein Hartz-IV-Empfänger aus Duisburg in Nordrhein-Westfalen. Der hatte gegen das für ihn zuständige Jobcenter geklagt, weil er wider seinen erklärten Willen vorzeitig mit 63 statt mit 65 Jahren in Rente geschickt werden sollte. Seine abschlagsfreie Regelaltersrente von rund 924 Euro reduziert sich dadurch um rund 80,00 Euro.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel fällte jetzt ein Grundsatzurteil (AZ: B 14 AS 1/15 R) und erklärte, dass die vorzeitige Verrentung rechtmäßig sei, da Hartz-IV-Empfänger, die jahrelang keine existenzsichernde Arbeit finden, aufgefordert werden könnten, eine vorgezogene Altersrente mit 63 Jahren zu beantragen.

Wenn bei den Betroffenen also keine Aussicht mehr auf einen Job besteht, sind die Jobcenter seit 2008 geradezu gesetzlich verpflichtet, ihre arbeitslosen „Kunden“ auf „vorrangige Leistungen“ hinzuweisen – und dazu gehören eben auch Zahlungen aus der Rentenkasse.

Es ist also völlig legal, hierzulande ältere Arbeitslose zum frühestmöglichen Zeitpunkt – also mit 63 Jahren – zu einem Rentenantrag zu drängen. Tut dies ein widerspenstiger Leistungsbezieher nicht selbst, kann die Behörde in seinem Namen den Antrag stellen. Dies ist ohne Zweifel eine unsoziale Sauerei, weil für jeden Monat, den man vor dem gesetzlichen Eintrittsalter in Rente geht, die Rente pro Monat um 0,3 Prozentpunkte gekürzt wird.

So erhält beispielsweise ein Hartz-IV-Empfänger, Jahrgang 1952, der vom Jobcenter zwangsweise in die Frührente geschickt wird, lebenslänglich einen Abschlag von neun Prozent. Dies ist den Bundessozialrichtern aber schnurz, und so erklärten sie: „Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente durch den Kläger ist erforderlich, weil dies zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führt“.

Die finanziellen Folgen, so die Richter, seien vom Gesetzgeber als hinnehmbar erachtet. Zwangsverrentete haben zudem keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter, bis sie die Regelaltersgrenze erreichen haben. Können sie von der gekürzten Rente nicht leben, müssen sie Hilfe zum Lebensunterhalt, sprich Sozialhilfe, beantragen. Zuvor geht es an die eigenen noch verbliebenen Ersparnisse der Betroffenen – auch an das Vermögen für die Altersvorsorge, das bei Hartz-IV-Empfängern noch geschützt ist. Auch das Einkommen der Kinder kann herangezogen werden.

Diese – die Arbeitslosenstatistik schönende – asoziale Praxis bedeutet für viele der davon Betroffenen eine steile Rutschbahn in Richtung Altersarmut. Nicht alles, was rechtens ist, ist auch menschlich.

Es kann und darf nicht hingenommen werden, dass, um die Sozialkassen kurzfristig zu entlasten und die Arbeitslosenstatistik zu schönen, Menschen bis ans Lebensende in die Altersarmut gezwungen und damit zu Lasten der Haushalte der Kommunen dauerhaft sozialhilfebedürftig werden.

Schluss mit der Zwangsverrentung – es braucht eine ersatzlose Streichung des entsprechenden Paragrafen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sonst werden nach Schätzungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in den kommenden zwei Jahren rund 140 000 Hartz-IV-Bezieher von Zwangsverrentung bedroht sein.

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"Zwangsrente Rente mit 63", UZ vom 28. August 2015



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