Es ist wieder Freitagnachmittag: Klaus baut den DKP-Infotisch vor der Tela-Post auf, keine fünf Minuten entfernt vom berühmten „Grünwalder Stadion“. Hier ist immer viel los, viele steigen aus der Tram um in die U-Bahn, andere flanieren und machen Besorgungen. Zwischen dem Obststand und dem kleinen Laden finden hier seit Monaten Infotische der Kommunisten statt. Jörg ist immer dabei, er hat jeden angesprochen, der hier vorbeiläuft. Ob er schon für die Kandidatur der DKP unterschrieben habe? Und wenn nicht, ob er denn jetzt unterschreiben wolle? Kein Wunder, dass die notwendige Anzahl der Unterstützungsunterschriften zusammenkam und dass ein Großteil durch seine Münchner Süd-Ost-Gruppe gesammelt wurde. Die hatte sich in ihrem aktuellen Arbeitsplan vorgenommen, verstärkt im Münchner Arbeiterviertel Giesing aufzutreten.
Während andere Genossinnen und Genossen auf Demonstrationen und in Bündnissen aktiv sind, sichert der regelmäßige Infotisch hier am Platz die ebenso notwendige Fleißarbeit ab: Ruhig und kontinuierlich, zuverlässig und mit langem Atem gehen die Genossen hier mit den Anwohnern ins Gespräch und machen die Kommunistische Partei bekannt. Dabei werden sie je nach Wochentag von verschiedenen Mitgliedern aus der Parteigruppe unterstützt, auch junge SDAJ-Mitglieder helfen regelmäßig. Für sie ist es spannend, mit am Infotisch zu sein, nach über einem Jahr Pandemie und Online-Treffen.
Als Stefan, der um die Ecke wohnt, zum Infotisch kommt, ruft Klaus ins Megaphon: „Sprechen Sie mit unserem Kandidaten Stefan Mitschke!“ – Sein Gesicht ist nicht nur der Eisverkäuferin in der Straße bekannt, sondern auch den Passanten, die unsere Kandidatenplakate gesehen haben.
In den Nebenstraßen gibt es alte zweistöckige Häuser, sie gehören zum historischen Kern des Viertels und sind von den Spekulationen auf dem Mietmarkt bedroht. Das bekannte „Uhrmacherhäusl“ wurde vor ein paar Jahren sogar vom neuen Besitzer illegal mit einem Bagger eingerissen, doch die Anwohner protestieren bis heute für den Wiederaufbau. Selbst in diesen kleinen Straßen rund um die Heilig-Kreuz-Kirche hängen DKP-Plakate. Schön ist es da sowieso. Wer hier wohnen kann, hat Glück und ein Einkommen.
Geht man aber in die andere Richtung, dann werden die Häuser höher und höher. Hinter den großen weißen Neubau-Blöcken stehen die alten Wohnblöcke direkt am Mittleren Ring. Dort sind zwar mehr Autos und weniger Alpinweiß, dafür ist hier mehr los auf den Sitzbänken im Hof. Wie schon in den letzten Wahlkämpfen oder vor dem 1. Mai stecken wir auch hier wieder unsere Flugblätter – dieses Mal bitten wir um die Unterschrift, auch wenn viele hier nicht wählen dürfen. Ein paar Dutzend Unterschriften erreichen uns schließlich auf dem Postweg.
Auf dem Flugblatt lächeln Hannes, Ruth, Tom, Edgar, Stefan und Werner in die Kamera – sie kandidieren in Bayern für die DKP-Landesliste. Tausende Briefkästen werden bestückt, immer wieder ziehen die Trupps durchs Viertel und stecken. Als nach Wochen alles verteilt ist, wird aufgeatmet. Doch kurz darauf bläst der Bundeswahlleiter zum Angriff, stellt die DKP in Frage. Vier Tage hat der Parteivorstand nun Zeit, um Einspruch einzulegen, und wir fragen uns, was wir tun können. Öffentlichkeit kann nur helfen, also stecken wir wieder. Weil wir so schnell kein Material erstellt bekommen, bestellen wir die UZ und verteilen sie am Infotisch und in Briefkästen. In der Woche drauf dann die UZ-Sonderausgabe zum kalten Parteiverbot und danach das DKP-Info. Wieder tausende Briefkästen, einige Anwohner grüßen schon freundlich, als sie die dritte Woche in Folge von uns informiert werden.
Gleich nebenan wohnt ein junger Genosse, der eben sein Abi nachgeholt hat. Jetzt will er wieder mitmachen und hat unsere Plakate bemerkt. Sie seien zwar gut sichtbar, aber da ginge noch mehr. Auch seine Freundin hilft mit. Zwei weitere Freunde schließen sich an, nur einer ist Parteimitglied. Mittlerweile haben die vier zusammen über ein Drittel der Plakate im Viertel gehängt. Einer hat nun seinen Aufnahmeantrag für die DKP gestellt.
Überhaupt erreichen uns mehr und mehr Kontaktanfragen. Kurz vor dem Ferienmonat August drängen sich am Gruppenabend der Münchner Süd-Ost-Gruppe über 20 Leute ins Parteilokal – mehr passen mit 1,5-Meter-Abstand nicht rein. Ein paar Gäste zur Diskussion, aber auch neue Interessierte. Einer kommt aus Tschechien und ist jetzt in München. Das Lavieren der Linkspartei gegenüber der NATO enttäuscht ihn, er kommt jetzt zu uns.
Auf der Kundgebung am Antikriegstag fragt ein Freund aus der Linkspartei, ob der junge Genosse, dem er die SDAJ empfohlen hat, nun aktiv geworden ist – schließlich sei er Internationalist und friedensbewegt, da gehört er doch zu uns. Doch nicht nur eine klare Position gegen das Kriegstreiben der Herrschenden bringt uns ins Gespräch mit mehr und mehr Leuten.
Zurück zum Infotisch vor der Tela-Post: Hier hängt wie immer unser Transparent „Gesundheit als Ware? Das ist doch krank!“. Gerade in der Pandemie mussten wir kaum etwas erklären zu dem Thema, dass es so nicht weitergehen darf im Gesundheitssektor ist den Leuten klar. Dass wir es offen ansprechen, wird auch wahrgenommen.
Als wir am Abend vor dem 1. Mai für die Demo am nächsten Tag mobilisieren, sprechen wir an, dass die Krise sichtbar macht, unter welchen Umständen wir nicht mehr leben wollen, dass das ewige Herumdoktern am kapitalistischen System auf Dauer auch nichts bringt und dass wir auf die Straße müssen, gerade wenn die Herrschenden uns auffordern, daheim zu bleiben. Übers Megaphon schallt es über die ganze Kreuzung vor dem Ostfriedhof, wenige Passanten zeigen uns den Vogel, viele aber zeigen Daumen oder nicken uns zu, ein paar bleiben zum Gespräch.
Zeitgleich stehen Genossen mit Tisch, Flugblatt und Megaphon am Giesinger Bahnhof und an der Tela-Post. Hier am Ostfriedhof, direkt am Nockherberg, werden die teuersten Wohnungen in ganz München gebaut. Denn zu den über hunderttausend Einwohnern im Viertel zieht es auch mehr und mehr geldige Zugezogene in ihre Luxusbauten – während sich viele in Giesing ihre Miete kaum mehr leisten können.
„Es hat sich ausspekuliert“, sagten SPD, DGB, Mieterbund und Linkspartei vor der Pandemie und sammelten Unterschriften für einen Mietendeckel. Auf unseren lokalen Plakaten ergänzen wir dieses Jahr, dass wir auch für die Vergesellschaftung von Grund und Boden stehen. Ob nicht erst der eine Schritt vor dem anderen kommen müsse, fragt ein Kumpel. Jetzt also nochmal über die Mietenproblematik nachdenken.
Wir stehen am Kiosk am Nockherberg, weil es dort schön ist und weil es dort ein kühles Bier gibt, das wir uns verdient haben nach dem ganzen Agitieren. Im Fenster, durch das die Kioskbesitzerin guckt, liegt (nicht nur an diesem Tag) die „AufDraht“, unsere Münchner Betriebszeitung, zum Mitnehmen. Die neue Ausgabe gibt’s nächste Woche vorm Betriebstor – aber auch wieder am Infotisch an der Tela-Post.