Analysen der DKP zur Faschismusgefahr – Vertiefung zum Leitgedanken 7

Zusammenhänge erkennen

Richard Höhmann

Derzeit diskutieren die Gliederungen der DKP in Vorbereitung des 26. Parteitags zehn Leitgedanken. Der Parteivorstand hat in diesen seine Analyse der Entwicklung des Imperialismus und der Kräfteverhältnisse dargelegt. Im Rahmen der Referatsdiskussion auf dem Parteitag im Juni sollen die kollektiven Diskussionsergebnisse eingebracht werden. Zur Unterstützung der Aneignung der Positionen des Parteivorstands und damit der Herstellung eines einheitlichen Wissensstands in der Partei erscheinen in UZ Artikel zur Vertiefung der einzelnen Leitgedanken. Wir haben die Beiträge unter folgendem Link zusammengefasst. Ab Ende Januar wollen wir den Gliederungen der DKP die Möglichkeit geben, in der UZ ihre Diskussionsergebnisse darzustellen. Zur Strukturierung werden wir diese in Blöcken zusammenfassen. Beginnen werden wir mit der Einschätzung internationaler Entwicklungen in den Leitgedanken 1 bis 3. Darauf folgt die Analyse der Situation in Deutschland in den Leitgedanken 4 bis 7. Zum Abschluss sollen die Kräfte des Widerstands diskutiert werden. Wir bitten die Gliederungen der DKP ab sofort um Einsendungen ihrer Diskussionsbeiträge mit einem maximalen Umfang von 6.000 Zeichen an: debatte@unsere-zeit.de.

Im Leitgedanken 7 weist der Parteivorstand auf den engen Zusammenhang von Militarismus und Faschismus hin. Von den Herrschenden wird dies ausgeblendet. Stattdessen „wird der Kampf gegen ‚rechts‘ instrumentalisiert, um dem Militarismus ein demokratisches Mäntelchen zu verpassen“. Durch die Abwälzung der Kosten für die Aufrüstung auf die Mehrheit der Menschen spitzen sich die sozialen Widersprüche zu. Das entzaubert die Sozialdemokratie und erzeugt Steilvorlagen für rechte Demagogen.

Die konkreten Folgen beleuchtete Siw Mammitzsch in ihrem Diskussionsbeitrag auf der Bezirkskonferenz der DKP Ruhr-Westfalen am 15. Februar:

„Diejenigen, die am lautesten für den Erhalt ‚unserer Demokratie‘ gegen die AfD zu Felde ziehen, sind die Gleichen, die demokratische Errungenschaften mit Füßen treten, wenn sie ihnen nicht mehr passen. Ich meine damit nicht die vielen, die auf die Demos gehen, sondern die politischen Repräsentanten der großen Parteien.

Denn sie waren es, die quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Volksverhetzungsparagrafen angepasst haben, um Kriegsgegnern einen Maulkorb zu verpassen. Friedensaktivisten, die für Frieden mit Russland eintreten, müssen sich vor Gericht verantworten. Berufsverbote sind wieder ein probates Mittel, um politisch unliebsame Aktive zu drangsalieren. Unter dem Stichwort ‚Staatsräson‘ werden Studierende aus Hörsälen geknüppelt, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit abgeschafft. Arabisch darf auf Demos nicht mehr gesprochen werden.

In allen örtlichen Bündnissen, in denen wir uns bewegen, mit denen die Zusammenarbeit vor einiger Zeit noch kein Problem war, wird der Druck auch gegen uns immer größer. (…)

Es ist unsere Aufgabe, klarzumachen, dass es kein ausreichender Antifaschismus ist, wenn wir nur gegen die AfD auf die Straße gehen. Es ist unsere Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Faschismus und Krieg zu verdeutlichen. (…) Wer demokratische Grundrechte derart zurichtet, spielt der AfD in die Hand. Wer derart an allem kürzt und spart, was die Menschen in den Kommunen brauchen, der spielt der AfD in die Hand. Wer derart hetzt gegen Bürgergeldbezieher, der spielt der AfD in die Hand.

Es sind die bürgerlichen Parteien, die genau wissen, welche sozialen Verwerfungen ihre Kriegstüchtigkeit nach sich ziehen wird. Wenn ich schon die SPD-Plakate sehe: „Hier ist mehr Netto für dich drin“. (…) Die Menschen merken doch ganz genau, dass sie weniger Geld in der Tasche haben. Strom, Miete, Lebensmittel – alles teurer. Wer will es den Menschen denn übel nehmen, die sagen: Das sind doch alles Lügner?

Die erwartbaren Proteste gegen den weiteren Sozialabbau werden – bevor sie überhaupt beginnen – mit massiven Angriffen auf die Grundrechte verhindert. Da hetzt man dann schon mal gegen Rentnerinnen und Rentner, die angeblich unsere Friedensdividende aufgegessen haben. Deswegen sollen sie den Gürtel enger schnallen. Dabei zeigt ein Blick auf die Statistiken: die Altersarmut steigt schon jetzt immer schneller.“

Der reaktionär-militaristische Gesellschaftsumbau findet konkret auch in den Kommunen statt. Siw Mammitzsch nennt Beispiele:

In Essen „soll es für die zivil-militärische Zusammenarbeit Koordinatoren geben (…): Am 15. Januar titelte dazu die Lokalpresse, dass die Stadt Essen tausende Mitarbeiter für den Zivilschutz fit machen will. ‚Zweitverwendung‘ heißt das dann. ‚Mehrere tausend städtische Mitarbeiter sollen neben ihrem Hauptjob noch eine zweite Aufgabe erhalten. Dabei gehe es auch um die Themen Selbstschutz und Resilienz, also die Kraft zu entwickeln, psychische Belastungen im Grenzbereich auszuhalten.‘“

Gleichzeitig schüren Lokalpolitiker Rassismus:

„Der Essener OB fordert die Begrenzung der Migration und feiert sich für Razzien in sogenannten Problemhäusern, um abzulenken von den wahren Problemen – und um den Staatsgewalten ein reales Übungsfeld zu geben. Die Roma mag sowieso keiner.

Die Essener Stadtverwaltung will unbedingt die Bezahlkarte für Geflüchtete einführen, die viele andere Städte ablehnen.“

Auf der 2. PV-Tagung im Juni 2023 hatten wir im Referat zur Analyse der Faschismusgefahr weiterhin festgehalten:

„Die aktuelle antifaschistische Bewegung in Deutschland ist deutlich fixiert auf bestimmte Bilder und Erscheinungsformen. Wir erwarten Faschismus in den Formen und Anmutungen von gestern. Der Blickwinkel wird dadurch verengt. Die Analyse fehleranfällig.

Dabei hatte der marxistische Faschismusforscher Kurt Gossweiler schon 1976 den Hinweis gegeben:

,Theorien, die den Faschismus als spontane autonome kleinbürgerliche Massenbewegung betrachten, (engen) ihr Gesichtsfeld in gefährlicher Weise ein; sie nehmen einen Teil für das Ganze und lassen die Hauptsache außer Acht. Für sie ist das Maß für die faschistische Gefahr nicht die Intensität der Demokratiefeindlichkeit des Finanzkapitals und der Grad seiner Entschlossenheit, seine Positionen durch Errichtung einer Form der faschistischen Diktatur zu festigen, sondern die Größe und Stärke faschistischer Parteien und Bewegungen. Sie erwarten also die faschistische Gefahr immer noch auf dem Wege von gestern, obwohl Griechenland und Chile gezeigt haben, dass im Zeichen der imperialistischen Militärpakte der Faschismus auch auf neuen Wegen an die Macht gebracht wird.‘

Will man ernsthaft faschistoide Entwicklungen im Blick haben, muss man weg von Erwartungen, die geprägt sind durch bekannte Muster. Man muss tiefer bohren. Antifaschisten müssen nachdenken darüber, ob es aktuell zur Durchsetzung aggressiver imperialistischer Außenpolitik, einer Politik, die Kriege führt und große Kriege vorbereitet (Stichwort China) und zugleich den autoritären Sicherheitsstaat ausbaut, faschistischer Kräfte bedarf?! Diese Gefahr besteht aktuell nicht. Die Grünen im Verbund mit der SPD übernehmen diese reaktionäre Aufgabe mit Bravour, FDP und CDU/CSU assistieren dies absichernd und staatsmonopolistisch tragend innerhalb und außerhalb der Regierung.“

Stephan Müller und Conny Renkl vertieften die Erkenntnisse im Referat der 10. PV-Tagung:

„In den Reihen der Finanzoligarchie ist der Streit in vollem Gang über die Rolle, die der Sozialdemokratie noch oder den faschistischen Kräften schon zugedacht werden soll beim Abwälzen der ins Auge gefassten Lasten. Ob und inwieweit das dann gelingt, wird vor allem davon abhängen, ob eine wirkungsvolle Gegenbewegung derer zustande kommt, die die Opfer bringen sollen.

Wirkungsvoll wird sie in Deutschland nicht werden, solange die Kräfte, für die Pistorius, Faeser und Kerner stehen, den DGB im Griff haben.“

Bei der Analyse der Faschismusgefahr müssen also stets die Interessen des Monopolkapitals im Mittelpunkt stehen. Sowohl in unserer praktischen Politik, ihrer Verallgemeinerung und unserer theoretischen Verarbeitung der Wirklichkeit dürfen wir uns nicht von den Erscheinungen täuschen lassen. Wer den Kriegstreibern auf den Leim geht, wird auch gegen den Faschismus nichts ausrichten können.

Zusammengestellt von Richard Höhmann

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"Zusammenhänge erkennen", UZ vom 28. Februar 2025



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