Huawei für die US-China-Falken eine Nummer zu groß?

Zurückgerudert

Von Klaus Wagener

Nach dem G20-Gipfel in Osaka sieht es, zumindest partiell, danach aus, als würde sich etwas Realismus ins Weiße Haus einschleichen. Präsident Trump ist zumindest taktisch von seiner harten Anti-Huawei-Linie ein Stück abgerückt. US-amerikanische Hard- und Software-Zulieferer dürfen wieder an den chinesischen IT-Riesen Huawei liefern. Wie weitgehend und nachhaltig diese Entscheidung ist, wird sich erweisen müssen. Huawei bleibt auf der „Schwarzen Liste“ des US-Commerce Department. Unberechenbarkeit ist ja gewissermaßen zum Markenzeichen der Trump-Mannschaft geworden. Oder anders formuliert, es dürfte, wie auch in der Iran-Angelegenheit, heftige Kämpfe hinter den Kulissen geben.

Die Bedenken, die Donald Trump und seinen China-Falken von „Big Tech“, den US-IT-Giganten (Amazon, Google, Apple, Facebook & Co.) entgegengehalten wurden, scheinen Wirkung zu zeigen. Der konfrontative High-Tech-Krieg gegen Huawei droht, erhebliche Negativ- und Bumerang-Effekte für die US-Giganten zu zeitigen. Die US-Regierung ist gerade dabei, den Ruf und wichtige Märkte der eigenen Industrie nachhaltig zu ruinieren. Wer mag schon riskieren, bei etwaigen politischen Winkelzügen abrupt von der Versorgung mit unverzichtbaren Bauteilen abgeschnitten zu werden? Die Blockade von Huawei bringt selbst die treuesten der Treuen, wie Briten und Deutsche, zu ernsthaftem Nachdenken: Aus „Solidarität“ mit dem US-Imperium auf erhebliche finanzielle und technologische Vorteile beim 5G-Ausbau verzichten? Bei Geld hört bekanntlich die „Freundschaft“ auf.

Huawei-Chef Ren Zhengfei gibt sich denn auch demonstrativ gelassen. Man brauche keine Hilfe von den US-Amerikanern. Der Druck auf Huawei sei gut. Dadurch werde man stärker. China, da ist nicht nur Ren überzeugt, habe das Geld, die Power und das Know-how, um diese Herausforderung zu stemmen. Hier wird man die erforderliche Software, aber auch die Hardware, die Chips der aktuellen Spitzentechnologie, dann eben selbst produzieren. China ist längst zu stark und technologisch zu weit entwickelt, als dass eine konfrontative Blockade-Strategie wie seinerzeit gegen die Sowjetunion funktionieren könnte. Zudem der chinesische Markt gerade im IT-Sektor um ein Mehrfaches größer ist als der US-amerikanische. Die Möglichkeiten der chinesischen Führung dürften in diesem Kampf im Ernstfall um einiges größer sein als die der US-Regierung. Das hat Präsident Xi Jinping mit seinem dezenten Hinweis auf die Seltenen Erdmetalle deutlich gemacht

Das Zurückrudern des Weißen Hauses bei Huawei hat Hoffnungen Auftrieb gegeben, dass auch der Handelskrieg eingedämmt werden könnte. Donald Trump hatte ebenfalls angekündigt, keine zusätzlichen Zölle auf weitere chinesische Importprodukte erheben zu wollen. Die Erfahrungen mit den bisherigen Zollrunden sind ganz offensichtlich nicht so, wie sich das Weiße Haus das wünscht. Von einer Re-Industrialisierung der USA, von der versprochenen Rückkehr der Jobs, kann naturgemäß keine Rede sein. Wenn man dem Warenstrom aus der Volksrepublik mit Zöllen den Weg verlegt, dann werden die Waren eben aus anderen Ländern kommen, in denen die Arbeitskraft ähnlich billig oder billiger ist als in China. Aus Vietnam oder Bangladesch beispielsweise – aber nicht aus den USA. Das Kapital fließt global in die Anlagen, in denen die Profitraten am höchsten sind. Das ist das Gesetz des neoliberal entgrenzten Kapitalismus. Das sollte man im Weißen Haus eigentlich wissen. Der Handelskrieg wird die chinesische Orientierung auf Diversifizierung seiner Absatzmärkte und Handelsstrukturen, die Belt-and-Road-Initiative (Neue Seidenstraße), weiter vorantreiben. Die Volksrepublik hat sich auf diese Entwicklung seit langem vorbereitet. Und er wird die Attraktivität weiterer ostasiatischer Staaten heben, die noch nicht das Fadenkreuz auf der Stirn tragen.

Insgesamt gesehen erweist sich der Wirtschafts- und Technologiekrieg des US-Imperiums als ein Konjunkturprogramm für die asiatischen Ökonomien und für die eurasische Integration. Die mit viel Ballyhoo-Klamauk verkündete „MAGA“-Parole (Make Amerika Great Again) des Präsidenten könnte sich im Endeffekt in ihr Gegenteil verkehren: den beschleunigten Niedergang des Imperiums.

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"Zurückgerudert", UZ vom 12. Juli 2019



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