Die AfD gab sich ein Grundsatzprogramm

Zurück nach vorgestern

Von Markus Bernhardt

Die sozialchauvinistische und sich in weiten Teilen offen rassistisch gerierende „Alternative für Deutschland“ hat sich im Rahmen eines Bundesparteitages, der am vergangenen Wochenende in Stuttgart stattfand, ein Grundsatzprogramm gegeben. Rund 2 000 Parteimitglieder waren eigens in die baden-württembergische Landeshauptstadt gekommen, um sich an der Programmdebatte zu beteiligen. Zu größeren Überraschungen kam es hinsichtlich der politischen Ausrichtung der noch jungen rechten Partei erwartungsgemäß nicht. So schrieben die AfD-Anhänger sich die Parole „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ in ihr Programm und sprachen sich gegen Minarette und den Muezzin-Ruf aus. Auch in der Familien- und Gleichstellungspolitik blieb die Partei ihren reaktionären und rückwärtsgewandten Positionen treu. Einzig die Verschärfung der Abtreibungsgesetze wurde knapp verhindert.

Der AfD-Bundesvorstand dürfte künftig noch eine gehörige Portion Arbeit vor sich haben. Bot sich der Öffentlichkeit in Stuttgart doch ein wüstes Sammelsurium an teils wirren Vorstellungen der Parteimitglieder. Diese hatten gar Schwierigkeiten, sich im Rahmen der teils heftig geführten Debatten an bürgerliche Umgangsformen zu halten. Auch dem AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen fiel derlei offenbar schwer. Seine Partei wolle „weg vom links-rot-grün-verseuchten 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben“.

Wenig zimperlich fiel infolge des Parteitags auch die Kritik der Konkurrenz aus. Die AfD habe unterstrichen, „dass sie die Partei der sozialen Arroganz und des christlichen Fundamentalismus“ sei, kritisierte etwa Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei. „Steuerpolitik: Millionen-Erbschaften sollen nicht mehr besteuert werden; sozialer Wohnungsbau: Fehlanzeige; Gesundheitspolitik: spielt keine Rolle. Statt dessen wird ein Familienbild aus dem 19. Jahrhunderts gepredigt: Frauen am Herd sollen sich um die sozialen Folgen ihrer Wirtschaftspolitik für Reiche kümmern“, fasste Kipping die AfD-Parteitagsbeschlüsse in einer Stellungnahme zusammen. Weil all das jedoch „nur ein Programm für die obersten 1 Prozent ist, wird dieses Programm mit Hetze gegen Muslime zusammen geklebt“, kritisierte sie weiter.

Auch die anderen etablierten Parteien gingen auf deutliche Distanz zu den Rechtspopulisten. „Die AfD bleibt eine zerstrittene und wirre Rechtsaußen-Partei. Ihr Prinzip ist es, Sündenböcke zu benennen, aber keine Lösungen anzubieten“, kritisierte der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner. Das AfD-Programm richte sich gegen die Interessen jener kleinen Leute, die aus Abstiegsängsten AfD wählten, kritisierte er weiter.

Auf entschiedene Ablehnung stößt die AfD unterdessen auch bei anderen gesellschaftspolitischen Organisationen. In einem am letzten Wochenende veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung junge Welt kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, die rechtspopulistische Partei. „Unser Verband steht für Offenheit, für Toleranz, für Vielfältigkeit und Vielfalt in einer Gesellschaft“, sagte er. Die AfD stehe hingegen „genau für das Gegenteil: Geschlossenheit, Intoleranz, Ausgrenzung bis hin zu zur Diskriminierung einer ganzen Religion, die faktisch sogar auf Forderungen nach einem Verbot hinauslaufen.“ Außerdem sei die AfD „was die Sozialpolitik anbelangt, radikal neoliberal“. Das reiche bis zu Forderungen, die gesetzliche Arbeitslosenversicherung abzuschaffen. Zugleich würde diese Partei eine Umverteilung von unten nach oben weiter forcieren. „Die AfD ist also eine Partei, vor der man nicht nur Erwerbslose geradezu warnen muss“, so Schneider weiter.

Unterdessen kündigte die AfD an, zur Wahl des Bundespräsidenten im Februar 2017 einen eigenen Kandidaten aufstellen zu wollen. Vorgesehen dafür hat die Partei den ehemaligen CDU-Politiker Albrecht Glaser. Da die Rechten jedoch nur über rund 30 Mitglieder in der Bundesversammlung verfügen werden, aus deren Reihen der künftige Bundespräsident gewählt wird, gelten Glasers Chancen als gegen Null tendierend.

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"Zurück nach vorgestern", UZ vom 6. Mai 2016



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