„Wir kommen aus Hattingen, Salzgitter und Kiel, wir kommen von der Ruhr, von der Saar. Und wir sind Stahlarbeiter und haben ein Ziel, wir wollen leben – na klar. Die Regierungen ham uns in die Krise gehetzt. Regierung und Kapital. Nun wird von uns eine Marke gesetzt, du hast die Wahl – Kopf oder Zahl.“ So beginnt der „Stahlwerkersong“, geschrieben von Bernd Köhler anlässlich der großen bundesweiten Demonstration von Stahl- und Werftarbeitern 1983 in Bonn. Damals gingen 130.000 Kolleginnen und Kollegen gegen die Kahlschlagpolitik der Stahlbarone auf die Straße.
Gut 40 Jahre und eine Deindustrialisierungswelle später ruft die IG Metall unter der Losung „Mein Arbeitsplatz. Unser Industrieland. Unsere Zukunft!“ zu einem bundesweiten Aktionstag auf. „Zukunft statt Kahlschlag in den Betrieben. Offensive Politik für die Industrie. Soziale Sicherheit im Wandel. Dafür demonstrieren Metallerinnen und Metaller am 15. März in Hannover, Stuttgart, Köln, Frankfurt und Leipzig. Die Arbeitgeber müssen sich zu unseren Standorten bekennen. Schluss mit Arbeitsplatzabbau, Standortschließungen und Verlagerungen. Und die neue Bundesregierung muss schnell und entschlossen handeln, die Bedingungen für die Industrie verbessern, soziale Sicherheit im Wandel garantieren“, heißt es im Aufruf der größten DGB-Gewerkschaft. „Hier geht es nicht um Rendite, es geht um die Menschen in diesem Land. Es geht um unsere Arbeitsplätze, unsere Familien, unsere Zukunft“, so die IG Metall.
Mit dem Aktionstag will die Gewerkschaft Einfluss auf mögliche Sondierungs- oder Koalitionsgespräche nach der Bundestagswahl nehmen und sich schon jetzt mit einem Forderungskatalog in den anstehenden Wahlkampf einmischen.
Dieser dürfe kein Wettstreit schriller Töne bei Migration oder Bürgergeld werden, so Christiane Benner in der vergangenen Woche. „Es muss um die zentrale Frage gehen, wie wir industrielle Wertschöpfung erhalten, heutige Arbeitsplätze sichern und neue Perspektiven schaffen.“ Denn die Industrie sei ein entscheidender Pfeiler für Beschäftigung. „In Deutschland hängen etwa acht Millionen Arbeitsplätze direkt von ihr ab“, argumentierte die Erste Vorsitzende der IG Metall.
Bei der Vorstellung des 22-seitigen Forderungskataloges wurde zudem betont, dass es wichtig sei, „zentrale Technologien“ wie Batterien, Halbleiter und Wasserstoff in Deutschland zu behalten. Energiepreise müssten nach Auffassung der IG Metall günstiger und das Stromnetz ausgebaut werden. Für die energieintensive Industrie sei eine massive Deckelung des Strompreises nötig. Zudem brauche es ein Investitionspaket des Bundes. Hier fordert die Gewerkschaft die Bereitstellung von insgesamt 600 Milliarden Euro für die öffentliche Infrastruktur innerhalb der nächsten zehn Jahre.
Um die Vorhaben zu finanzieren, setzt sich die IG Metall für eine Reform der Schuldenbremse ein. Investitionen in die für den Umbau der Wirtschaft notwendige Infrastruktur müssten „vollständig kreditfinanziert“ werden können. Außerdem sprach sich Benner für die Einführung einer Vermögensteuer aus. Im Idealfall könne diese in Abstimmung mit „einer Mindestbesteuerung für Superreiche im Kreis der G20-Staaten“ eingeführt werden.
Die Durchsetzung der Konzepte der IG Metall wird sicher kein Selbstläufer, unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl und der Frage, wer künftig den Kanzler stellt. Daher lohnt noch einmal ein Blick zurück in das Jahr 1983. Als Helmut Kohl die stahlpolitischen Vorstellungen der IG Metall ignorierte, passierte das, was die beiden IG-Metall-Vorstandsmitglieder Eugen Loderer und Rudolf Judith in einem Brief an den damaligen Kanzler angekündigt hatten. Sie schrieben: „… dann wird der Unmut in den Stahlrevieren sich selbst politisch Bahn brechen.“ Tatsächlich beschlossen die Delegierten des 14. Gewerkschaftstages im Oktober des gleichen Jahres als Reaktion auf Krise und Massenentlassungen fast einstimmig die Forderung nach Vergesellschaftung der westdeutschen Stahlindustrie. Und im Mai 1984 begann der Kampf um die 35-Stunden-Woche.