Konferenz gegen reaktionäre Hetze gegenüber linken Juden und Israel-Kritikern

Zur Zeit der Verleumder

Von Markus Bernhardt/UZ

Kritische Juden, Linke und Migranten sehen sich zunehmend wüsten Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt, die von bürgerlichen Medien, neokonservativ geläuterten Ex-Linken und extremen Rechten erhoben werden. Deutsche und israelische Marxisten haben daher bereits im Juli 2017 das „Projekt Kritische Aufklärung“ gegründet, welches sich als „Zusammenschluss für ideologiekritische Interventionen gegen rechte Tendenzen in Deutschland“ versteht. Die Unterstützerinnen und Unterstützer zeigen sich „besonders besorgt über antiemanzipative Bestrebungen, den fortschreitenden Verrat an kritischer Aufklärung und Verfall der politischen Kultur innerhalb linker Bewegungen, Parteien und Medien“. Um dem etwas entgegenzusetzen veranstaltet das Projekt Kritische Aufklärung am 10. Februar in Berlin eine Konferenz. An dieser werden neben dem israelischen Historiker Moshe Zuckermann, dem Schauspieler Rolf Becker, der Musikerin Esther Bejarano, dem britisch-israelischen Autor Moshé Machover auch die britisch-jamaikanische Bürgerrechtsaktivistin Jackie Walker teilnehmen.

Der Rechtstrend in der westlichen Welt habe mittlerweile bizarre Erscheinungsformen angenommen, schreiben die Unterstützer des Projekts Kritische Aufklärung in ihrer Konferenzankündigung. So würden Linke als „Nazis“ und jüdische Antifaschisten als „Verräter“ diffamiert. Bereits Anfang der 1980er-Jahre klagte der Dichter Erich Fried die Stigmatisierung jüdischer Linker als „rote Antisemiten“ an. Seine von den ersten Verwerfungen des neoliberal radikalisierten Kapitalismus geprägte Gegenwart beschrieb er als „Zeit der Verleumder“. „Was damals mit wütenden Polemiken begann, ist heute zu einem Komplex aus Rufmordkampagnen und Sanktionen ausgewachsen, die aus den etablierten Parteien, von SPD, FDP, der Union und der AfD, von neokonservativen Antideutschen, Antinationalen und christlichen Fundamentalisten initiiert und von den hegemonialen Medien propagiert werden“, stellen die Veranstalter klar.

Verschiedene rassistische und ex­trem rechte Parteien wie etwa „Pro Deutschland“ hatten gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen im europäischen Ausland schon im Dezember 2010 die sogenannte „Jerusalemer Erklärung“ veröffentlicht, die unter anderem von der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ) und dem belgischen „Vlaams Belang“ unterstützt wurde. Darin heißt es: „Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten ist uns wichtiger Ansprechpartner in dieser bewegten Weltregion. (…) Ohne jede Einschränkung bekennen wir uns zum Existenzrecht des Staates Israel innerhalb sicherer und völkerrechtlich anerkannter Grenzen. Ebenso ist das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber allen Aggressionen, insbesondere gegenüber islamischem Terror, zu akzeptieren. (…)“. Erst vor wenigen Tagen hatte sich auch der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) eher halbherzig dazu bequemt, das Thema Antisemitismus in seiner Partei sei aufzuarbeiten. „Wir tragen für die Opfer des Holocaust eine besondere Verantwortung“, sagte Strache am vergangenen Montag gegenüber dem „Kurier“ und behauptete, dass es für Antisemitismus in der FPÖ keinen Platz gebe. Auch die AfD hatte in der jüngsten Vergangenheit ihre Solidarität mit Israel bekräftigt. Dabei handelt es sich nicht um eine späte Liebe der neuen Rechten zu jüdischen Menschen, sondern die Politik des Staates Israel dient ihnen als Begründung und Wegweiser für ihre rassistische Politik gegen die muslimisch geprägten Minderheiten in Europa. Dabei ist es nicht hinderlich, dass die extreme Rechte in Israel die Regierung stellt.

Der Plan der amtierenden Bundesregierung, einen „Antisemitismus-Beauftragten“ zu installieren und damit die Hetze gegen Links und den auf allen Ebenen stattfindenden Rechtsruck zu institutionalisieren, ist dabei ein weiterer Schritt. Wer glaubt, es ginge um den Kampf gegen antisemitisch-motivierte Straftaten in Deutschland, die zu über 90 Prozent von Rechtsextremen verübt werden, und sich jetzt freut, dass die AfD wahrscheinlich nicht in das dazugehörige Gremium kommen wird, dem wird das Lachen noch im Halse stecken bleiben.

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"Zur Zeit der Verleumder", UZ vom 2. Februar 2018



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