Betr.: Griechenlanddebatte

Zur Funktion von Sozialdemokratie

Von Thomas Mehner, Krefeld

Wenn wir Kommunisten Syriza als Sozialdemokraten bezeichnen, geschieht das nicht in diffamierender Absicht, sondern diese Einordnung beruht auf der objektiven historischen Funktion von Sozialdemokratie, nämlich für den Fall des Versagens, der massenhaften Ablehnung konservativer Politik (hier von ND und Pasok) als „linke“ Reformalternative im Rahmen des Systems zur Verfügung zu stehen. Dabei soll sie durch tatsächliche oder auch nur versprochene Reformen den Menschen den Anschein einer positiven Perspektive innerhalb des Kapitalismus anbieten, sie in Illusionen in seine Reformierbarkeit und Menschlichkeit wiegen und so an das kapitalistische System zurück binden. Vor allem soll sie die Menschen von grundlegender Systemkritik und weitergehenden revolutionären Überlegungen und Perspektiven ab- und von der Kommunistischen Partei fernhalten. Diese bürgerliche Integrationsfunktion erfüllt Syriza.

Kriterium für diese Einordnung ist nicht, was Syriza an Gutem für die Menschen erreichen wollte, erreicht bzw. verfehlt hat und warum, oder welche Pläne B oder C sie hatte und warum die versagten, sondern einzig die politische Grundlage ihres Handelns: Sie ist sozialdemokratisch, weil sie den Verbleib im Kapitalismus (einschließlich EU und NATO) selbstverständlich und unverrückbar voraussetzt. Im Gegensatz zur KKE, die illusionslos und zu Recht daran festhält, dass es auf Basis der EU/des Imperialismus keine Lösung im Interesse der Menschen geben kann. Hier ist eine Trennlinie, die wohl selbst in unserer Partei nicht mehr von allen gesehen wird, die Trennlinie zwischen sozialdemokratischer und kommunistischer Politik.

Der von der KKE verfolgte antimonopolistische Prozess wird sicher ein langer und schmerzhafter Kampf (was der KKE sehr wohl bewusst sein dürfte), und die revolutionäre Situation und der Sozialismus sind nicht nahe, aber bis dahin abzuwarten und sozialdemokratische Politik zu betreiben, unter Akzeptanz des Kapitalismus „etwas Gutes für die Menschen“ zu wollen, heißt, sie auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben. Dies ist keine Absage an die Zusammenarbeit im Klassenkampf mit anderen Linken inkl. Sozialdemokraten, aber eine klare und offene Absage an das sozialdemokratische Politikverständnis, egal ob bei SPD, Pasok, Syriza, der Partei „Die Linke“ oder dem Rest der ELP. Der Weg ist alles, das Ziel ist nichts? Nein danke, nicht mit Kommunisten. (…)

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"Zur Funktion von Sozialdemokratie", UZ vom 14. August 2015



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