Bald nach der Befreiung vom Faschismus entbrannte in Nachkriegsdeutschland der Kalte Krieg. Als immanenter Bestandteil entfaltete sich der „unsichtbare“ Krieg der Geheimdienste. Terror- und Untergrundorganisationen betrieben – unter Duldung und Förderung durch die Westalliierten – ihre Wühltätigkeit gegen die sich in der sowjetischen Besatzungszone entwickelnde antifaschistisch-demokratische Ordnung. Spionage, Gewaltakte und Sabotagehandlungen waren an der Tagesordnung. Eine Vielzahl von Polizisten und Zivilisten wurde Opfer von bewaffneten Anschlägen. Werner Großmann schrieb über die Tätigkeit der HVA in mehreren Beiträgen im „RotFuchs“. Wir bringen hier einen Auszug, der ergänzt ist mit einem Bericht von Bernd Fischer zur Auflösung der Behörde und der Verfolgung durch den Klassengegner.
Am 1. September 1951 gab der Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, die Bildung eines Instituts für wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) bekannt. Das war die Tarnbezeichnung für den Außenpolitischen Nachrichtendienst (APN) der DDR. Er diente als wesentliche Ergänzung der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit, welches bereits am 8. Februar 1950 gegründet worden war. Bis dahin hatten diese Aufgaben die in der DDR stationierten UdSSR-Dienste übernommen.
Zu ersten leitenden Mitarbeitern des APN wurden Richard Stahlmann, verdienter antifaschistischer Widerstandskämpfer und Mitarbeiter von Georgi Dimitroff, und der 28-jährige Markus Wolf, Mitarbeiter in der DDR-Botschaft in Moskau und späterer langjähriger Chef des Dienstes, berufen. Es folgten weitere verdienstvolle antifaschistische Widerstandskämpfer wie Robert Korb, Gustav Szinda, Herbert Hentschke, Heinrich Weiberg, Robert Großkopf und Gerhard Heidenreich.
Im April 1952 begann der erste Lehrgang einer neueingerichteten APN-Schule in Berlin. Ich gehörte zu den ersten Kursanten, von denen die meisten dann 1953 in den aktiven Dienst eintraten.
Als das Ministerium für Staatssicherheit nach den Ereignissen um den 17. Juni 1953 aufgelöst und als Staatssekretariat in das Innenministerium der DDR eingegliedert wurde, wurde auch der APN als Hauptabteilung XV Teil des Staatssekretariats für Staatssicherheit. Als 1955 die Staatssicherheit wieder ein eigenes Ministerium unter Minister Wollweber wurde, blieben wir die Hauptabteilung XV unter Leitung von Markus Wolf. 1956 erfolgten Umstrukturierungen im MfS. Die Hauptabteilung XV wurde zur Hauptverwaltung A (HVA). Dies blieb sie dann bis zum Ende des MfS 1989. 1986 wurde Werner Großmann Leiter der HVA, von 1989 bis zum März 1990 verantwortete Bernd Fischer die Auflösung der HVA.
Am 3. Oktober 1990, dem Tag der „Wiedervereinigung“, wurden Großmann und Fischer durch Großaufgebote von Beamten aus Bundeskriminalamt und Staatsschutz, dirigiert von Beauftragten des Generalbundesanwalts, festgenommen. Begründung: „Geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland für den Geheimdienst einer fremden Macht.“ Es waren die ersten zwei DDR-Bürger, die zu spüren bekamen, wie die „Wiedervereinigung“ gemeint war (und ist).
Die Kohl-Regierung wies die Spionageabwehr- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes an, „die Spionagetätigkeit der DDR-Nachrichtendienste umfassend aufzuarbeiten“.
Das bedeutete in erster Linie „die Enttarnung der in der Bundesrepublik tätig gewesenen Agenten“. Es folgten tausende Ermittlungsverfahren – von fast 3.000 wurden bis 1997 rund 2.300 eingestellt; schließlich verblieben 388 Anklagen, 253 „Stasi-Spione“ wurden verurteilt. Und noch immer wird auf Verketzerung und Verfolgung gesetzt.
Die Verantwortlichen in der HVA hatten zu keiner Zeit irgendwelche Illusionen hinsichtlich der Absichten der Justiz und Verfolgungsbehörden der Bundesrepublik. Bereits im Zusammenhang mit den Veränderungen in der DDR ab Oktober 1989 wurde in der HVA systematisch mit der Vernichtung von Akten und anderen Datenträgern begonnen. Die weitere Entwicklung in der DDR und im Verhältnis DDR-BRD ließ nur die Entscheidung zu, den Vernichtungsprozess konsequent weiterzuführen. Zwischenzeitlich ergangene regierungsamtliche Direktiven und Befehle, dies zu stoppen, wurden durch den Leiter der HVA und seine Mitstreiter aus Verantwortung für die Quellen und anderen inoffiziellen Mitarbeiter ignoriert. Ein Großteil personenbezogener Akten und Karteien war bis Anfang Februar 1990 bereits vernichtet.
Am 23. Februar 1990 beschloss die Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches die planmäßige und ersatzlose Auflösung der HVA. Befohlen wurde die sofortige Einstellung der gesamten operativen Tätigkeit der Hauptverwaltung A. Es ergingen eindeutige Orientierungen für die planmäßige personelle und materiell-technische Auflösung. Diszipliniert erfüllten die Angehörigen der HVA alle Auflagen.
Parallel zur Entpflichtung der hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter wurde die Vernichtung der Akten, Karteien und Sicherheitsverfilmungen forciert. Unter großer Kraftanstrengung wurde sie bis zum Amtsantritt der Regierung de Maizière abgeschlossen, weil befürchtet worden war, dass die „Schwarzen“ den Prozess der Vernichtung stoppen könnten.