Das Nationale Exekutivkomitee (NEC) des ANC, das für das vergangene Wochenende einberufen wurde, sollte nach Ansicht von Veteranen des ANC „das Land aus dem Alptraum erwecken“, wie es in einem offenen Brief hieß, und über den Rücktritt des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma diskutieren. Zwei Wochen zuvor hatten sie auf ihrem Meeting noch ihre „unbedingte Unterstützung“ für Zuma erklärt. Ein Korruptionsbericht des Südafrikanischen Kirchenrats („The South Africa We pray 4“) hatte das Fass wohl zum überlaufen gebracht.
Wie schon im Jahre 2007 sollte nunmehr das NEC des ANC entscheiden. Präsident Thabo Mbeki trat 2008 zurück, nachdem das NEC ihm das Vertrauen entzogen und mit Abberufung gedroht hatte. Auf drei Tage war dieses Mal die Tagung des NEC in Irene bei Pretoria angesetzt. Die südafrikanische Tageszeitung „Mail & Guardian“ zählte 54 der 106 NEC-Mitglieder zu den Befürwortern eines Rücktritts von Präsident Zuma und sein Stellvertreter Cyril Ramaphosa hatte sich vorsorglich von Zuma abgesetzt, um seine Nachfolge-Ambitionen zu unterstreichen. Doch der „offene Brief“ der ANC-Veteranen und ihre Forderung, über einen Rücktritt Zumas zu diskutieren, wurde gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt. Wie schon in den Monaten und Jahren zuvor beschwor man Geschlossenheit und Einheit mit dem Kommentar „Es gibt noch kein Blut auf dem Boden“. Damit sollte die Härte der Diskussion angedeutet werden.
Die Nachfolgefrage soll nun offensichtlich in einer „Phase 2“ der Personaldebatte erfolgen und in geregelte Bahnen gelenkt werden: Den drängenden Fragen der Journalisten konnte ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe nur mit spärlichen Antworten begegnen.
Die Konkurrenz um die Nachfolge hat weiteren Zuwachs bekommen: Der durch die Politik des „Black Economic Empowerment“ (BEE) zu Milliardenvermögen gekommene frühere Gewerkschaftsführer Cyril Ramaphosa und die frühere Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union Dr. Nkosazana Dlamini-Zuma waren die bisherigen Kandidaten. Medien wie „The Sunday Independent“ machen sich für die Ministerin für Hausbau, Lindiwe Nonceba Sisulu, als „unabhängige“ Kandidatin stark. Sie präsentierte dem Parlament die „enormen Erfolge“ der Regierung, die über 23 Jahre hinweg jeden Tag 1 200 Sozialwohnungen gebaut habe. Allerdings blieb die Ministerin den Nachweis für die in der Summe 10 Millionen gebauten Häuser schuldig. Lauren Royston, die Forschungsdirektorin des „Socio-Economic Rights Institute of South Africa“ (SERI), und Aly Karam, Professorin an der Universität Witwatersrand, werteten die Daten des Ministeriums aus und kamen aufs gleiche Ergebnis: Immerhin ein Drittel, also über 3 Millionen gebaute Sozialwohnungen und eine Million bebaubare Parzellen mit Sanitäranschluss sei die Bilanz der Regierung seit 1994. Eine beachtliche Zahl, aber kein Grund zu feiern, angesichts der sozialen Probleme Südafrikas. Nirgendwo auf der Welt klafft die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie hier.
Kein Wunder also, dass die Allianz zwischen ANC, dem Gewerkschaftsbund COSATU und der Kommunistischen Partei SACP brüchig geworden ist. COSATU und SACP schlossen sich den Protesten zum Sturz Zumas („Zuma must fall“) auch offiziell an und forderten seinen Rücktritt. Zuvor hatte der frühere „Public Protector“ Thuli Madonsela einen Bericht vorgelegt, wonach sich leitende Staatsbeamte in Staatsunternehmen wie South African Airways (SAA), dem Energieriesen Eskom oder der staatseigenen Bahnunternehmen Prasa und Transnet systematisch bereichert haben.
COSATU reagierte nicht nur auf die lauter werdende Kritik aus den eigenen Reihen, sondern sieht sich der kämpferischen Konkurrenz von SAFTU ausgesetzt, dem im April neugegründeten Gewerkschaftsbund, dem mit dem Metallarbeiterverband NUMSA die größte Einzelgewerkschaft angehört. COSATU „verbannte“ Jacob Zuma von seinen Veranstaltungen, nachdem er am 1. Mai in Bloemfontein heftig ausgebuht worden war.