Anmerkungen zum 21. Weltklimagipfel

Zum Wohle der deutschen Wirtschaft

Von Bernd Müller

Der Weltklimagipfel in Paris, der dieser Tage zu Ende geht, wird von Deutschlands Konzernen und Industrievertretern unterschiedlich bewertet. Während sich ein Teil gern in der Vorreiterrolle der Energiewende und in der „Dekarbonisierung“ sehen, fürchten andere um ihren Platz an der Sonne. Was letztere nicht sehen: Die Bundesregierung versucht über den Klimaschutz systematisch den Einfluss von Deutschland in der Welt auszubauen.

Führende Vertreter der deutschen Wirtschaft, so berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 30. November, blickten mit Sorge auf den 21. Weltklimagipfel in Paris. Ihnen bereitete schlaflose Nächte, „dass einseitige Zusagen der Europäischen Union ohne verbindliche Zusicherung anderer Staaten zur Minderung der Treibhausgasemissionen am Ende hiesige Betriebe belasten“.

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, warnte vor zu scharfen Klimaschutzvorgaben: Sie könnten zur Deindustrialisierung Deutschlands und Europas führen. Um das zu verhindern, müsse die Bundesrepublik ihre allzu ehrgeizigen Ziele bremsen. Immerhin hätten sich nationale Ziele längst als unrealistisch erwiesen, die weit über europäische und internationale Vorgaben hinausgingen. Was er aber genau meinte, ließ er offen. Ullrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), pflichtete Steigers Aussagen bei. Die Weltklimakonferenz entscheide darüber, ob die deutsche Industrie konkurrenzfähig bleibe, sagte er der FAZ. „Ehrgeizige Klimapolitik darf für Unternehmen kein Wettbewerbsnachteil sein.“ Eric Schweitzer, Präsident des Kammerverbandes DIHK, sah vor allem andere Länder in der Pflicht. Der FAZ sagte er: Während die meisten Länder noch über große Einsparpotenziale verfügten, hätten die deutschen Betriebe „viele tief hängende Früchte“ beim Klimaschutz bereits geerntet. Ähnliches war von den energieintensiven Branchen Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisenmetalle, Papier und Stahl zu vernehmen. Deren Sprecher Lutz Tillmann meinte, die Bundesrepublik habe mit 23 Prozent weniger Ausstoß von Kohlendioxid im Vergleich zu 1990 ihr Klimaziel für 2020 bereits erfüllt. Den Löwenanteil hätte dabei die Industrie erbracht, indem sie ihre Emissionen um ein Drittel gesenkt habe, obwohl die Produktion um 42 Prozent gestiegen sei. Dass die Deindustrialisierung der ehemaligen DDR allerdings auch einen gewaltigen Beitrag dazu beigetragen hat, verschwieg er dabei.

Andere Unternehmensvertreter hatten erst Anfang November der Bundesregierung ihre Unterstützung einer „Dekarbonisierung“ bis zum Ende des Jahrhunderts zugesichert. Sie fuhren dann auch mit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in einem Sonderzug zur Konferenz in Paris. Zu ihnen gehörten unter anderem Michael Otto, Aufsichtsratschef des Versandhändlers Otto, Bahn-Vorstand und ehemaliger Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), sowie Abgesandte von Unternehmen wie BSH Hausgeräte, Commerzbank, Post, Puma, Siemens. Sie alle verstehen sich als klimapolitische Vorreiter ihrer Branchen, heißt es in der FAZ, und sie alle versprechen sich mit Sicherheit auch neue Märkte und Profite, wenn auch andere Länder mehr auf den Klimaschutz achten.

Über den Klimaschutz systematisch

den Einfluss von Deutschland in der Welt ausbauen.

Die Bundesregierung nimmt an den Verhandlungen in Paris nicht direkt teil, dort verhandelt die Europäische Kommission für alle 28 Mitgliedsländer. Die Stiftung Wissenschaft und Politik stellte im November in einer Studie fest, dass das deutsche Klimaziel „untrennbar mit der Umsetzung der europäischen Klimapolitik verbunden“ ist. Denn „die deutsche Klimabilanz wird zu über 40 Prozent von den Festlegungen des europäischen Emissionshandels bestimmt“. Wolle Deutschland beim Klimaschutz vorankommen, gehe dies nicht ohne eine entsprechende Stärkung der EU-weiten Klimaagenda.

Aber es ist die deutsche Energiewende, die international große Beachtung findet. Sie stelle zwar „aus internationaler Sicht einen Sonderweg“ dar, spiele aber für die Klimaverhandlungen insofern eine wichtige Rolle, „als die Transformation der deutschen Energieerzeugung zeigen könnte, dass Wirtschaftswachstum und eine klimafreundliche Energiewirtschaft sehr wohl miteinander zu vereinbaren sind“. Deshalb stößt das deutsche Vorhaben besonders bei Experten aus Schwellenländern wie Brasilien, China und Südafrika auf großes Interesse. DieFrankfurter Rundschau (8. 12. 15) berichtet, dass die deutschen Vertreter auf dem Verhandlungsparkett deshalb auch besonders wahrgenommen werden. Erleichtert werde das auch dadurch, dass über die Probleme der Umsetzung der Energiewende im Ausland kaum berichtet werde.

Deutschland hat bei vielen Entwicklungsländern aber auch einen guten Stand, weil die Bundesrepublik bei der Klimafinanzierung als erstes Industrieland zu Zugeständnissen bereit war. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Eröffnung des Weltklimagipfels vermeldete, den Beitrag Deutschlands zum Grünen Klimafonds bis 2020 verdoppeln zu wollen, wird das den Stand bei den Entwicklungsländern verbessert haben. Dem kommt ebenfalls zugute, dass die Bundesrepublik Seit an Seit mit den Inselstaaten und den afrikanischen Ländern sich dafür einsetzt, dass neben dem Zwei-Grad-Ziel auch das 1,5-Grad-Ziel im Abkommen erwähnt wird. Nicht umsonst hat die englische PR-Firma „Portland“ Deutschland auf den zweiten Platz auf der Rangliste der sogenannten „weichen Mächte“ gesetzt.

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"Zum Wohle der deutschen Wirtschaft", UZ vom 11. Dezember 2015



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