Eine Antwort an den DKP-Kreisvorstand Hannover und ihrem Diskussionsbeitrag „Wogegen richten wir uns“

Zum Kampf gegen reaktionären Staatsumbau gehört: Rechten Aufmärschen entgegentreten!

Unter der Überschrift „Wogegen richten wir uns?“ veröffentlichte die UZ am 12. Februar auf Seite 10 einen Diskussionsbeitrag des Kreisvorstandes Hannover zu den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, der „Querdenken“-Initiative und den Aktionen gegen „Querdenken“. Die zentrale Schlussfolgerung dieses Beitrages lautete: „An den Anti-Querdenken-Protesten… beteiligen wir uns daher nicht.“

Diese Position des Kreisvorstandes Hannover ist nicht die Position der DKP Niedersachsen. In der Bezirksvorstandssitzung am 30. Januar 2021 wurde sie von den Vertreter*innen aller anderen Kreise und Gruppen entschieden zurückgewiesen. In Hannover ist diese Position nicht unumstritten.

Dabei gibt es Übereinstimmung mit dem KV Hannover über viele Punkte in der Analyse der Maßnahmen der Bundesregierung und der Strategie der westlichen Staaten. Die Differenzen drehen sich um drei Punkte:

Erstens: Unterschätzung des faschistischen Potentials innerhalb der „Querdenken“-Bewegung

Seit spätestens 2015 erleben wir mehrere Schritte zur erneuten Formierung einer faschistischen Massenbewegung in unserem Lande, von den „PEGIDA“-Aufmärschen bis zu der parlamentarischen Etablierung der AfD. Ein Kennzeichen des Auftretens einer modernisierten „Neuen Rechten“ ist dabei der Versuch, „linke“ Themen von rechts zu besetzen. Reinhard Opitz hat diese Politik der „Neuen Rechten“ im 2. Teil seines Buches „Faschismus und Neofaschismus“ beschrieben am Beispiel „nationalrevolutionärer“ Versuche der Einflussnahme auf die Friedensbewegung.

Diese Linie zieht sich von den „Montagsmahnwachen“ 2014 bis zu den „Querdenken“-Protesten. Bei diesen ist der gemeinsame Nenner des Nazis mit der Reichskriegsflagge und des Alt-Hippies mit der Regenbogenfahne der Irrationalismus, der beide vereint. Ziel der Rechten ist es dabei, esoterische, antroposophische und „alternative“ Kreise zu vereinnahmen.

In Osnabrück ist z. B. eine wichtige Figur der „Querdenker“-Bewegung jemand, den die AfD-Kreistagsfraktion ausgeschlossen hat, nachdem seine Teilnahme an dem „Schild-und-Schwert“-Rechtsrockfestival bekannt wurde. Ähnliche Konstellationen sind aus anderen Städten bekannt.

Zweitens: Falsche Bestimmung des Verhältnisses zwischen reaktionärem Staatsumbau „von oben“ und der Formierung einer faschistischen Massenbewegung

Patrik Köbele führte auf der 3. PV-Tagung sehr richtig aus: „Zum reaktionären Staatsumbau gehört ebenfalls, dass die Herrschenden Flucht und Migration… nutzen, um die Konkurrenz unter den Ausgebeuteten zu erhöhen und damit Nationalismus und Rassismus zu erzeugen. Und natürlich gehört dazu, dass es ihnen… nun offensichtlich gelungen ist, dauerhaft eine parlamentarische Kraft, die AfD, hervorzubringen, die Nationalismus und Rassismus offen verbreitet… Auch das ist eine Erscheinung des reaktionären Staatsumbaus. Wohlgemerkt, eine Erscheinung.“

Reaktionärer Staatsumbau und die Formierung und Etablierung einer faschistischen Massenbewegung stehen in einem Wechselverhältnis, bedingen und befördern sich gegenseitig. Die Funktionen faschistischer Kräfte in einem solchen Prozess, von der „Auffangfunktion… der Ableitung und Umfunktionierung von Protestpotentialen“ über die „Alibifunktion“ und „aktive Antreiberfunktion“ für reaktionäre Regierungspolitik bis zur „terroristischen Einschüchterungs- und Hilfspolizeifunktion“ lassen sich ebenfalls bei Opitz im erwähnten Buch nachlesen.

Drittens: Abwendung von der traditionellen antifaschistischen Bündnispolitik der DKP

Darum ist das Entgegentreten gegen alle Schritte zur Formierung einer faschistischen Massenbewegung ein notwendiges Element des Kampfes gegen den reaktionären Staatsumbau. Dabei stecken wir in dem Spannungsverhältnis, gegen die Faschisten mit Menschen und Organisationen zusammenzustehen, die in anderen Zusammenhängen mehr oder weniger am reaktionären Staatsumbau und an der Kriegspolitik beteiligt sind, so mit Anhängerinnen und Vertreterinnen der Regierungsparteien und der Grünen.

Diesem Spannungsverhältnis entgehen wir nicht dadurch, dass wir uns von antifaschistischen Protesten fernhalten, wenn z. B. auch SPD- oder Grünen-Vertreterinnen beteiligt sind. Die DKP hat auch in den 70er und 80er Jahren aktiv um Bündnisse mit Sozialdemokratinnen gegen die NPD gerungen, obwohl die SPD in der Regierung nicht „nur“ die Berufsverbote, sondern auch eine bis dahin beispiellose Aufrüstung zu verantworten hatte.

Gefragt ist vielmehr unser eigenständiges Auftreten als DKP auch dort, wo wir an breiten Bündnissen beteiligt sind. Ich verweise auf die vielfach bewährten „Grundsätze kommunistischer Bündnispolitik in demokratischen Bewegungen“, wie man sie z. B. in dem wiederaufgelegten Buch von Willi Gerns „Revolutionäre Strategie in nichtrevolutionären Zeiten“ nachlesen kann (S. 111 – 124). Willi Gerns fordert dort die „Bereitschaft, konsequent und selbstlos für die gemeinsamen Anliegen des Bündnisses eizutreten bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen kommunistischen Identität.“ Dem wird die Position des Kreisvorstandes Hannover zu den Protesten gegen die „Querdenken“-Bewegung nicht gerecht.

Eine gekürzte Version erschin in der UZ vom 5. März 2021.

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