Wären Maria und Josef nach Duisburg gezogen, würden Christen ihre Krippenfiguren heute wohl in die Kälte stellen statt in einen Stall. Der Umgang der „Task Force Problemimmobilien“ der Stadt Duisburg mit den Bewohnern zweier Mietshäuser am Mittwoch vergangener Woche legt diesen Gedanken jedenfalls nahe.
Mitarbeiter dieser Task Force hatten nach der Begehung zweier Mehrparteienhäuser mit mindestens 52 Bewohnern im Duisburger Stadtteil Marxloh entschieden, diese seien binnen drei Stunden zu räumen. Sebastian Hiedels, Pressesprecher der Stadt Duisburg, behauptete, die Mängel seien so gravierend, dass keine Zeit geblieben sei, den Zustand der Häuser beim Eigentümer zu beanstanden und ihm Zeit zu geben, sie zu beheben. In mangelhaftem Zustand seien Elektroinstallationen, Rauchmelder, Sanitäranlagen, Türen und Fenster. Zudem ist von „möglichen Rissen in den Häuserfassaden“ die Rede, und ein zweiter Rettungsweg fehle.
Aktive der Initiative Marxloher Nachbarn, die gegen solche Räumungen kämpft, bekamen die Räumung mit. Sie waren von Betroffenen informiert worden. Als sie vor Ort eintraf, seien die Hausbewohner bereits frierend in der Kälte gestanden, erzählt Shabnam im Gespräch mit UZ. Sie engagiert sich in der Initiative Marxloher Nachbarn. Viele Babys und Kleinkinder seien betroffen, Herzkranke, Schwangere und ein geistig und körperlich behinderter Jugendlicher, der im Rollstuhl sitzt. „Die Stadtwerke hatten schon Gas, Wasser und Strom abgestellt und die Zähler ausgebaut“, berichtet Shabnam. „Das ist Rassismus. Wieso machen die das?“, habe ein Betroffener sie gefragt. Mitarbeiter des Ordnungsamtes hätten sich geweigert, ihre Fragen zu beantworten. Die herbeigerufene Polizei sei menschenverachtend aufgetreten.
Laut Sebastian Hiedels seien „allen Betroffenen“ Ersatzunterkünfte angeboten worden. Tatsächlich bekamen die Geräumten erst auf mehrmaliges Nachfragen mitgeteilt, sie könnten im Schlafsaal einer Geflüchtetenunterkunft unterkommen. Kostenpflichtig, wohlgemerkt – dabei haben die Betroffenen ihre Dezembermieten längst überwiesen. Auch beim städtischen Amt für Soziales und Wohnen seien die Mitarbeiter überrascht worden. Wohnungen für die Betroffenen habe man keine, stattdessen habe es zunächst geheißen: „Die müssen sich halt eine suchen. Wir schicken ihnen Annoncen.“ Eine Familie bekam zwischenzeitlich mitgeteilt, man könne ihnen keine ausreichend große Wohnung anbieten.
Die Betroffenen stehen jetzt vor vielfältigen Problemen: Zur Wohnungslosigkeit gesellen sich deutlich längere Wege in die Arbeit, zur Schule und zu Ärzten. Kindergeld bekommen die Familien nicht mehr überwiesen – dessen Bezug ist an den Wohnsitz geknüpft. Mit der Räumung hat die Stadt die Betroffenen von Amts wegen abgemeldet. Zwei der betroffenen Familien wehren sich zusammen mit dem Duisburger Rechtsanwalt Michael Kosthorst auf juristischem Wege gegen die Räumung.
Für die Initiative Marxloher Nachbarn sind diese unangekündigten Räumungen struktureller Rassismus seitens der Stadt. Antiziganismus kommt dazu, denn die Betroffenen sind überwiegend Roma aus Rumänien. Ein betroffener Familienvater, mehrsprachig und weit gereist, fasst seinen Schock zusammen: „So was habe ich noch nie erlebt, nirgendwo!“