Es hat schon seinen Grund, dass in der Bundesrepublik die dritte Plenartagung des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas recht abfällig beurteilt wurde. Medien und Beobachter hierzulande hatten vorab zuweilen spekuliert, Peking müsse, da die chinesische Wirtschaft derzeit nicht so rund laufe wie gewünscht, nun doch eigentlich ein sattes Konjunkturpaket auflegen. Von solchen Paketen hatten in der Vergangenheit immer wieder deutsche Exportfirmen profitiert. Nun hatte es, ist man ehrlich, vor der Plenartagung zwar wilde Spekulationen in Deutschland gegeben, in der Volksrepublik aber keine ernstzunehmenden Hinweise auf klassische Ausgabenprogramme zur Wirtschaftsförderung. Als diese nun in der Resolution ausblieben, die das Plenum am 18. Juli verabschiedete, da zerplatzte in der Bundesrepublik so manche unbegründete Illusion, was schlechte Laune schuf. Und nicht nur das: Schnell wurde klar, dass die deutsche Exportindustrie, was China anbelangt, vermutlich schlechten Zeiten entgegengeht.
Denn das dritte Plenum hat nun auch explizit festgelegt, was sich schon seit längerer Zeit deutlich abzeichnet: China treibt seine High-Tech-Entwicklung so unabhängig wie möglich vom westlichen Ausland voran. Es setzt darauf, die Entwicklung der „Produktivkräfte neuer Qualität“ zu forcieren; damit sind speziell Digitalwirtschaft und Künstliche Intelligenz (KI), im weiteren Sinne aber auch modernste High-Tech-Industrien von der Elektromobilität bis zur Solarindustrie gemeint. In diesen Branchen will die Volksrepublik die entscheidenden globalen Durchbrüche erzielen, will sich also auf den Sektoren, die in Zukunft über die Stellung eines Landes in der Weltwirtschaft entscheiden, an die Weltspitze setzen. Dazu will Peking nicht nur massiv in die Forschung investieren, sondern auch gezielt die Ausbildung von Spitzenpersonal fördern. Und, auch das hielt das dritte Plenum in seiner Resolution fest: China will die Lieferketten insbesondere in den zentralen Branchen so weit wie möglich vom Ausland unabhängig machen – um für den brutalen Wirtschaftskrieg, den der Westen gegen das Land führt, gewappnet zu sein.
Sinken damit die Chancen für deutsche Exporteure, so tun sich für diejenigen deutschen Unternehmen, die im großen Stil in China produzieren, neue Chancen auf. Sie sind ohnehin dabei, die Lieferketten für ihre Fabriken in der Volksrepublik möglichst umfassend nach China zu verlegen, um nicht von Strafzöllen oder Sanktionen getroffen zu werden; in China für China zu produzieren – das Ziel streben sie längst an. Dazu gehört, dass auch Forschung und Entwicklung immer umfangreicher in der Volksrepublik betrieben wird. Von der Forschungs- und Talentförderung, die die dritte Plenartagung des Zentralkomitees soeben in Aussicht gestellt hat, können sie wohl profitieren; und es kommt nun hinzu, dass die Resolution vom 18. Juli die weitere Öffnung der chinesischen Wirtschaft zugunsten auswärtiger Investoren in Aussicht gestellt hat. Man darf dabei nicht vergessen: Konzerne, die ihr Chinageschäft im Land konzentrieren, bereiten sich, soweit bekannt, auch darauf vor, bei einer Eskalation des Wirtschaftskriegs ihre Aktivitäten in der Volksrepublik von den Zentralen in Deutschland abzuspalten, wenn es nicht mehr anders geht. Dann wird es unübersichtlich.
Nicht nur nach außen, auch nach innen hat das Zentralkomitee auf der dritten Plenartagung Schritte in die Wege geleitet, die die Volksrepublik zukunftsfest machen sollen. Es hat erste Maßnahmen angekündigt, den Kommunen einen größeren Anteil an den Steuereinnahmen zukommen zu lassen und sie damit aus ihrer äußerst drückenden Verschuldung zu lösen. Es stellt den Wanderarbeitern gleiche Rechte mit der alteingesessenen Wohnbevölkerung in Aussicht und plant Maßnahmen, die die Bereitschaft, Kinder zu kriegen, fördern sollen, um die drohende Überalterung der chinesischen Gesellschaft zu lindern. Und, auch das ist Teil der Planungen: Das Rentenalter soll angehoben werden. Der Kampf um den Aufstieg zu „gemeinsamem Wohlstand“, den China zur Zeit führt, ist noch nicht gewonnen.