Zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Zugriff und Kontrolle

Tim Laumann

Eine Meldung in der nordhessischen Tageszeitung „HNA“ vom 16. Februar zitiert das hessische Sozialministerium. Dieses hatte eine Anfrage an die Beschäftigten in der Pflege, der Psychiatrie und Behinderteneinrichtungen gestellt. Das Ergebnis: Von den 200.000 Befragten gaben ungefähr 10 Prozent an, sie seien ungeimpft oder sie gaben keine Antwort. Folglich machte es sich das Sozialministerium einfach und erklärte alle, die keine Antwort gaben, ebenfalls für ungeimpft.

Der Anlass dieser Abfragen ist das Infektionsschutzgesetz, das eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht vorsieht. Die Betriebsgruppe der ver.di am Universitätsklinikum Düsseldorf hatte diese Regelung scharf kritisiert (UZ vom 11. Februar). Sie zwinge diejenigen, die bisher nicht geimpft sind, zur Impfung gegen ihren Willen oder dazu, den Beruf zu verlassen. Die ver.di-Betriebsgruppe erklärt zudem, dass das Schlagwort der „Pandemie der Ungeimpften“ wissenschaftlich nicht haltbar sei und die Pandemie durch ernsthafte Verbesserungen im Gesundheitssystem – zum Beispiel eine gesetzliche Personalbemessung und eine Ausfinanzierung der Krankenhäuser – zu bekämpfen sei und nicht durch die Schaffung von Sündenböcken.

Mit einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht würden zusätzlich zu denen, die bereits jetzt im Gesundheitsbereich fehlen – je nach Berechnung sind dies zwischen 30.000 (Kapitalseite) und 120.000 (Hans-Böckler-Stiftung) –, 10 Prozent der jetzt dort Beschäftigten kommen. Inmitten einer Pandemie solche Zustände zuzulassen und sogar noch weitere Krankenhäuser zu schließen, ist kennzeichnend für die menschenverachtende „Strategie“ der herrschenden Klasse in diesem Land.

Der DKP-Parteivorstand schreibt in seiner auf der Parteivorstandstagung Anfang Februar angenommenen Positionsbestimmung „Der Kapitalismus hat das Gesundheitswesen zerstört – nicht das Virus“, dass treibend hinter den Maßnahmen der Regierung die Sicherung der Profite, die Abwälzung der Krisenlasten auf die Werktätigen und der weitere reaktionäre Staatsumbau stehen: „Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird der Konflikt in die Betriebe getragen.“ Der wesentliche Konflikt sei nicht einer zwischen Geimpften und Ungeimpften, sondern zwischen der Versorgung der Bevölkerung und der notwendigen Bekämpfung der Pandemie und den Profitinteressen. „Die DKP“, heißt es in der Stellungnahme weiter, „lehnt arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Impfung ab.“

Damit wird der betriebliche Konflikt auf der konkreten Ebene behandelt, auf der er stattfindet. Beschäftigte, ob geimpft oder nicht, müssen ihren Status mitteilen, die Kapitalseite erhält Zugriff auf Patientendaten. Das Kapitalinteresse an weiterer Kontrolle wird durch die Konzernmedien unterstützt: die Ungeimpften als Sündenböcke. Wäre dem Kapital an gesunden Mitarbeitern gelegen, wären die kostenlosen, verpflichtenden Testungen während der Arbeitszeit, wie sie der DKP-Parteivorstand fordert, ein sinnvolles Mittel. Da nicht die Testungen durchgeführt werden, sondern die Informationen beschafft, sieht man: Hier geht es um Kontrolle.

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"Zugriff und Kontrolle", UZ vom 25. Februar 2022



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