Es beginnt in rasender Parallelmontage: Zwei Maskierte erschießen einen Gast in einem Lokal und fliehen im weißen Renault. Eine Mittvierzigerin föhnt ihr Haar vor dem Spiegel, bevor sie auf einen hartnäckigen Anrufer regiert. Auf einer Wiese am See sehen wir eine Klasse junger Mädchen beim Picknicken und die Tonspur spuckt verwirrende Fahndungsansagen aus dem Polizeifunk aus. Erst dann stellen TV-Meldungen vom Attentat und Begräbnisfeiern den Zusammenhang her: der Tote ist Juan Marí Jáuregui, liberaler Ex-Zivilgouverneur der baskischen Provinz Gipuzkoa, die Täter, die man nach einigen Zeit- und Ortssprüngen in diversen Gefängnissen wiedersieht, gehören zur Befreiungsarmee ETA, die attraktive Frau und nun Witwe ist die Titelfigur Maixabel Lasa, ihre Tochter Maria erfährt am See vom Tod des Vaters.
Was für eine Dramatik schon in den ersten Minuten des neuen Films der renommierten baskischen Regisseurin Icíar Bollaín, und alles basierend auf realen politischen Ereignissen. Doch damit nicht genug. Jahre später kommt es im Rahmen eines staatlichen Täter-Opfer-Programms – wer das initiiert hat, dazu schweigen die Autorinnen sich aus – zu Gesprächen Maixabels mit Luis und Ibon, zwei der Täter, die weiterhin für ein autonomes Baskenland kämpfen, in der langen Haft aber dem mörderischen Programm der ETA abgeschworen haben und so quasi zwischen den Fronten ein auch im Knast unsicheres Leben führen.
Was für ein Stoff für politisches Kino, noch dazu in der Regie einer, die die komplizierten Machtstrukturen im Baskenland aus der Nähe kennt und der mit Blanca Portillo als Maixabel, Urco Olazabal als Luis und Luis Tosar als brillantem Ibon eine Ausnahmebesetzung zur Verfügung stand. Doch welche Enttäuschung! Dass die Rasanz der ersten Minuten rasch einem angemesseneren Tempo weicht, in dem die Figuren Gestalt annehmen können, war zu erwarten. Ortswechsel und große Zeitsprünge trüben aber weiterhin die Klarheit, und schon in den Szenen im Gefängnishof oder bei Strategiedebatten der ETA wird deutlich, dass Bollaín und ihre Koautorin Isa Campo vor der Brisanz und Wandelbarkeit des Meinungsstreits bald die Waffen gestreckt haben.
Ihr Interesse gilt vor allem ihrer souveränen Titelfigur. Sie stilisieren Maixabel zur angstfreien Heldin und Integrationsfigur des Konflikts hoch, die ihre denkbaren Racheinstinkte niemals offen darlegt. Dieses Bild wird noch verstärkt durch den Kontrast zu ihrer Tochter, die das Drehbuch als etwas naives, dann vor Angst schlotterndes Wesen durch das Geschehen schickt, bis zum peinlich pathetischen, für Maria aber durch ein familiäres Happyend versüßten Ende bei der alljährlichen Gedenkfeier an dem auf einem Hügel über der Stadt errichteten Grabstein für den Volkshelden Jáuregui.
Zuvor aber darf Maixabel in zwei ausgedehnten, je zehn Filmminuten dauernden und von keiner anderen Szene unterschnittenen Gesprächen mit den Tätern der Frage nachgehen, auf die sich für sie die Problematik des Konflikts reduziert: Wieso haben beide sich nicht für die Identität und Motive ihres Opfers interessiert und nur blind einen Mordauftrag ausgeführt? Da wäre nun Gelegenheit gewesen, tiefer in die Problematik einzudringen, und Tosars an der Strategiefrage sichtbar verzweifelter Ibon liefert dazu auch ein paar Ansätze. Aber die oberflächlich bleibenden Dialoge gehen darüber hinweg – geradewegs hin zur gemeinsamen Nationalode, die alle Fragen zum Verstummen bringt.