Liebe Genossinnen und Genossen,
ich begrüße Euch hier in Ziegenhals zum 88. Jahrestag der illegalen ZK-Tagung der Kommunistischen Partei Deutschlands unter Vorsitz von Ernst Thälmann am 7. Februar 1933.
Wir sind uns wohl alle der besonderen Bedingungen bewusst, unter denen wir heute hier zusammenkommen sind und wie Ihr wisst, gibt es heute verschiedene Formen des Gedenkens. Ich möchte gleich zum Auftakt unterstreichen: die Freunde und Genossen des Freundeskreis Ernst Thälmann Gedenkstätte haben zu einem individuellen Gedenken aufgerufen – wir als DKP-Landesorganisation Brandenburg haben zu einer Kundgebung aufgerufen. Beides hat seine Berechtigung. Ich möchte gleichwohl begründen, was uns als DKP-Landesvorstand veranlasste, heute hier zu einer Gedenkkundgebung aufzurufen – im Wissen darüber, dass die kurzfristige Mobilisierung im Zusammenspiel mit den knackigen Minusgraden nur einen überschaubaren Kreis Genossen dazu bringen wird, den Weg nach Ziegenhals auf sich zu nehmen. Also stelle ich die Frage: In welcher besonderen Situation befinden wir uns, die dieses Gedenken in Ziegenhals rechtfertigt, wo unsere Genossen vor 88 Jahren zusammenkamen, um nach der Errichtung der offenen faschistischen Diktatur die anstehenden Hauptaufgaben im antifaschistischen Kampf festzulegen?
Ich möchte Euch zur Beantwortung der Frage auf drei Beispiele hinweisen, die mir in den letzten Wochen untergekommen sind:
- Zunächst möchte ich Euch auf die Situation im Klinikum Ernst von Bergmann bei mir in Potsdam aufmerksam machen, wo es im letzten Jahr zu einem Ausbruch des Coronavirus kam, bei dem 45 Menschen verstarben. Die jüngst veröffentlichten Ergebnisse einer Expertenkommission ergaben, dass der Ausbruch auf chronische hygienische Missstände zurückzuführen sei. Diese hygienischen Missstände seien wiederum das Ergebnis einer Profitorientierung des Klinikums, die auf Beschlüssen und Vorgaben der Stadtoberen Potsdams beruht – zum Beispiel dem Ziel einer 8 %igen Umsatzrendite. Häufig wurden in dem Bericht die hygienischen Missstände direkt oder indirekt auf Personalmangel zurückzuführen oder auch auf die Auslagerung von Teilbereichen wie dem Service oder dem Catering. Nun erklärt die Vertreterin der Stadt Potsdam im Aufsichtsrat des Klinikums, Brigitte Meier von der SPD: Die Über 500 Kolleginnen und Kollegen im Service und Catering könnten nicht nach Tarif bezahlt werden. Begründung: Dann fehle ja das Geld, um die hygienischen Missstände im Klinikum zu beheben, auf die der Bericht hingewiesen habe. Die Logik lautet also: Die Beschäftigten im Potsdamer Klinikum haben auf Lohnerhöhungen zu verzichten im Kampf gegen Corona. Das ist das Corona-Narrativ der Herrschenden.
- Ich möchte auf ein zweites Beispiel hinweisen: Kurz vor Weihnachten hat der Kreistag Oberspreewald-Lausitz die Mehrheitsanteile des kommunalen Klinikums Niederlausitz an den Gesundheitskonzern Sana Kliniken AG verscherbelt. Diese faktische Privatisierung hat der Kreistag nicht nur hinter verschlossenen Türen durchgezockt, sondern er tat das obendrein in einer Zeit, in der im Landkreis jegliche Versammlungen verboten waren. Warum? Weil aufgrund eines Inzidenzwertes von über 200 Neuinfizierten pro Tag in sieben Tagen in dem Landkreis auf Grundlage der Verordnung der Landesregierung Brandenburg – also ohne Beschluss des Landtages – ein allgemeines Versammlungsverbot galt. Die Logik lautete also: Demonstrationen für den Gesundheitsschutz – nämlich gegen die Privatisierung des Klinikums – sind im Namen des Infektionsschutzes – also des Gesundheitsschutzes – verboten. Das ist das Corona-Narrativ der Herrschenden.
- Ein letztes Beispiel: Letzte Woche heißt es bei BILD-online: „Gier am Pier“. Man denkt sich: Geht es hier etwa um die Profitgier der Reederei-Besitzer in Hamburg? Weit gefehlt! Gemeint sind „Gier-Handwerker“ der Hamburger Hafen und Logistik AG, die für Lohnerhöhungen streiken. Doch die Kollegen sind laut BILD nicht nur gierig, weil sie mehr Lohn fordern, sondern würden darüber hinaus über Leichen gehen, weil sie mit ihrem Streik dafür verantwortlich seien, dass Schiffe in Hamburg nicht anlegen könnten, die medizinische Produkte zur Bekämpfung des Coronavirus transportieren würden. Was sich bereits im Tarifkampf des Öffentlichen Dienstes letztes Jahr andeutete, nimmt immer deutlichere Konturen an: Die Bekämpfung des Coronavirus wird zum Hebel, um die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie auzuhebeln. Das meine ich, wenn ich von einem Corona-Narrativ der Herrschenden spreche.
Liebe Genossinnen und Genossen,
diese drei Beispiele haben vielleicht gezeigt, in welcher besonderen Situation wir hier zusammenkommen: Einer Zeit, in der der Klassengegner unter Ausnutzung eines ernstzunehmenden – aber beherrschbaren – Virus einen chronischen Ausnahmezustand für demokratische Rechte organisiert – einen demokratischen Ausnahmezustand, den die Monopolbourgeoisie in Deutschland und anderen imperialistischen Ländern braucht, um eine verschärfte Ausplünderung und Ausbeutung breiter Teile der werktätigen Bevölkerung voranzutreiben; einen demokratischen Ausnahmezustand, den sie braucht, um die Kriegsmobilisierung gegen die Russische Föderation und verstärkt auch die Volksrepublik China voranzutreiben. Und deshalb ist heute so wichtig, ein Zeichen zu setzen: für die Verteidigung des Versammlungsrechts und dafür, dass die Kommunistinnen und Kommunisten in diesem Land sich dem verordneten politischen Lockdown der Herrschenden nicht beugen. In diesem Sinne danke ich jedem Einzelnen von Euch für die Teilnahme an dieser kleinen Gedenkkundgebung. Und deshalb ist unsere Losung heute: Thälmann gedenken heißt 2021: sich gemeinsam widersetzen – gegen forcierte Ausbeutung, Privatisierung, Demokratieabbau und Kriegsmobilisierung!
Liebe Genossinnen und Genossen,
sich widersetzen in unseren Tagen fängt damit an, dass wir mit einem Märchen der Herrschenden in diesem Land brechen: dem Märchen, es ginge ihnen um den Gesundheitsschutz der Bürger. In der Geschichte gab es nur einen deutschen Staat, der für sich in Anspruch nehmen konnte, die Gesundheit und das Leben seiner Bürger vollumfänglich zu schützen – nämlich ein Staat, der in seiner Verfassung nicht nur den Gesundheitsschutz verankert hatte, sondern als erster und einziger deutscher Friedensstaat dafür gesorgt hat, dass fast ein halbes Jahrhundert kein Krieg von deutschem Boden ausging. Für dieses Deutschland – für die Deutsche Demokratische Republik – haben die Genossen vor 88 Jahren hier in Ziegenhals die Grundlagen gelegt – und für dieses Deutschland haben sie ihr Leben gelassen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
der Klassengegner nutz das Corona-Narrativ, um seine Ziele möglichst ungehindert durchzusetzen gegen die werktätige Bevölkerung, während die Finanzoligarchie hier und jenseits des Atlantiks auch im Corona-Jahr 2020 ihren Reichtum vervielfachen konnte. Die schärfste Waffe des Gegners gegen uns ist dabei die Spaltung. Ich meine eine Spaltung, die uns unter Genossen, unter Freunden und selbst in der Familie zu entzweien droht; eine Spaltung, in deren Verlauf jeder jedem vorwirft, „Nazi“ zu sein – und damit gewollt oder ungewollt, den deutschen Faschismus als eine besondere Form imperialistischer Herrschaft banalisiert – und auch den Widerstand dagegen. Ich rede von einer Spaltung, die dazu führt, dass auch wir Kommunisten uns mit uns selbst beschäftigen, während der Klassengegner einen Krieg vorbereitet im Rahmen von NATO und EU, der das Leben der gesamten Menschheit bedroht. Sie reden vom Schutz des Lebens und machen jeden für Tod von Menschen verantwortlich, der den Mund-Nasen-Schutz nicht richtig trägt oder zu viele Gäste bei sich zu Hause eingeladen hat. Dabei ist des diese Bundesregierung, die den Kriegsetat hochgefahren hat, während sie den Gesundheitsetat zusammenstrich und den Kommunen bis heute sogar Fördergelder anbietet, wenn sie Krankenhäuser schließen! Diese Bundesregierung ist, die deutsche Kriegsschiffe nach China schicken will, um den NATO-Ring unter Führung der USA gegen die Volksrepublik zu schließen. Diese Bundesregierung ist es, die neue Atomwaffenbomber anschafft und deutsche Soldaten im Rahmen der NATO an der russischen Grenzen aufmarschieren lässt – und das 80 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion!
Genossinnen und Genossen, wenn wir diese Spaltung nicht überwinden, haben wir uns trotz aller Schwüre und Ehrungen all die Jahre als unfähig erwiesen, das Einmaleins des antifaschistisches Kampfes zu verstehen, das da lautet: Unsere erste Aufgabe ist die gemeinsame Mobilisierung der werktätigen Bevölkerung gegen einen drohenden Krieg der Imperialisten gegen Russland und China. Deshalb: Ehren wir die antifaschistischen Kämpfer von Ziegenhals, ehren wir Teddy, indem wir als DKP und als Friedenskräfte in diesem Land unsere Kräfte bündeln: gegen den gemeinsamen Feind der Menschheit mit Namen Imperialismus. In diesem Sinne: Gehen wir gemeinsam für Frieden mit Russland und China auf die Straße in den kommenden Wochen – bei den Ostermärschen Ende März, hier in Ziegenhals Mitte April zu Ehren von Thälmanns Geburtstag – und Ende April am Elbetag in Torgau. Kämpfen wir auf diese Weise um die demokratischen Rechte in diesem Land.
Druschba!