Streit um Abwassergebühren – Anwalt sieht darin Ignoranz gegenüber dem Einigungsvertrag

Zu DDR-Zeiten angeschlossen?

Von Bernd Müller

In Brandenburg geht der Streit um die sogenannten Altanschließerbeiträge in die nächste Runde. Das Bundesverfassungsgericht hatte zwar vor zwei Jahren festgestellt, dass diese verfassungswidrig sind. Das Landgericht Potsdam befand in einem kürzlich gefassten Urteil, dass nicht alle Betroffenen ihr Geld zurückbekommen sollen.

„Altanschließer“ sind jene Grundstückseigentümer, deren Grundstück noch in der DDR an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen wurden – auch diejenigen, bei denen der Anschluss bereits in den 1920er Jahren erfolgte. Wurde ein Grundstück nach dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik neu an das zentrale Netz angeschlossen, wurden Gebühren fällig. Und weil in der Zeit nach dem Anschluss der DDR auf Empfehlung von westdeutschen „Beratern“ neue und oftmals stark überdimensionierte Klärwerke gebaut wurden, konnten die Gebühren hoch werden. „Altanschließer“ wurden nicht zur Finanzierung dieser Bauten herangezogen.

Das ging so bis zu den Urteilen des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg in den Jahren 2001 und 2007. Dieses sah darin eine Ungleichbehandlung und befand, dass die Eigentümer aller angeschlossenen Grundstücke gleichmäßig beteiligt werden müssten. Dass DDR-Bürger für den Anschluss selbst Kraft, Zeit und Geld investiert hatten, spielte für das Oberverwaltungsgericht keine Rolle. Von da an erhielten „Altanschließer“ Gebührenbescheide für den Anschluss an das Abwassersystem, das sie oftmals mit den eigenen Händen errichten geholfen hatten.

2015, als das Bundesverfassungsgericht feststellte, dass das Ganze nicht mit der Verfassung zu vereinbaren sei, wurde aufgeatmet. Seitdem tobt der Streit darüber, ob alle Betroffenen die bereits gezahlten Gebühren zurückerhalten sollten oder nur diejenigen, die in Widerspruch gegangen waren. Das nun vom Landgericht Potsdam gefällte Urteil widerspricht in der Frage der zuvor gefällten Urteile der Landgerichte Frankfurt (Oder) und Cottbus. Diese hatten geurteilt, dass die Abwasserbeiträge auch dann zurückgezahlt werden müssen, wenn gegen die entsprechenden Beitragsbescheide kein Widerspruch eingelegt worden sei.

Das Landgericht Potsdam hat dagegen die Klage einer Grundstücksbesitzerin zurückgewiesen. In dem Urteil erklären die Richter, die Klägerin habe es versäumt, gegen den rechtswidrigen Bescheid zu klagen, obwohl Anlass dazu bestanden hätte.

Der Cottbuser Rechtsanwalt Frank Mittag, der als Experte auf dem Gebiet gilt, zeigte sich kürzlich über das Urteil gegenüber der „Lausitzer Rundschau“ verwundert. In dem Potsdamer Urteil fände die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichtes keine Erwähnung. „Das ist eigentlich juristisches Handwerk“, sagte er. Zudem sei das Urteil „Ignoranz gegenüber dem Einigungsvertrag“.

Rechtsanwalt Mittag spielt damit auf das Staatshaftungsgesetz der DDR an, das in Brandenburg immer noch gilt. Die DDR hatte 1969 die „unmittelbare und verschuldensunabhängige Staatshaftung“ für schädigende Folgen von staatlichem Handeln eingeführt. Danach haftet der Staat für seine Fehler, auch wenn der Bürger sein Recht nicht selbst eingeklagt hat. Dieses Gesetz ist mit dem Einigungsvertrag in die Gesetzgebung der neuen Länder übergegangen. Während es jedoch in Sachsen vom Landtag abgeschafft wurde, hat es in Brandenburg mit nur geringen Änderungen durch den Landtag in die neue Rechtsprechung überführt.

Der Landeswasserverband frohlockt über das Potsdamer Urteil. Landesgeschäftsführer Turgut Pencereci sagte: „Wenn auch die höheren Instanzen dem Urteil des Landgerichts Potsdam folgen, gibt es keinen Rechtsanspruch auf Rückzahlung der Beiträge“. Die Gefahr, dass tausende Betroffene ihr Geld nicht mehr wiedersehen könnten, sieht auch Rechtsanwalt Mittag. Der „Lausitzer Rundschau“ sagte er, wenn diese Entscheidung Rechtskraft erlangen würde, müssten die Verbände an alle diejenigen keine Beiträge zurückzahlen, die nicht in Widerspruch gegangen seien.

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"Zu DDR-Zeiten angeschlossen?", UZ vom 8. September 2017



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