Xi Jinping und Wladimir Putin trafen sich am Rande der Olympischen Winterspiele

Zu Besuch bei Freunden

Es war eine wichtige Begegnung. Der chinesische Präsident Xi Jinping traf sich zur Eröffnung der Olympischen Spiele mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Es war der erste persönliche Kontakt seit zwei Jahren. Sowohl die russische als auch die chinesische Seite gaben sich große Mühe, die Bedeutung des Treffens herauszustellen. Es gab eine Vielzahl von Vereinbarungen und zum Teil sehr ausführlichen Statements und Pressemitteilungen. Schwerpunkte der Vereinbarungen waren die militärische Zusammenarbeit, die ökonomische und technologische Kooperation sowie politische und strategische Aspekte.

Putins Besuch setzt bewusst einen Kontrapunkt zur Boykottstrategie des Wertewestens. In der Tat, 2022 ist nicht 1980. Damals konnte die Carter-Regierung noch 65 NOKs zur Unterstützung ihres Boykottaufrufs mobilisieren. Nur 80 Olympiamannschaften starteten in Moskau. 2022 waren es nur noch 15 Staaten, die engsten US-Vasallen, welche das Weiße Haus zu einem „diplomatischen Boykott“ drängen konnte. Nicht gerade ein Zeichen der Stärke, sondern eher ein Beleg dafür, wer in dieser Welt eigentlich isoliert ist. Natürlich versuchen die westlichen Kampfmedien auch weiterhin die Haare in der Suppe zu finden und jede Chance zu nutzen, die Olympiagastgeber nach allen Regeln der Kunst mit Dreck zu bewerfen. Die Hunde bellen – die Karawane zieht weiter.

Die sich ständig verschärfende aggressive Politik der Biden-Regierung hat die eurasischen Hauptmächte zu immer stärkerer Kooperation gedrängt. Es hat gemeinsame Manöver mit dem militärischen Gerät des jeweils anderen Staates gegeben. Die Soldaten konnten sich mit dem Material und den operativen Strukturen der befreundeten Truppen vertraut machen. Nun wurden die Harmonisierung und eine gemeinsame Nutzung der Satellitennavigationssysteme GLONASS (Russland) und BeiDou (China) verabredet. Dadurch dürften sich die Präzision und die Zuverlässigkeit der Systeme, vor allem im militärischen Bereich, deutlich steigern lassen. Die militärische Zusammenarbeit, die sich nun auch auf den Bereich der militärischen Spitzentechnologie erstreckt, macht einen hohen Grad des gegenseitigen Vertrauens deutlich. Dadurch werden signifikante Erfolge für beide Staaten möglich in den militärischen Schlüsselsektoren Luftfahrt, Raketentechnologie, Unterwasserfahrzeuge und Raumfahrt sowie bei den elektronischen Führungssystemen. Damit dürften die Chancen des Pentagon, einen erfolgreichen (konventionellen) Angriff auf eine oder gar auf beide eurasische Mächte – beispielsweise in der Ukraine oder in Taiwan – lancieren zu können, weiter deutlich sinken.

Bei den Vorhaben zur Entwicklung von Wirtschaft, Handel und Dienstleistungen sticht vor allem der Bau einer dritten Pipeline heraus, mit welcher der Nordosten Chinas ab 2026 versorgt werden soll. Die erste dieser Pipelines, „Power of Siberia1 (PoS1)“, ist seit 2019 in Betrieb. Die etwa 3.000 Kilometer lange PoS2 wird die Erdgas-Exportfähigkeit Russlands in Richtung China in etwa verdoppeln. PoS2 ist seit 2019 im Bau und soll die Region um Peking mit dem Jamal-Gasfeld verbinden. Diese Leitung wird Gazprom die Möglichkeit eröffnen, bei Bedarf den Gasstrom vom europäischen Markt in Richtung China zu lenken, ebenso wie in die entgegengesetzte Richtung. Die PoS-Pipelines sollen nun durch eine Pipeline ergänzt werden, die ab 2026 Gas von der Insel Sachalin in die Provinz Heilong­jiang leitet. Zusammen mit den enormen Gasverflüssigungsprojekten in Russlands Norden und der Fähigkeit, die „Eis-Seidenstraße“ – die Ost-West-Passage durch das russische Eismeer – auch für den Güterverkehr immer länger offen zu halten, wird hier eine strategische Umorientierung Russlands sichtbar. Russland wird in Zukunft immer weniger auf den europäischen Markt angewiesen sein. Es wird sein Gas auf den boomenden chinesischen, indischen und ost- und südostasiatischen Märkten absetzen können. Umgekehrt aber wird Europa kaum auf die russischen Gaslieferungen verzichten können. Je mehr US-amerikanisches Fracking-Gas zum Einsatz kommt, umso höher die Preise.

Mit Hinblick auf die aktuellen, von Washington fabrizierten Krisenherde Taiwan und Ukraine sicherten sich Xi und Putin erstmals sehr deutlich Unterstützung zu. Xi bekräftigte die russische Forderung nach Beendigung der Ostexpansion der NATO und der Errichtung einer europäischen Sicherheitsarchitektur, Putin unterstützte die chinesische Forderung nach Erhalt der Ein-China-Politik. Es ist diese weitgehende, vertrauensvolle Zusammenarbeit der eurasischen Hauptmächte auf allen relevanten Gebieten, die es für Washington schwierig macht, seinen aggressiven Kurs fortzusetzen. Sowohl die Ukraine als auch Taiwan müssen bereit sein, im Konfliktfall den eigenen Untergang in Kauf zu nehmen.

Die EU muss bereit sein, signifikant höhere Energiepreise und eine deutliche Verschlechterung der Handels- und Investitionsbedingungen hinzunehmen. Und darüber hinaus muss sie bereit sein, atomare US-amerikanische Mittelstreckenwaffen zu stationieren, die Europa und natürlich auch Deutschland zum Ziel russischer Atomraketen machen werden. Die blinde atlantische Gefolgschaft kann die europäischen Vasallen teuer zu stehen kommen. Es wäre an der Zeit, aufzuwachen und sich der Wirklichkeit zuzuwenden. Aber das dürfte mit Blick auf die antirussischen und antichinesischen Glaubenskrieger ein reichlich überambitioniertes Wunschdenken bleiben.

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"Zu Besuch bei Freunden", UZ vom 11. Februar 2022



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