Die EZB kauft Staatsanleihen auf. Nur nicht von Griechenland.

Zu arm für einen Schuldenschnitt

Von Klaus Wagener

Mittlerweile ist Griechenland seit sechs Jahren „gerettet“ und „auf einem guten Weg“, und jeder, der es wissen will, kennt die Ergebnisse. Nun dürfen die „Geretteten“ auch noch das Asyl-“Recht“ der „westlichen Wertegemeinschaft“ exekutieren. Ihre herbeigebombten, um Leben und Existenz bangenden Flüchtlinge in Lagern internieren und versorgen und an den von Merkel ernannten türkischen Türsteher Europas rücküberstellen.

Wie schlecht es steht, zeigt der jüngste Vorschlag des nicht gerade für überbordende Empathie bekannten IWF (Internationaler Währungsfonds). Frau Lagarde hatte vorgeschlagen, dass die Laufzeiten für die Rückzahlung der Kredite aus den drei „Rettungsprogrammen“ bis 2080 gestreckt werden und nicht vor 2040 zu laufen beginnen sollten. Der IWF hatte erkannt, was jeder ohnehin weiß, dass die „dramatische Verschlechterung der Schuldentragfähigkeit, Schuldenerleichterungen in einer Größenordnung notwendig macht, die weit über das hinaus gehen, was bisher in Erwägung gezogen wurde und was vom ESM vorgeschlagen wurde.“ Dazu sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die „dramatische Verschlechterung der Schuldentragfähigkeit“ mit Notwendigkeit aus der Berlin/Brüsseler „Rettungs“-Logik hervorgeht. Überschuldung mit weiteren Krediten, also Schulden, sanieren zu wollen, nährt den Verdacht auf Grenzdebilität. Aber natürlich geht es nicht um die Sanierung Griechenlands, sondern um die der Zockerbanken, deren Griechenlandwetten geplatzt sind. Zwar ist bei Erhalt der EU-Basisparameter mehr als fraglich, ob Griechenland selbst nach 2040 oder jemals seine Schulden wird zurückzahlen können, aber selbst dieses kleine IWF-Zugeständnis an den Realismus ist den Euro-Fundamentalisten in Berlin schon ein Gräuel. Daher die erkennbaren Absetzbewegungen des IWF aus der Troika, der seine Risiken aus der geplatzten Griechenland-“Rettung“ – aktuell geht es um 14 Milliarden Euro – doch gern der Schäuble-Truppe, konkret der arbeitenden EU-Bevölkerung, übereignen würde.

Wollte man Griechenland tatsächlich helfen, gäbe es auch andere Möglichkeiten. Darauf hat nun auch der umstürzlerischer Umtriebe unverdächtige Paul de Grauwe, Professor an der London School of Economics, auf der Seite „Makronom“ hingewiesen. „Die EZB gewährt allen Eurostaaten einen Schuldenerlass – nur Griechenland nicht.“

Zuvor zwei Sätze. Die kapitalistischen Hauptstaaten stehen vor einem gewaltigen Dilemma. Es gibt zuviel Geld bzw. Kapital. Um es wieder profitabel anlegen zu können, einen neuen, dynamischen Verwertungszyklus beginnen zu können, müsste man einen großen Teil davon vernichten, genauer: ent- oder abwerten. Selbstredend will das niemand. Da auch keynesianische Programme tabu sind, drucken die großen Zentralbanken, als einzig verbliebene Akteure im großen Stil neues Geld. Die EZB hat angekündigt bis mindestens März 2017 pro Monat 60 bis 80 Milliarden Euro, insgesamt 1,5 Billionen Euro, für ihr Quantitative-Easing-Programm (QE-Programm) aufwenden zu wollen. Das klingt ähnlich wie die Griechenland-“Rettung“. Die Finanzprobleme werden mit sehr viel frischem Geld zugekleistert. Der Primäreffekt auf die Staatshaushalte ist allerdings ein anderer. Indem die EZB Staatsanleihen aufkauft, fließt frisches Geld in die Staatskasse des jeweiligen Staates und weil die Zinsen auf diese Anleihen über die Zentralbanken an die Finanzministerien zurückfließen, wie de Grauwe erläutert, wirkt dieses Kaufprogramm defizit- bzw. schuldensenkend. Insgesamt umfasst diese Schulden-Monetarisierung bislang 645 Milliarden Euro. Hauptprofiteur, man rät es nie: Die Bundesrepublik mit 171 Milliarden Euro (etwa die Hälfte des Bundeshaushaltes). Frankreich bekam bislang immerhin 136 Milliarden, Italien 117 Milliarden, Spanien 84 Milliarden und selbst das kleine Luxemburg kassierte noch 1,573 Milliarden Euro. Nur bei Griechenland steht eine Null. Griechenland ist als einziges vom QE-Programm ausgeschlossen. Das Land erfülle nicht die qualitativen Kriterien. Griechenland ist der EZB offensichtlich zu arm für einen Schuldenerlass.

Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Das ist gemeint, wenn die schwäbischen Hausfrauen Schäuble, Merkel, Schulz, Weidmann, Draghi & Co. über Solidarität reden. Es geht nicht nur nicht darum Griechenland zu retten, sondern es geht auch darum, das Land mit aller Kraft an die Wand zu fahren. Mal sehen, wann das Versuchstier kollabiert. Die „westliche Wertegemeinschaft“ in Vollendung.

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"Zu arm für einen Schuldenschnitt", UZ vom 27. Mai 2016



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