„Meine Zeit mit Cézanne“ versucht sich als Biopic gleich zweier großer französischer Künstler. Den Maler Paul Cézanne und den Schriftsteller Émile Zola verbindet seit Kindertagen eine innige Freundschaft, die im Zentrum des Films steht. Danièle Thompson, verantwortlich für Regie und Drehbuch, macht den Konflikt um Zolas Roman „L‘Œuvre“ zum Zentrum des Films. Von der Auseinandersetzung der beiden um Zolas Darstellung eines scheiternden Künstlers, in dem sich Cézanne wiederzuerkennen glaubt, wird die Geschichte ihrer Freundschaft erzählt. Leider beschränkt sich der Film weitgehend auf die emotionalen Aspekte wie Eifersucht auf den Erfolg und den Kampf um eine Frau, verliert sich manchmal in kitschigen Gefühlsausbrüchen und erwähnt zu beiläufig die großen Ereignisse dieser Lebensgeschichten. Die revolutionäre Erneuerung in der Malerei durch die Impressionisten sowie der Krieg von 1870/71 oder Zolas mutiges Handeln in der Dreyfus-Affäre und seine anschließende Zeit im Exil werden nicht bis kaum behandelt.
Schwerer noch wiegt jedoch, dass das eigentliche Anliegen der Künstler unklar bleibt. Der Film geht so weit, Zola den Satz „Ein Roman ist nicht die Wahrheit“ in den Mund zu legen. Geschieht dies auch im Zuge seiner Verteidigung von Fiktionalität, wirkt diese Darstellung eines Schriftstellers, dem die „vérité“ oberstes Ziel war, reichlich misslungen. Der Begriff „Naturalismus“ wird übrigens gar nicht erst erwähnt. Auch Cézannes künstlerische Ziele werden kaum verhandelt. Guillaume Gallienne spielt überzeugend einen zerrissenen und cholerischen Charakter; leider zeigt der Film wenig Einblicke in die Schaffensphasen seiner Malerei und lässt den Maler sein Dilemma nicht benennen. So wird dem Mythos des genialen Künstlers, der aus reiner Intuition Meisterwerke schafft, Nahrung gegeben. Lediglich während der sehr schönen Aufnahmen der provenzalischen Landschaft wird sein Ringen um Form und Farbe angedeutet. Wirklich Unrecht erfährt Cézanne in seiner Darstellung als ein der Malerei Verfallener, der von seiner Frau angefleht wird, sich nicht im Wahn zu verlieren. Diese Szene entspricht bis ins Detail dem Verhalten des Malers Claude Lantier in „L‘Œuvre“ und übertrifft damit Zolas falsche Darstellung.
Gemessen an der Masse der Ereignisse und Persönlichkeiten, die teils sehr gehetzt erwähnt werden, hätte eine lineare Erzählstruktur gutgetan. Die unausgewogene Gewichtung von privaten Konflikten und historischen Ereignissen stiftet Verwirrung und verwehrt einen Einblick in die Entstehung der Romane und Gemälde. Auch ist die Auseinandersetzung um „L‘Œuvre“, die so wahrscheinlich nie stattgefunden hat, viel zu lang und zu arm an Erkenntnissen. Trotz dieser den realen Ereignissen zugefügten Aussprache der Freunde, endet ihre Beziehung in Verbitterung. Zola bezeichnet Cézanne als gescheitertes Genie.
Der Film ist der Versuch, zwei Künstler zu würdigen, die auf ihrem Gebiet neue Wege gegangen sind. Man kann ihn zum Anlass nehmen, die „Rougon-Macquart“ zu lesen oder die Anfänge der abstrakten Malerei im Museum zu bewundern. Eine wirkliche Vorstellung der künstlerischen Leistung bringt der Film trotz guter schauspielerischer Darstellung und schöner Bilder nicht. Das ist schade.