Schon seit 1979 ist Syrien Sanktionen insbesondere der USA ausgesetzt – mal mehr, mal weniger. Im April 2011 verschärfte US-Präsident Obama unter dem Vorwand der Proteste in Syrien die Sanktionen, die EU folgte. Offiziell hieß es, die Sanktionen richteten sich gegen „das Regime“.
Banküberweisungen wurden eingestellt, Entwicklungsprojekte der EU und der Golfstaaten abgebrochen, selbst die Verkehrsverbindungen wurden unterbrochen. Gab es noch 2011 Direktflüge nach Syrien aus Paris, Istanbul und London, wurden sie im Frühjahr 2012 eingestellt. Damaskus konnte nur noch über Moskau und Teheran erreicht werden. Tatsächlich war es für Terroristen einfacher, über die türkische Grenze illegal ins Land zu gelangen, als es für Syrer war, ins Land ein- oder auszureisen.
Ein Bericht der UN-Kommission für ökonomische und soziale Fragen Westasiens (ESCWA) beschreibt die Auswirkungen der Sanktionen: sie gehören zu den weitestgehenden und umfassendsten, die je verhängt wurden. Diejenigen Organisationen, die Hilfe leisten wollen, berichten von einem Dickicht von Vorschriften, die schwer zu durchschauen sind und häufig kostspielige juristische Analysen verlangen. Schnelle Hilfslieferungen werden dadurch behindert.
Syrien unterliegt einem allgemeinen Export-Embargo und finanziellen Restriktionen der USA. Dies betrifft nicht nur US-Güter und -Dienstleistungen selbst, sondern weltweit alle Güter, in denen US-Produkte mindestens 10 Prozent des Wertes ausmachen. In all diesen Fällen muss vor einem Export nach Syrien eine US-Genehmigung eingeholt werden. Die Furcht vor den US-Behörden treibt seltsame Blüten. So wurden schon Geldüberweisungen innerhalb Europas gestoppt, weil auf der Überweisung als Betreff „Syrien“ angegeben war. Die betroffenen Banken fürchteten Folgen für ihr US-Geschäft.
Dies beschreibt auch der Bericht der ESCWA: an sich zulässige Hilfslieferungen werden behindert oder verhindert, weil aus Furcht vor Reaktionen der US-Behörden Banküberweisungen nicht möglich scheinen. So haben sich Sanktionen gegenüber Bank-Transaktionen als wirksamste Waffe des Embargos herausgestellt.
Medizinische Geräte und die Software für ihren Betrieb benötigen besondere Lizenzen, die die Lieferung erschweren. Üblicherweise gibt es für solche Fälle „allgemeine Lizenzen“ – nicht im Falle Syriens. Tatsächlich gibt es ein Chaos unterschiedlicher Vorschriften und Umsetzungen, die die Lieferung von solchen Geräten deutlich erschweren.
Die Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur des Landes wird erschwert, weil gerade die benötigten Mittel und Ersatzteile den Sanktionen unterliegen – unter dem Vorwand, sie könnten auch militärisch eingesetzt werden. Selbst Bohrausrüstungen und Rohrleitungen für die Wasser- bzw. Abwasserversorgung benötigen aufgrund der Sanktionen besondere Genehmigungen. Die Genehmigungsgebühren können dabei die Kosten der eigentlichen Güter weit übersteigen. Beispielsweise können die Kosten, die US-Genehmigung zu erhalten, um einen Computer zu liefern, dreimal so hoch sein wie die Kosten des Gerätes selbst.
Der Bericht der ESCWA zeigt, dass die Sanktionen gegenüber Syrien sehr viel schärfer sind als in anderen vergleichbaren Fällen (Sudan, Somalia, Kuba). Der „Spiegel“ berichtete im Juni 2011 in lakonischen Worten von verschärften Sanktionen, die zwei Cousins von Staatschef Assad und vier Unternehmen beträfen, denen die Finanzierung des Assad-Clans vorgeworfen wird.
Was so harmlos klang, richtete sich in Wirklichkeit gegen ganz Syrien und alle Syrer und war eine klare Botschaft: Mit Assad habt ihr keine Zukunft. Ziel der Sanktionen: Regime-Change.