Keine Erfolge auf der UN-Klimakonferenz

Zeitverschwendung

Walter Reber

Totale Zeitverschwendung“ – so nannte der Außenminister von Papua-Neuguinea „hochrangige Gespräche“, wie sie auf der COP29 in Baku stattfanden. Papua-Neuguinea entsandte nur eine kleine Delegation von Regierungsbeamten, um dagegen zu protestieren, dass die großen Staaten „den Opfern des Klimawandels nicht schnell genug helfen“.

Die höchsten Vertreter der „großen Staaten“, US-Präsident Joseph Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Indiens Premierminister Narendra Modi, Chinas Präsident Xi Jinping, Südafrikas Staatschef Cyril Ramaphosa und Australiens Premierminister Anthony Albanese blieben der COP29 von vornherein fern. Der frühere Glanz der UN-Klimakonferenzen ist längst erloschen. Heute geht es nicht um die großen Entwürfe – die sind längst gezeichnet. Es geht – immerhin auch ein wichtiges Thema – ums Geld.

Es ist naheliegend, die Effektivität von Veranstaltungen wie den UN-Klimakonferenzen an ihren Auswirkungen zu messen. Das Ziel der Konferenzen ist bekanntlich, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern um damit die Klimaerwärmung zu begrenzen. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Zur Zeit der ersten Klimakonferenz COP1 1995 in Berlin enthielt die Atmosphäre 360 parts per million (ppm) CO2, zur COP21 2015 in Paris waren es schon 402 ppm und zur COP29 in Baku waren es 422 ppm. Es ist ein ungebrochener stetiger Anstieg. Selbst die Pandemie konnte an diesem Anstieg nichts ändern. Auch im Jahr 2023 betrug der weltweite CO2-Ausstoß etwa 37,4 Milliarden Tonnen. Dies stellt einen Anstieg von 1,1 Prozent im Vergleich zu 2022 dar. Und die einzige Unbekannte bei dieser Betrachtung ist: Wie stark wäre der Anstieg wohl ohne die COP geworden?

Die COP29 fand in Aserbaidschan statt, einem ölexportierenden Land – und war damit Teil einer besonderen Interessenlage.

„Loss and Damage“ wurde auf der COP28 durch die betroffenen Staaten zu einem wichtigen Thema gemacht: Wie sind die Schäden durch den Klimawandel finanziell zu beziffern – und zu entschädigen? Als solches wurde das Thema auf der COP29 gar nicht mehr benannt.

Andere Beschlüsse aus den Ergebnissen der COP28 zum Thema „Übergang weg von den fossilen Brennstoffen“ wurden von einer Koalition der öl- und gasexportierenden Länder aus den Texten der COP29 entfernt und mussten mühsam wieder eingefügt werden.

Das war auch das Ergebnis der Geschäftsführung durch Aserbaidschan. Das Land ist aus naheliegenden Gründen nicht an einem schnellen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen interessiert. Es ist offensichtlich, dass nichts weiter voneinander entfernt sein könnte als die Inte­ressen der Staaten, die fossile Energieträger verkaufen, und der Staaten, die am meisten unter dem Klimawandel leiden.

Was am Ende in Baku blieb, war die Frage des Geldes.100 Milliarden, 250 Milliarden, 1.000 Milliarden? Wie viel Geld sollten die entwickelten Staaten den Ländern des globalen Südens als Ausgleich für den Schaden durch die Klimaveränderung und für Maßnahmen zum Klimaschutz zur Verfügung stellen? Und wer sollte zahlen? Und was genau sollte damit finanziert werden?

An der Frage des Geldes kam es zum Eklat und fast zum Abbruch der Konferenz. Außenministerin Annalena Baer­bock machte sich vorgeblich zur Anwältin der „kleinen Staaten“ gegen die Mafia der Ölstaaten und sprach von einem „Machtspiel“. Selbst der Streit um die Frage, ob Länder wie Indien und China Nettozahler werden sollen, trat in den Hintergrund.

In der schließlich erreichten Einigung stand ein Fonds, in den jährlich 300 Milliarden US-Dollar eingezahlt werden sollen. China, Indien und andere Länder „dürfen“ einzahlen – ob aber überhaupt 300 Milliarden pro Jahr zusammenkommen, bleibt fraglich. Nach den Erfahrungen mit ähnlichen Projekten in der Vergangenheit wird es wohl einige Jahre dauern, bis der Betrag zum ersten Mal tatsächlich erreicht wird.

Ein weiteres Ergebnis der Konferenz über den Handel mit Zertifikaten ist eher als kosmetische Verschönerung zu deuten. Diese Art des Emissionshandels dient Unternehmen dazu, sich durch erworbene Zertifikate die CO2-Einsparungen anrechnen lassen, die anderswo erreicht wurden. Reiche Staaten können sich so eine von der Realität völlig entkoppelte Klimaneutralität erkaufen.

Dennoch sehen Staaten wie die G7 (für die USA gilt das nur teilweise), dass Klimaschutz in ihrem Inte­resse liegt. Auch sie leiden unter Wetterextremen und müssen sich davor schützen. Aber vor allem, weil mit Klimaschutz Geld zu verdienen ist. Die internationale Energieagentur erwartet, dass 2024 die weltweiten Investitionen in „grüne Energie“ zum ersten Mal 2.000 Milliarden US-Dollar übersteigen werden. Diese Zahl relativiert auch die 300 Milliarden US-Dollar, die den Ländern des globalen Südens als Hilfe zugesagt wurden.

Und vielleicht noch wichtiger: Die Änderungen, die in globalen Machtverhältnissen, in Warenströmen und Ressourcen vor sich gehen. Einst waren es Gold und Silber, für die Länder erobert wurden, dann Öl und Gas. Den heutigen Reichtum bilden Lithium und andere der neuen Rohstoffe.

Viele der „kleinen Staaten“, aber auch Indien und andere Länder des globalen Südens fühlten sich auf der COP29 übergangen. Angesichts von Kriegen und Wirtschaftskriegen sind die Maßnahmen gegen den Klimawandel kein Ausdruck internationaler Zusammenarbeit, sondern Teil eines internationalen Machtpokers. Europa und die USA geraten dabei ins Hintertreffen. Für China ist die globale Dekarbonisierung längst zum nationalen Inte­resse geworden.

Die 29. UN-Klimakonferenz fand vom 11. bis zum 22. November des Jahres in der Hauptstadt Aserbaidschans, Baku, statt. Wie schon fast üblich, wurde sie bis zum 24. November verlängert, um überhaupt ein Ergebnis erzielen zu können.
Die COP28 hatte 84 000 Teilnehmer gesehen, die Teilnehmerzahl wurde diesmal auf 40 000 begrenzt.
Zur inhaltlichen Vorbereitung fand im April in Berlin der 15. Petersberger Klimadialog statt. Dabei standen die Vorbereitung konkreter nationaler Klimaschutzpläne und Formulierung von Zwischenzielen im Fokus.
1773 Lobbyisten für fossile Brennstoffe waren in Baku aktiv
Größte Affäre: der COP29-Hauptgeschäftsführer Elnur Soltanov wurde heimlich dabei gefilmt, wie er während eines Treffens potenzielle Investitionen in Aserbaidschans Öl- und Gasindustrie besprach. Soltanov – auch stellvertretender Energieminister Aserbaidschans – verteidigte die Rolle von Gas als „Übergangsbrennstoff“, sprach aber auch über Pläne, die Gasproduktion auszubauen.

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"Zeitverschwendung", UZ vom 29. November 2024



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