Das Monopolkapital bereitet zur Verhinderung seines Abstiegs den Krieg vor

Zeitenwende des Imperialismus

Mit seiner „Zeitenwende“-Rede hat Bundeskanzler Olaf Scholz nicht nur die Abkehr der SPD von der Politik der Verständigung hin zur Kriegsvorbereitung verkündet. Sie markierte gleichzeitig das Eingeständnis von Politik und Monopolkapital, dass sich die internationalen Kräfteverhältnisse zuungunsten des Imperialismus verschoben haben. Das US-Monopolkapital hatte den „Schwenk nach Asien“ schon zehn Jahre vorher unter Präsident Barack Obama vollzogen. Beides zeugt von tiefgreifenden Veränderungen der internationalen Kräfteverhältnisse, deren Ursachen in der ökonomischen Entwicklung zu suchen sind. Die DKP hat diese Entwicklungen in den letzten Jahren genau analysiert. Sie stellte dabei fest, dass es sich um wesentliche Änderungen handelt, die sich auf das Eingreifen der Kommunistinnen und Kommunisten auswirken. Die gravierenden ökonomischen, politischen, ideologischen und militärischen Entwicklungen sorgen für eine Beschleunigung der historischen Prozesse und erschüttern bisherige politische Konstellationen. Im Vorfeld ihres 26. Parteitags hat die DKP ihre Analyse in zehn Leitgedanken konzentriert. Sie dienen der inhaltlichen Vorbereitung des Parteitags und sollen in allen Gliederungen der Partei diskutiert werden. UZ wird die Diskussion unterstützen, indem sie einzelne Aspekte aufgreift. Auf dem Parteitag soll eine Vertiefung der Analyse erfolgen und – daraus abgeleitet – die Politik der Partei für die kommenden Jahre festgelegt werden.

Leitgedanke 1:
Die internationalen Verhältnisse befinden sich in einem rasanten, widerspruchsvollen Veränderungsprozess

Dem US-geführten Imperialismus droht ein ökonomischer und politischer Hegemonieverlust. Er versucht, diese für ihn ungünstigen Veränderungen aufzuhalten, indem er bisherige Herrschaftsmethoden ausdehnt (Kriege, Drohungen, Sanktionen, „regelbasierte Ordnung“), aber auch, indem er seine Verbündeten stärker in eine Politik zu seinen Gunsten zwingt. Das gemeinsame Interesse an der Machterhaltung des Imperialismus verdeckt die sich dadurch verstärkenden innerimperialistischen Widersprüche.

Dieser Prozess verstärkt sich wechselseitig mit dem Aufbruch zahlreicher bisher neokolonial und halbkolonial unterdrückter Länder. Mit BRICS beziehungsweise BRICS-Plus oder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) haben einige dieser Länder Zusammenschlüsse gebildet, die beginnen, Alternativen zu den derzeit vom Imperialismus dominierten beziehungsweise genutzten Strukturen (wie IWF, Weltbank, SWIFT) zu schaffen. Hier entwickelt sich in einem widersprüchlichen Prozess eine politische, ökonomische und militärische Zusammenarbeit kapitalistischer und sozialistischer Länder mit antiimperialistischem Charakter. Eine herausragende Rolle spielt dabei die VR China, die nicht nur ökonomisch einen Widerpart zum US-geführten Imperialismus bildet, sondern als „Systemkonkurrent“ für diesen eine politische, geradezu existenzielle Bedrohung darstellt. Mit seinen diplomatischen und ökonomischen Initiativen erlangt China weltweit zunehmend Anerkennung und ist damit der Motor für die Herausbildung einer multipolaren Weltordnung.

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Unaufhaltsamer Abstieg: Anteil des BIP der G7-Staaten und BRICS-Plus-Länder nach Kaufkraftparität an der Weltwirtschaft (Foto: Platonihin / Wikimedia / CC BY 4.0 / Bearb.: UZ)

Leitgedanke 2:
Die Weltkriegsgefahr steigt

Die imperialistischen Länder unter der Führung der USA müssen im Kampf gegen ihren Hegemonieverlust auf Gewalt und Krieg setzen, da ihre unbeschränkte wirtschaftliche Dominanz vorbei ist. Sie bereiten einen offenen Krieg gegen Russland und China vor. Das Hauptinstrument dazu ist die NATO.

Der Krieg in der Ukraine ist ein Stellvertreterkrieg der NATO gegen die Russische Föderation mit einer Stoßrichtung gegen die VR China. Die permanente Eskalation dieses Krieges durch den Imperialismus vergrößert die Gefahr seiner Ausweitung zum Dritten Weltkrieg und/oder zu einem Atomkrieg.

Der Krieg Israels gegen die Palästinenser, der im Gazastreifen ein Völkermord ist, droht weiter zu eskalieren und zeigt die ganze Unmenschlichkeit der imperialistischen Länder, die sich als Hüter der Menschenrechte inszenieren.

Für die imperialistische Gewaltherrschaft stehen weiter Wirtschaftskriege und völkerrechtswidrige Sanktionen sowie die Zuspitzung der Taiwan-Frage und regionaler Konflikte. Die Außenpolitik der USA schürt diese Konflikte, schafft laufend neue Krisenherde und führt damit eine instabile Weltsituation herbei, aus der die USA als Sieger hervorgehen wollen – so wie aus dem Zweiten Weltkrieg und aus der Konkurrenz mit dem sozialistischen Lager. Auf der anderen Seite setzt sich vor allem China für Verhandlungen in den brennenden Konflikten ein, orientiert auf Ausgleich und Zusammenarbeit und entwickelt Friedenspläne. China übernimmt mehr und mehr die Rolle eines anerkannten Vermittlers.

Leitgedanke 3:
Der deutsche Imperialismus: Unterordnung und Dominanz

Der deutsche Imperialismus ordnet sich dem Konfrontationskurs der USA gegen Russland und China bewusst unter. Er nimmt ökonomische Probleme wie bei der Gasversorgung und die damit verbundene Erhöhung der Energiepreise billigend in Kauf. Dabei hält er seine langfristigen Weltmachtambitionen aufrecht. Dafür benötigt er die Europäische Union mit dem Euro unter seiner Führung. Die Dominanz des europäischen Marktes ist die ökonomische Voraussetzung seiner Ambitionen. Das deutsche Monopolkapital macht entscheidende Anteile seines Profits in China. Deshalb ist der Kurs des Wirtschaftskriegs gegen China in der deutschen Politik umstritten.

Derzeit ist der deutsche Imperialismus militärisch zu schwach, um seine Weltmachtansprüche durchzusetzen. Dazu braucht er auch die NATO und rüstet deshalb im eigenen Interesse massiv auf. In der EU konkurriert der deutsche Imperialismus mit dem französischen Imperialismus um die Vormachtstellung. Letzterer ist derzeit ökonomisch schlechter gestellt, besitzt aber Atomwaffen, welche Deutschland auf dem Weg zur Weltmacht fehlen. Gleichzeitig gelingt es beiden imperialistischen Staaten nur gemeinsam, die Hegemonie in der EU zu behaupten. Sie kämpfen dabei sowohl gegen die Widersprüche, die aus der Politik beider Staaten gegenüber den anderen EU-Mitgliedern entstehen, als auch gegen die von den USA in die EU getragene Spaltung.

EU und NATO sind imperialistische Organisationen, in denen sowohl Widersprüche ausgetragen als auch gemeinsame Strategien entwickelt werden. Es scheint sich dort – unabhängig vom jeweiligen politischen Personal – eine Strategie der Arbeitsteilung in der Kriegsvorbereitung gegen Russland und China abzuzeichnen: Die EU mit Deutschland und Frankreich an der Spitze konzentriert sich auf Russland, während die USA ihre Kräfte gegen China richten.

Leitgedanke 4:
Kriegswirtschaft: Die Massen sollen zahlen

Die Bundesregierung nimmt für die Kriegstüchtigkeit zusätzliche Schulden auf (Kriegskredite). Sie nennt dies „Sondervermögen“. Durch die Preissteigerungen der vergangenen Jahre sind die Reallöhne geschrumpft; Konzerne nutzten sie zur Erzielung von Extraprofiten. Das hat die Umverteilung von unten nach oben weiter vorangetrieben.

Durch die angekündigte Erhöhung des Rüstungshaushalts wird es weitere Einkommenseinbußen und Umverteilungen zulasten der Massen geben. Bereits heute haben wir es mit Massenarmut und Ausgrenzung von immer mehr Menschen von der sozialen und kulturellen Teilhabe zu tun. Während die Schuldenbremse zum Kahlschlag der Sozialetats genutzt wird, hat die Diskussion begonnen, sie für die Aufrüstung auszusetzen.

Der Imperialismus erweist sich auch als völlig unfähig, Konzepte gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zu entwickeln und die erforderlichen umweltpolitischen Maßnahmen einzuleiten. Aufrüstung und Kriegsvorbereitung verschlingen die finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen, die in diesem Bereich dringend benötigt würden. Die Folgekosten des kapitalistischen Raubbaus an der Natur wälzen die Herrschenden ebenfalls auf die Massen ab.

Leitgedanke 5:
Deutschland auf Kriegskurs – Die Integration der Beherrschten

Den in Deutschland Herrschenden ist es gelungen, mit einer Politik des „Teile und herrsche“ einen scheinbar breiten gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich ihrer militaristischen und demokratiefeindlichen Politik herzustellen.

Im Bundestag herrscht weitgehend Einigkeit in den zentralen Fragen: Waffenlieferungen an die Ukraine (Ausnahme BSW und AfD), NATO-Mitgliedschaft, Rüstungsexporte, Aufrüstung und Rolle der Bundeswehr (Ausnahme BSW und teilweise „Die Linke“). Ebenso bei der Umverteilung zugunsten der Monopole und Superreichen und beim Abbau der sozialen Sicherungssysteme sowie der Bildung, Gesundheit und Infrastruktur (Ausnahme BSW und „Die Linke“). In der Flüchtlingspolitik setzen alle Parteien auf Abschiebung, Abschottung und gezielte Abwerbung von Fachkräften (Ausnahme „Die Linke“).

Die Angriffe erfolgen dabei nicht zeitgleich, sondern zeitversetzt. Die Herrschenden versuchen, Klassen sowie Schichten und Abteilungen der Werktätigen – etwa Arme und Arbeitslose – gegen den beschäftigten Teil der Arbeiterklasse auszuspielen. Sie setzen zur Spaltung besonders auf die Asyl- und Migrationsdebatte, die von allen bürgerlichen Parteien transportiert wird. Forderungen nach Schließung der Grenzen lenken dabei ebenso wie solche nach offenen Grenzen von den in der imperialistischen Kriegs- und Ausbeutungspolitik begründeten Fluchtursachen ab.

Die Herrschenden gehen dabei durchaus strategisch vor. In der Kriegsvorbereitung setzen sie vor allem auf die Indoktrination der Jugend und die Werbung für „attraktive Berufe“ bei der Bundeswehr. An Schulen wird mit Auftritten von Jugendoffizieren und Unterrichtsmaterial eine imperialistische Sichtweise auf die weltweiten Veränderungen in die Köpfe gehämmert. Vor allem auf junge Menschen zielt der komplette Propagandaapparat: Kurzfristige, individualistische Bedürfnisbefriedigung wird gepredigt, gesellschaftlich-historische Sichtweisen sollen zurückgedrängt werden. Es soll verhindert werden, dass junge Menschen die Interessen ihre Klasse erkennen – stattdessen sollen sie sich denen des Monopolkapitals unterordnen.

Gleichzeitig schaffen Kapital und Politik Instrumente wie etwa die Inflationsausgleichsprämie, um einen Teil der Arbeiterklasse ruhigzustellen. Hier haben vor allem die eng mit der Politik verbundenen Gewerkschaftsführungen ihre Aufgabe. Zusätzlich versuchen diese den Druck auf die Beschäftigten durch Kompromisse mit dem Kapital zu lindern. Hierzu zählen etwa Verzichtsvereinbarungen zur Stärkung des „eigenen Standorts“ gegen die Konkurrenz.

Mit dem gemeinsamen Papier vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, vom SPD-Wirtschaftsforum und von Teilen der IG-Metall-Führung wird der Ausbau der Rüstungsproduktion als Lösung für die kriselnde Wirtschaft propagiert. Darüber hinaus werden Beschäftigen aus Branchen, die Stellen abbauen (Automobilindustrie, Maschinenbau), Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie schmackhaft gemacht.

Mit den klassischen Medien und den sozialen Medien steht den Herrschenden ein umfangreicher Apparat zur Verbreitung ihrer Propaganda zur Verfügung. Unterstützt werden sie von zahlreichen NGOs wie Stiftungen und Meinungsorganisationen. Durch verordnete Sprachregelungen soll abweichendes Denken schon im Ansatz verhindert werden. Prinzipien des bürgerlichen Journalismus werden gerade auch von den „öffentlich-rechtlichen“ Medien unterlaufen. Verstärkt werden diese Prozesse durch den wirtschaftlichen Druck auf die Redaktionen.

Leitgedanke 6:
Deutschland auf Kriegskurs – Die Formierung der Gesellschaft

Doch die Menschen merken, dass die Realität mit der verbreiteten Propaganda immer weniger übereinstimmt. Viele Dinge des täglichen Lebens funktionieren nicht mehr wie erwartet, und die Probleme der Menschen werden größer. Die traditionelle Parteienlandschaft und die Medien verlieren an Bindungsfähigkeit. Damit die Menschen keinen Ausweg entdecken, werden Abweichungen vom vorgegebenen Meinungskorridor abgestempelt und ausgegrenzt. Zusätzlich werden Gesetze verschärft und immer repressiver angewendet. Damit wird ein Klima der Angst erzeugt und das Duckmäusertum sowohl in den Repressionsorganen als auch bei Medien oder Schulen verstärkt.

Große Teile der Bevölkerung wurden formiert zu einem gegen die AfD gerichteten vermeintlichen „Antifaschismus“ – bei Befürwortung von Kriegspolitik und Umverteilung. Der Faschismus wird dabei von seinem Zusammenhang mit dem Imperialismus losgelöst, Krieg seiner Ursachen entledigt und die repräsentative Demokratie als bestmögliche Staatsform verkauft. Diese Art von Ablenkung vom wirklichen Gegner, dem Monopolkapital, soll zugleich Möglichkeiten zur ideologischen Verteidigung des Kapitalismus schaffen.

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Mit klaren Aussagen tut sich die Friedensbewegung mitunter schwer. Anders hier auf der Friedensdemo am 25. November 2023 in Berlin. (Foto: Uwe Bitzel / R-mediabase)

Kundgebungen zur Palästina-Solidarität werden mit dem Antisemitismus-Vorwurf verboten, Protestierende verfolgt. Solidarischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sollen ihre finanziellen Grundlagen entzogen werden.

Seit der Corona-Pandemie werden verstärkt Meinungsdelikte verfolgt. Auf Demonstrationen wird die Fahne der So­wjet­union verboten. In diesem Zusammenhang kommt es auch wieder zu Berufsverboten. In Brandenburg wurden sie mit dem gesetzlichen „Verfassungstreue-Check“ schon wieder möglich gemacht. Die neuen Versammlungs- und Polizeigesetze haben repressiven Charakter. In Bayern wurde das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“ verabschiedet, das auf die Kriegsertüchtigung von Kindern und Jugendlichen zielt und dem bundesweit eine Vorreiterrolle zukommt. Mit dem „Demokratieförderungsgesetz“ werden Konstrukte wie der Tatbestand der „Delegitimierung des Staates“ eingeführt. Immer mehr wird versucht, die Repressionsmöglichkeiten des bürgerlichen Staates durch Präventivmaßnahmen zu ergänzen, die die politische Meinungsfreiheit weiter einschränken.

Viele dieser Maßnahmen werden bei Randgruppen oder bei Groß­events ausprobiert. Oft finden sie als Erstes bei Geflüchteten Anwendung, etwa hinsichtlich der Abwicklung von Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Dies wird Prinzipien des bürgerlichen Rechtsstaats komplett aushebeln.

Leitgedanke 7:
Militarismus und ­Faschismus – immer im Interesse des Monopolkapitals

Die Herstellung der geschlossenen Heimatfront des deutschen Imperialismus hat eine neue Form angenommen. Die sich zuspitzenden sozialen Widersprüche werden von Angriffen auf die demokratischen Rechte begleitet. Wir charakterisieren dies als reaktionär-militaristischen Staatsumbau. Dabei gibt sich der deutsche Imperialismus einen demokratischen Anstrich und behauptet, er sei der „Antifaschismus“ – nach innen wie nach außen. Krieg sei nötig, um die „Demokratie“ gegen die „totalitären Herrscher“ zu verteidigen. Ebenso wird der Kampf gegen „rechts“ instrumentalisiert, um dem Militarismus ein demokratisches Mäntelchen zu verpassen.

Deutschland blickt auf eine lange militaristisch-reaktionäre Vergangenheit zurück. Der deutsche Imperialismus – das deutsche Monopolkapital – schreckte nicht vor einer faschistischen Herrschaftsform zurück. Derzeit braucht der deutsche Imperialismus keine faschistische Herrschaftsform, behält diese Variante aber stets als Option in der Hinterhand. Die Notwendigkeit, zu einer faschistischen Herrschaftsform überzugehen, also die für das Monopolkapital stabilere bürgerliche Demokratie abzuschaffen, erwächst aus den Interessen des Imperialismus. Der Hitlerfaschismus wurde für den reaktionärsten, chauvinistischsten und imperialistischsten Teil des deutschen Monopolkapitals notwendig, weil es den Krieg wollte und brauchte. Dazu musste der Widerstand vor allem in der Arbeiterklasse gebrochen und eine Kriegswirtschaft geschaffen werden.

Leitgedanke 8:
Die Kräfte des Widerstands: zu schwach, zu zersplittert – aber vorhanden

An zahlreichen Punkten sorgt die Politik des Klassenkampfs von oben für Empörung bei den Betroffenen. Durch die verschärften Angriffe auf die Lebensbedingungen und die weitgehend verschwiegene Unsicherheit der Existenz wächst die Unzufriedenheit der Menschen und damit das Potenzial der Widerstandskräfte, sich mit dieser Entwicklung nicht abzufinden.

Die Arbeiterbewegung mit ihren Gewerkschaften ist bei ihrem „Kerngeschäft“, den Lohn- und Verteilungskämpfen, (weiterhin) präsent. Die Hans-Böckler-Stiftung stellt fest: „Vor dem Hintergrund historisch hoher Inflationsraten hat sich der Verteilungskonflikt deutlich intensiviert.“ Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) analysiert ergänzend, „dass das Klima in Tarifauseinandersetzungen im ersten Quartal dieses Jahres deutlich rauer geworden ist“. Die Streiks der Beschäftigten in den öffentlichen Diensten (Bahnen, Nahverkehr, Kitas) brachten die Herrschenden so in Rage, dass gleich der Ruf nach Einschränkungen des Streikrechts laut wurde. Wichtige Erfahrungen wurden im Kampf um den „Tarifvertrag Entlastung“ der Beschäftigten im Gesundheitswesen gesammelt.

In Ansätzen gibt es auch gewerkschaftliche Aktivitäten, die jenseits dieses „Kerngeschäfts“ oppositionelle Politik entwickeln. Dafür steht zum Beispiel die Unterschriftensammlung der Initiative „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ gegen Waffenexporte und für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg.

Darüber hinaus setzen sich Menschen in sozialen Bewegungen, Friedensinitiativen und Umweltgruppen für ihre Interessen ein und sammeln Erfahrungen in und mit diesem System. Die Mieterbewegung stellt sogar die Eigentumsfrage.

Doch durch die ideologische und organisatorische Schwäche der Arbeiterbewegung und ihre Einbindung in die aggressive Politik des Imperialismus findet die Widerspruchsverarbeitung nur im Rahmen der Ideologie des Imperialismus statt. So gelingt es den Herrschenden, die Werktätigen gegen ihre eigenen Interessen in Stellung zu bringen.

Teile der Arbeiterklasse können durch den monopolistischen Extraprofit korrumpiert und materiell an das System gebunden werden. Die Veränderung der internationalen Kräfteverhältnisse wird als Bedrohung dieses relativen Wohlstands wahrgenommen. Hier liegen die sozialen Ursachen für Eurozentrismus und westliches Herrenmenschentum. Diese ideologischen Konzepte nutzen die Herrschenden zur Einbindung der Menschen in ihre Politik gegenüber China und Russland, aber auch afrikanischen Staaten.

Dass viele Menschen auf der Suche nach Antworten auf ihre Probleme und Fragen sind, drückt sich nicht nur in ihrem Wahlverhalten aus. Gerade im Osten wehren sich Menschen gegen die Kriegs- und Krisenpolitik der Ampelregierung. Der Gewerkschafts- und Friedensbewegung gelingt es bisher noch nicht, führend in diesen Auseinandersetzungen aufzutreten – dies vor allem, weil die von den Herrschenden verbreiteten Spaltungslinien „Russenhass“ und „Rechtsoffenheit“ noch nicht überwunden wurden.

Leitgedanke 9:
Zustand der Arbeiterklasse: Wenig Klassenbewusstsein, schlecht organisiert

Der Arbeiterklasse mangelt es an Klassenbewusstsein und sie kämpft daher zu wenig. Ohne Kämpfe ist die Bildung von Klassenbewusstsein deutlich erschwert. In der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit geht es nur noch am Rande um den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. Bei Tarifforderungen geht es mehr um den „verteilungsneutralen Spielraum“ als um Umverteilung zugunsten der Arbeiterklasse. Große Teile der Arbeiterklasse fühlen sich der jahrzehntelang eingeübten Sozialpartnerschaft verpflichtet und sind – wenn überhaupt – nur in diesem Rahmen bereit, aktiv zu werden. Das mangelnde Klassenbewusstsein hat besonders fatale Folgen in der Frage von Krieg und Frieden. Den Herrschenden ist es gelungen, in die seit Jahren stabile Ablehnung von Krieg und Aufrüstung eine Bresche mit dem Russenhass zu schlagen. Dass „Putin“ an allem schuld sei, ist gängiges Erklärungsmuster auch bei den Gewerkschaften. Die Propaganda gegen „Faulenzer“ und Arme bei Angriffen auf die sozialen Sicherungssysteme verfängt häufig auch in der Arbeiterklasse. Es wird nicht reflektiert, dass sich die Angriffe im Kern gegen die Arbeiterklasse insgesamt richten. Viele Menschen, auch aus der Arbeiterklasse, betrachten die Migranten nur als Konkurrenten und nicht als Verbündete im Klassenkampf.

Vereinzelung und Isolierung der Menschen, Individualismus und Versicherungsmentalität führen dazu, dass Organisierung und gemeinsames Handeln der Werktätigen unterentwickelt sind. Wenn Menschen in Bewegung kommen, dann häufig zu einzelnen Fragen, die nicht in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gebracht werden.

Leitgedanke 10:
Die DKP – unbeirrt und notwendig!

Die DKP ist durch Wissen und Erfahrung davon überzeugt, dass der deutsche Imperialismus für seinen Kriegskurs auf die Einbindung der Arbeiterklasse angewiesen ist. Das stellt zugleich seine Achillesferse dar. Für eine Verringerung der Kriegsgefahr ist die Herauslösung von größeren Teilen der Arbeiterbewegung aus ihrer Integration in die Politik des Imperialismus unumgänglich.

  • Wir stemmen uns gemeinsam mit allen gegen den Kriegskurs der Regierung, die ehrlich für den Frieden eintreten.
  • Wir stemmen uns gemeinsam mit allen gegen den sozialen Kahlschlag der Regierung, die ehrlich für sozialen Fortschritt eintreten.
  • Wir stemmen uns gemeinsam mit allen gegen den Abbau demokratischer Rechte durch die Regierung, die ehrlich für Demokratie eintreten.
  • Wir wenden uns gegen die Gleichsetzung von Kapitalismus und Demokratie. Dennoch werden wir die bürgerliche Demokratie gegen die Aufrichtung der faschistischen Herrschaft des Monopolkapitals verteidigen.

Wir sehen derzeit weder Regierungs- noch parlamentarische Konstellationen, die eine Chance auf die Abkehr von der aggressiven Politik des deutschen Imperialismus nach außen und innen beinhalten. Es folgt aus unserer Sicht zwingend, dass nur durch eine außerparlamentarische Bewegung, die dann möglicherweise auch das Parteiensystem verändert und neue Regierungskonstellationen ermöglicht, eine Umkehr des heutigen, verheerenden Kurses möglich ist.

Wenn wir für einen Wechsel in der gegenwärtigen Politikausrichtung Deutschlands eintreten – weg von der Unterordnung unter die Interessen des US-Imperialismus und hin zu einer konstruktiven Mitarbeit an der Neugestaltung der internationalen Beziehungen –, so verkennen wir nicht, dass dieser Wechsel innerhalb des kapitalistischen Systems stattfinden würde, jedoch auch die Bedingungen für den Kampf der Klasse verbessern würde.

Wir wissen, dass für die grundlegenden Lösungen der Menschheitsfragen die Ablösung des kapitalistischen Wirtschaftssystems und die Übernahme der politischen Macht durch die Arbeiterklasse unumgänglich sind, um die wichtigsten Produktionsmittel zu vergesellschaften und eine geplante Wirtschaft aufzubauen. In diesem Sinne kämpfen und werben wir für unsere politische Perspektive, den Sozialismus. Im Mittelpunkt der politischen Arbeit der DKP steht die Aufgabe, das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse zu entwickeln und ihre gesellschaftsgestaltenden Kräfte zu entfalten.

Diese strategische Orientierung wird die DKP mit dem geplanten Antrag zur Handlungsorientierung an den 26. Parteitag diskutieren, konkretisieren und weiterentwickeln.

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"Zeitenwende des Imperialismus", UZ vom 16. August 2024



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