In Brandenburg wird Widerstand gegen Militarisierung und wachsende Kriegsgefahr organisiert

Zeichen für den Frieden

Am 17. Juni, mitten im Zeitraum des Luftkriegsmanövers „Air Defender 23“, findet in Brandenburg an der Havel der „Tag der Bundeswehr“ statt. Dominik Mikhalkevich ist Sprecher des Bündnisses für Frieden Brandenburg. UZ sprach mit ihm über die Selbstdarstellung der Bundeswehr, die Auswirkungen des Manövers auf die Bevölkerung und die zentrale Protestkundgebung, zu der auch die DKP aufruft.

UZ: Am Samstag der kommenden Woche soll bei euch der „Tag der Bundeswehr“ stattfinden. Was verbirgt sich dahinter?

Dominik Mikhalkevich: Der „Tag der Bundeswehr“ ist eine jährliche Werbever­anstaltung der Bundeswehr. Dieses Jahr findet er an zehn verschiedenen Standorten in Deutschland statt. Der einzige Standort in den neuen Bundesländern ist die Stadt Brandenburg an der Havel, wo wir als Bündnis aktiv sind. Die Bundeswehr will sich jungen Leuten als attraktiver Arbeitgeber darstellen. Dazu soll die modernste Kriegstechnik präsentiert werden. Doch es ist auch schon klar, dass in diesem Jahr nicht nur gezeigt werden soll, wie toll die Bundeswehr ist. In der Ankündigung wird ein starker Fokus auf die NATO und das verstärkte Engagement Deutschlands als „Führungsnation der NATO-Speerspitze“ gelegt. Schon diese militaristische Wortwahl gibt zu denken und erinnert nicht gerade an die besten Zeiten der deutschen Geschichte. Auch die sogenannte „Zeitenwende“ und die damit verbundene Aufrüstung werden positiv dargestellt. Gegen all das wollen wir ein starkes Zeichen setzen. Da Brandenburg der einzige Standort in Ostdeutschland ist, haben wir auch eine zentrale ostdeutsche Kundgebung dagegen ins Leben gerufen, die in direkter Nähe, also in Hörweite der Bundeswehr, stattfindet.

UZ: Während die Bundeswehr für sich wirbt, wird mit „Air Defender 23“ der dritte Weltkrieg geprobt. Der ostdeutsche Luftraum ist eines der Hauptgebiete des Manövers. Was kommt da auf die Menschen zu?

Dominik Mikhalkevich: Es handelt sich um das größte in Europa abgehaltene Luftmanöver der NATO-Geschichte. Bis zu 10.000 Soldaten und knapp 250 Flugzeuge aus 24 Ländern werden daran teilnehmen. Zunächst einmal ist eine hohe Lärmbelastung zu erwarten. An jedem Werktag, an dem dieses Manöver stattfindet, muss sich die Bevölkerung auf vier zusätzliche Stunden Fluglärm einstellen. Der Sprecher des Berliner Flughafens (BER) hat außerdem angekündigt, dass es starke Einschränkungen für den zivilen Flugverkehr geben wird. Es sind also auch Menschen betroffen, die im Sommer in den Urlaub fliegen wollen und das ganze Jahr darauf hingearbeitet haben, sich ein oder zwei Wochen erholen zu können. Sie werden mit Ausfällen und Verzögerungen rechnen müssen. Und wir sollten auch den Umweltaspekt nicht vergessen. Nach Angaben der Bundeswehr, und das sind sicherlich die konservativsten Schätzungen, die es dazu gibt, werden durch das Manöver über 35.000 Tonnen CO2 zusätzlich ausgestoßen. Da stellen wir doch klar die Frage an die „Grünen“: Wenn euch die Umwelt so wichtig ist, warum protestiert ihr dann nicht mit uns gegen dieses Manöver? Das Hauptproblem ist natürlich, dass das Manöver mit einer Steigerung der Kriegsgefahr einhergeht.

UZ: Das ist ein wichtiger Punkt. Der Bevölkerung soll weisgemacht werden, es handele sich um eine harmlose Übung oder eine Art Geländespiel …

Dominik Mikhalkevich: Es ist doch so: Je weiter östlich man solche „Kriegsspiele“ veranstaltet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es durch einen menschlichen Fehler zu einer kriegerischen Eskalation kommen kann. Wie schnell so etwas gehen kann, haben wir gesehen, als eine ukrainische Rakete versehentlich in Polen runtergekommen ist. Sofort gab es Aufregung und es wurde gefragt, ob jetzt der NATO-Bündnisfall eintritt. Es gab auch schon zahlreiche Beinahe-Zusammenstöße von russischen Flugzeugen und NATO-Luftfahrzeugen. Die andere Frage ist: Welches Signal sendet man aus? Natürlich ein Signal der Konfrontation! Dabei wäre es doch notwendig, ein Signal der Entspannung zu senden, anstatt weiter zu provozieren. Auch das erhöht die Kriegsgefahr. Wenn man schon unbedingt an so einem Manöver festhalten möchte: Warum macht man es nicht in West-Europa? Wenn es doch der Verteidigung dienen soll, könnte man auch in Frankreich oder Spanien üben. Aber so weit östlich ist es in dieser angespannten Situation für mich kein Verteidigungsmanöver.

UZ: Am 17. Juni ab 13.00 Uhr findet die zentrale Protestkundgebung gegen das Manöver und gegen den „Tag der Bundeswehr“ in Brandenburg statt. Wie lauten die wichtigsten Forderungen?

Dominik Mikhalkevich: Wir stellen uns gegen die „Zeitenwende“ der Bundesregierung. Wir brauchen eine andere Zeitenwende: eine für Frieden und Abrüstung, das ist die Hauptforderung.

230502 Interview Portrait - Zeichen für den Frieden - Air Defender 2023, Brandenburg an der Havel, Tag der Bundeswehr - Politik

Wir sind ein breites Bündnis, an dem viele Organisationen beteiligt sind. Unser Konsens ist, dass wir den sofortigen Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO fordern. In den politischen Strukturen der NATO muss Deutschland auch unter Nutzung des Vetorechts Kampfeinsätze verhindern und langfristig auf eine Auflösung der NATO hinarbeiten, um ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands zu ermöglichen. Außerdem fordern wir die Kündigung von Stationierungsabkommen und den Abzug von ausländischen Truppen auf deutschem Boden. Das schließt auch den Abzug der US-Atomwaffen und den Verzicht auf die nukleare Teilhabe mit ein.

Zum „Tag der Bundeswehr“ fordern wir, dass alle Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet werden. In Artikel 87a des Grundgesetzes ist klar festgehalten, wofür die Bundeswehr da ist: für die Landesverteidigung und für den Bevölkerungsschutz auf deutschem Hoheitsgebiet. Das ist uns wichtig zu betonen: Wir machen keine „Hetz-Demo“ gegen die Bundeswehr und wir stellen keine absurden Forderungen auf. Wir wollen, dass die Bundeswehr auf den Boden des Grundgesetzes zurückkehrt und ihrem Verfassungsauftrag entsprechend handelt. Wir haben auch nichts gegen die einfachen Soldaten. Im Gegenteil: Es handelt sich um junge Menschen, die als Kriegsmasse verscherbelt und bei Kampfeinsätzen als erste in den Tod geschickt werden – wir stellen uns dagegen.

UZ: Was für ein Programm habt ihr geplant?

Dominik Mikhalkevich: Es wird breit mobilisiert. Wir erwarten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen ostdeutschen Bundesländern, aber zum Beispiel auch aus Niedersachsen. Das Programm ist sehr abwechslungsreich. Wir konnten sehr gute Redner zum Thema Frieden gewinnen, aber auch der soziale Aspekt wird nicht vergessen. Es ist wichtig, sichtbar zu machen, dass die Kriegs- und Rüstungspolitik viele Menschen direkt trifft und ärmer macht. Hauptredner wird der Bundestagsabgeordnete und Wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion Christian Leye sein. Dr. Alexander Neu wird seine sicherheitspolitische Expertise einbringen. Der Friedensaktivist Reiner Braun und der Gewerkschafter Gotthard Krupp werden ebenfalls sprechen. Die Moderation übernimmt Jutta Kausch-Henken von der Friko Berlin. Aber es wird nicht nur Wortbeiträge geben, sondern auch Musik. Tino Eisbrenner, der der Friedensbewegung schon lange verbunden ist und der auch aktuell mit seinen musikalischen Mitteln für den Frieden in Europa wirbt, wird für uns spielen. Auch Linda Kraenkova, eine deutsch-syrisch-belarussische Hiphop-Sängerin, wird ihre sehr guten Lieder zum Thema Frieden vortragen.

UZ: Abgesehen davon, dass alle aufgerufen sind, zu der Kundgebung zu kommen: Wie kann man das Bündnis für Frieden noch unterstützen?

Dominik Mikhalkevich: Wir werden als Friedensbündnis von den etablierten Medien, zum Beispiel von der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ und anderen, totgeschwiegen. Obwohl wir große Kundgebungen auf die Beine stellen, wird, wenn überhaupt, nur sporadisch oder abwertend berichtet. Wir sind auf Mundpropaganda angewiesen, also darauf, dass Menschen, die dieses Interview lesen, Infos weitergeben. Nur so können wir eine Gegenöffentlichkeit für den Frieden schaffen und den medialen Einklang, der sehr auf die militärische Konfrontation ausgerichtet ist, umgehen. Das ist mein Aufruf an die Leserinnen und Leser der UZ!

Weitere Termine gibt es im Terminkalender des Netzwerks Friedenskooperative.

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"Zeichen für den Frieden", UZ vom 9. Juni 2023



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