Aus der „Position“ 4/18, dem Magazin der SDAJ. Die „Position“ ist im UZ-Shop erhältlich.
In Niedrigzins-Zeiten sind die Milliardäre der Welt auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten. „Betongold“ ist da ein sehr beliebtes Produkt der Finanzindustrie. Immobilieninvestment boomt; Aktiengesellschaften, die auf dem Wohnungsmarkt zuschlagen, sind eine gefährliche Neuerscheinung.
In Berlin gab es in den 1990er Jahren genug Wohnraum. Das lag zum einen an der DDR, die mit ihrer Wohnungspolitik dafür sorgte, dass ihren Bürgern die Wohnung quasi geschenkt wurde. Und in die „Frontstadt“ Westberlin wollte dauerhaft kein Mensch freiwillig ziehen. Die Mieten waren billig. So wurde Berlin zur attraktiven Stadt für Studenten, Künstler oder „Freaks“ aus aller Welt. Der „Berlin-Hype“ hält an: um bis zu 60 000 Menschen wächst die Stadt jedes Jahr. Parallel dazu hat die Politik die Mietpreise systematisch in die Höhe getrieben: durch den Abriss Tausender als „DDR-Plattenbausiedlungen“ verbrämter Wohnhäuser oder durch das Verramschen öffentlicher Wohnungsbestände an private Investoren. Mittlerweile herrscht Wohnraummangel.
Da treten die relativ neuen Immobilien-AGs auf den Plan (z.B. Deutsche Wohnen AG, eine Gründung der Deutschen Bank). Solche Aktiengesellschaften fühlen sich allein ihren Anlegern verpflichtet, versprechen schnelle und hohe Wertsteigerung. Dabei sind diese Akteure besonders skrupellos. Besonders beliebt: Zwangsräumungen – dafür reichen bereits geringe Mietrückstände aus. Betroffene haben hier schlechte Chancen, denn normalerweise wissen sie nicht, was zu tun ist. Und die Konzerne zahlen Staranwälte aus der Portokasse und scheißen auf ihren ohnehin schon ruinierten öffentlichen Ruf, da sie eben ausschließlich auf ihre Gewinnmargen achten.
Zwangsräumung ist die krasseste Form der Bevölkerungsverdrängung: So kann die Wohnung neu vermietet werden, und das ermöglicht eine höhere Miete als zuvor. Durch die Menge an Zwangsräumungen wird aber auch ein anderer Effekt deutlich. Es gibt erstaunlich viele Fälle: 2012 fanden 25 000 Zwangsräumungen in der BRD statt, nicht gezählt sind dabei jene Mietparteien, die während eines laufenden Räumungsverfahrens, also vor der Zwangsräumung, ausgezogen sind. In Berlin gab es 2017 durchschnittlich 10 Zwangsräumungen pro Tag. Das bedeutet, dass über kurz oder lang ganze Bevölkerungsgruppen, die sich die steigenden Mieten nicht länger leisten können, aus ihren angestammten Stadtteilen verdrängt werden. Das bedeutet aber auch, dass diese kaum eine neue Wohnung in der Stadt finden und wegziehen müssen. Es sind vor allem Hartz-IV-Bezieher, aber auch Werktätige mit geringen Einkommen. Die Zahl der Obdachlosen nimmt drastisch zu, sie sind auch im Stadtbild zunehmend „normal“ geworden.