Bolivien: Kann Evo Morales erneut als Präsident zur Wahl antreten?

Zehn Jahre erfolgreicher Wandel

Von Günter Pohl

Seit dem ersten Amtsantritt von Evo Morales als Präsident des südamerikanischen Andenstaats Bolivien waren am 22. Januar zehn Jahre vergangen. Erstmals hatte damit ein Nachfahre der Ureinwohner Amerikas ein Präsidentenamt gewonnen. Eine der ersten Reaktionen von Evo Morales nach dem 54 Prozent-Sieg am 18. Dezember 2005: „Jetzt kann ich an der Seite Fidels für soziale Gerechtigkeit kämpfen!“

Dieser wird gewiss mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass Bolivien zehn Jahre später noch immer innenpolitisch für die langsame, aber kontinuierliche Verbesserung der Lebensumstände der Mehrheiten sorgt und außenpolitisch den Weg der Souveränität geht. Dabei waren die alten Eliten in den ersten Jahren äußerst widerspenstig, fürchteten sie doch nach den Nationalisierungen der Energieträgervorkommen im Jahr 2006 den Verlust diverser Privilegien. Vor allem mit der Spaltung des Landes in die fünf Provinzen des westlichen Hochlands mit extrem starker indigener Prägung und das „weißere“ und vor allem gasreiche östliche Tiefland mit seinen vier Provinzen, wegen der geographischen Anordnung „Halbmond“ genannt, drohten die Besitzenden. Aber Evo Morales setzte sich nicht nur in diesen, auch tödlichen Auseinandersetzungen durch, sondern gewann – gestützt auf die über siebzigprozentige ethnische Mehrheit – immer wieder auch Abstimmungen deutlich, darunter ein Amtsenthebungsverfahren (67,4 Prozent im August 2008) sowie die Präsidentschaftswahlen im Dezember 2009 (64,1 Prozent) und im Oktober 2014 (61,4 Prozent).

Mit geschickten Maßnahmen konnten Morales und sein Stellvertreter Álvaro García den Rechten politisches Terrain sogar in den deren Hochburgen streitig machen; dazu gehörten aber auch Zugeständnisse um der Einheit des Landes willen. „Genosse Evo“, im besten Sinne ein Mann aus dem Volk, der sich vom Verteidiger der Kokaplantagen in der Region Chapare Stück für Stück zum Klassenkämpfer entwickelt hat, ist für die regierende Partei MAS (Bewegung zum Sozialismus) nicht mit Gold aufzuwiegen, weder als Innen- oder Außenpolitiker noch als Präsident, der das Land 2014 zum Vorsitz der G77-Gruppe in den Vereinten Nationen geführt hat.

Aber sowohl die alte wie auch die neue bolivianische Verfassung sehen keine zweite Wiederwahl des Präsidenten vor. So gab es politischen Streit, als 2009 im Jahr der Abstimmung der Verfassung auch die Präsidentschaftswahl stattfand. Das Verfassungsgericht machte sich letztlich die Ansicht der MAS zueigen, wonach es sich im Dezember 2009 nicht um eine Wiederwahl, sondern um die erste Wahl nach Inkrafttreten der neuen Verfassung handelte.

Also konnte der Präsident 2014 erneut erfolgreich antreten. Da das aber definitiv das letzte Mal war, soll nun die Verfassung geändert werden. Angesichts der Erfolglosigkeit der konservativen Opposition gegen den Aymara-Indianer Morales ist das Gemecker von rechts verständlich. Dennoch ist die Rechte heute moderater als in den ersten Jahren der Linksregierung und müsste eigentlich eingestehen, dass nicht wenige Staaten eine unbeschränkte Wiederwählbarkeit vorsehen. Der Vorschlag der Regierung sieht vor, per Referendum am 21. Februar den Artikel 168 dahingehend zu verändern, dass Präsident und Vizepräsident zweimal wiedergewählt werden können – und damit in den Wahlen 2019 erneut antreten können. Es gehört zu den wenigen erfolgreichen Einwürfen der Rechten in der verfassunggebenden Versammlung, dass damals die Wiederwahlbeschränkung verankert wurde.

Für den Leiter des konservativen „Bolivianischen Menschenrechtsobservatoriums“, Romano Paz, gehört eine Abwechslung in der Führung des Landes zu den Prinzipien der republikanischen Demokratie. Er sieht keine Chancengleichheit beim Referendum, weil der Opposition die finanziellen Möglichkeiten fehlten. Gleichzeitig beklagt er, dass zwar wirtschaftliche, jedoch keine politische Freiheit bestehe. „Morales paktiert mit den Unternehmern statt auf Konfrontationskurs zu gehen – im Gegenzug mischen diese sich nicht in die Politik ein“. Der Regierung komme es auf gute Wirtschaftsdaten an.

Mindestens da mag er Recht haben. Denn verglichen mit dem regionalen Durchschnitt von einem Prozent lag das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 2015 bei respektablen fünf Prozent.

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"Zehn Jahre erfolgreicher Wandel", UZ vom 12. Februar 2016



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