„Gefährliche Illusionen“,
Herausgeber: Klaus Blessing, Matthias Werner.
verlag am park. Berlin 2015. 12,99 €
Im Juni vergangenen Jahres rief das Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden e. V. (OKV) eine Veranstaltungsreihe ins Leben, die sich mit gesellschaftlich relevanten Fragen befassen soll, um neue Erkenntnisse und Diskussionsthemen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Im Ergebnis dieser ersten Konferenz gaben der Ökonom Klaus Blessing und der Gesellschaftswissenschaftler Matthias Werner einen Reader heraus, in dem Diskussionsbeiträge dieser ersten Veranstaltung dokumentiert sind. Erschienen ist die knapp 200seitige Broschüre im Verlag am Park, Berlin.
Mit dem Titel „Gefährliche Illusionen“ charakterisieren die Herausgeber Tendenzen in der Partei „Die Linke“, die sich um die Transformationstheorie und -politik drehen. Es wird konstatiert, dass sich die Partei, vor allem deren Führung, ohne großen Widerspruch von Seiten der Basis in eine Richtung entwickelt, die in der Sozialdemokratie seit über hundert Jahren vorherrscht: Das reformistische Konzept vom Hinüberwachsen vom Kapitalismus in den Sozialismus. Nicht zuletzt würden diese Haltungen auch am verzweifelten Propagieren einer Regierungsbeteiligung, die ohne die Aufweichung des Parteiprogramms nicht zu haben sei, deutlich.
Mit zahlreichen Belegen aus veröffentlichten Meinungsäußerungen von führenden Genossinnen und Genossen belegten die Redner, dass schleichend Grundprinzipien der Partei aufgegeben werden. So spielt in vielen Schriften die Veränderung der Eigentumsverhältnisse als Grundlage für eine sozialistische Gesellschaft kaum noch eine Rolle. In Dieter Kleins „Das Morgen tanzt im Heute“ und den Anschauungen Katja Kippings und Bernd Rixingers über die „Kommende Demokratie: Sozialismus 2.0“ sehen die Wissenschaftler eine Abkehr von marxistischen Erkenntnissen. Dafür habe man das Zauberwort „Transformation“ wiederentdeckt, das seit Kleins Schrift in den Führungsgremien der Partei herumgeistere, jedoch bereits eine lange Geschichte habe.
Einig ist man sich darin, dass der Begriff Transformation an sich nicht verwerflich sei, da schließlich jede Gesellschaft permanent Umwandlungsprozesse durchlaufe. Aber die Redner auf der 1. Konferenz des OKV kritisieren vor allem, dass „Transformation“, so wie es in reformistischer Manier gebraucht wird, eher den bernsteinschen Weg beschreitet, als für eine generelle gesellschaftliche Umwälzung im marxistischen Sinn wirbt. Vergangene und gegenwärtige Transformationsversuche in anderen Ländern analysierend, die alle gescheitert sind, zeigt beispielsweise Prof. Dr. Herbert Graf auf, dass sich der Kapitalismus nicht mit Reformen überwinden lässt. Dabei dürfen Reformen nicht verteufelt werden, die zur Verbesserung des Lebens in der heutigen Gesellschaft führen. Jedoch warnt er davor zu glauben, dies bedeute bereits den Weg in den Sozialismus. Das Kapital gehe nicht freiwillig – im Gegenteil. Es kämpfe erbittert gegen jene, die an dessen Eigentum wollen. Graf gibt aber auch zu bedenken, dass eine gesellschaftliche Alternative zum globalisierten ökonomisch und militärisch weiter mächtigen Kapitalssystem selbst in Ansätzen nicht anvisiert sei. Er beendet seinen Beitrag mit den Worten: „Wer in dieser Zeit den Slogan ‚Das Morgen tanzt im Heute’ zum Motto seiner Theorie macht, idealisiert eine Welt, die vielen Menschen das Fürchten um das Brot von Morgen und die Zukunft ihrer Kinder und Enkel lehrt“.