BVB verliert nicht nur das Derby

Zappenduster

Von Karl Rehnagel

Dass dieser Tag so werden würde, wie er dann wurde, kündigte sich früh an. Die Sonne schien, der Pflaumenbaum schlug aus und unsere Rotkehlchenfamilie trillerte was das Zeug hielt. Ich saß mit Kumpel A. morgens vorm Spiel im Schrebergarten, trank perfekten Espresso und das Leben war gut. Meine Ex-Freundin hatte ihr Fernbleiben zum Spiel in der Whatsapp-Gruppe verkündet (Memo an mich: Gruppe endlich verlassen?!) und mein Knie hielt dem vom Arzt schwer verbotenen Fahrradfahren problemlos stand. Eine andere, äußerst nette Frau hatte ihr Kommen verkündet, und mir war gleich klar: Die Medaille, mein kleiner Freund, hat heute auch eine zweite Seite. Eine, die du eigentlich gar nicht sehen willst.

Und genau so kam es. Eine unübersichtliche Zahl „Hannis & Nannis“ überrannte die Kneipe, die Bierwarteschlange reichte bis ungefähr Köln und ganz vorne bestellte ein Hipster im 100-Euro-Trikot „Drei Latte mit nicht soviel Kaffee und zwei Ingwer-Mate“. Genau mein Publikum.

Und das Spiel dann ebenso: Schalke kann nichts außer laufen, kämpfen und beißen, Dortmund kann nichts und die letzten drei Dinge schon mal gar nicht. Man hatte aus Dortmunder Sicht zu keinem Zeitpunkt des Spiels das Gefühl, da geht es um das Revierderby, geschweige denn um den 2. Platz in der Bundesliga. Eine Mannschaft? Nicht vorhanden. Ein Beispiel: Als Michy Batshuayi nach einer bösen Grätsche mit schmerzverzerrtem Gesicht im Schalker Strafraum lag, kam KEIN, nicht ein einziger Mitspieler herüber, um nach ihm zu sehen. Nur zwei Schalker Spieler schien es zumindest mäßig zu interessieren, wie schlimm der Stürmer verletzt war. Mannschaft? Teamgeist? 11 Freunde? Nichts. Der BVB ist vor allem moralisch auf dem letzten Tabellenplatz der Liga angekommen.

Und wir? Eigentlich auch. Nach dem 2:0 interessierte uns das Spiel ungefähr so sehr wie die Nachricht, dass Capa­blanca gegen Aljechin bei der Schachweltmeisterschaft 1927 mit 3:6 bei 25 Remispartien verloren hatte. Also gar nicht. Stattdessen plauderten wir nicht wirklich schlecht gelaunt – und das ist das eigentlich Fatale – in der hübschen Aprilsonne über Beziehungen und Biersorten, Ex-Partner und Kronen-Export, Wetter und Wehwehchen. War sonst was gewesen heute? Nur das dann noch: Meine Ex-Freundin schrieb abends zum Abschluss in die Whatsapp-Gruppe „Küsschen an alle!“. Da fällt mir eigentlich nur noch Winfried Schäfer ein, mit dem schönen Zitat: „Das einzige, was jetzt klar ist, ist, dass es draußen dunkel ist.“

Allerdings. In Dortmund sogar zappenduster.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Zappenduster", UZ vom 20. April 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Baum.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit