Gerade einen Monat ist es her, dass Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) den Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 vorgestellt haben. Der Haushalt schaffe „Sicherheit und Stabilität in Zeiten, die von Unruhe und Verunsicherung geprägt sind“, freute sich Kanzler Scholz. Auch Finanzminister Lindner war sich ganz sicher, einen „soliden Entwurf“ vorgelegt zu haben. Dass vielleicht noch einmal nachgesteuert werden müsse, wies er zurück. Man habe „sehr präzise geschaut … wo es Schätzungenauigkeiten gibt“.
Der „solide Entwurf“ war ein weiterer Kriegshaushalt: Für die Rüstungsausgaben waren nach NATO-Kriterien mehr als 90 Milliarden Euro vorgesehen, finanziert durch Kürzungen in fast allen anderen Bereichen. Doch der fortgesetzte Kahlschlag bei Kindern, Jugendlichen und Armen reichte nicht aus. Also wurde man kreativ: Die veranschlagten „Hilfsleistungen“ für Kiew wurden von acht auf vier Milliarden Euro gesenkt. Dabei handelte es sich jedoch nicht etwa um eine Abkehr vom ukrainischen Stellvertreter. Im Gegenteil: Die restlichen vier Milliarden sollten nach dem Willen der Bundesregierung von der EU gezahlt werden – und zwar mit den Zinsen, die die EU aus dem in Brüssel eingefrorenem Geld der russischen Zentralbank einnimmt. Die erwartete Kriegsbeute des gesamten kommenden Jahres: von Berlin beansprucht und schon im Haushalt eingepreist.
Trotz dieses Raubzuges fehlten immer noch 17 Milliarden Euro. Drei Ideen sollten Abhilfe schaffen: Statt Zuschüssen an die Deutsche Bahn und an die Autobahn GmbH sollten nur noch Darlehen gewährt werden. Zudem wollte die Ampel auf Finanzmittel zurückgreifen, die ursprünglich für die „Gas- und Strompreisbremse“ vorgesehen waren. Ende vergangener Woche machte Christian Lindner das desaströse Ergebnis einer Prüfung dieser Maßnahmen durch externe Experten öffentlich: Die Autobahn GmbH kann keine Darlehen aufnehmen. Der Deutschen Bahn fehlt es ohnehin an Geld, um ein Darlehen zurückzuzahlen. Und das Jonglieren mit umgewidmeten Mitteln aus den vergangenen Jahren ist „verfassungsrechtlich bedenklich“.
Damit war der „solide Entwurf“ öffentlichkeitswirksam geplatzt. SPD und Grüne machten keinen Hehl daraus, dass sie lieber hinter verschlossenen Türen weiterverhandelt hätten, und attackierten den Finanzminister. Von Unanständigkeit, Selbstvermarktung und schlechtem Stil war die Rede; SPD-Chefin Saskia Esken fürchtete sogar, Lindners Auftreten „beschädigt wieder einmal die Regierung“. Die FDP nutzte die Gelegenheit, um im Gleichschritt mit der CDU neue Kürzungen im Sozialbereich zu fordern. Währenddessen übte sich Lindner in Zahlenmagie: Im „ZDF-Sommerinterview“ sprach er nur noch von einer Finanzierungslücke von fünf Milliarden Euro. Wo die restlichen zwölf Milliarden sind? Rund neun Milliarden Euro werden als „globale Minderausgabe“ veranschlagt – sollen also von den Ministerien im laufenden Betrieb gekürzt werden, ohne dass sich der Bundestag näher damit beschäftigt, wo genau das Geld gestrichen wird. Statt eines Darlehens für die Bahn könnte eine Eigenkapitalerhöhung von 3,6 Milliarden Euro vorgenommen werden, um Geld in den Konzern zu pumpen.
Mit diesen Tricksereien würde sich die Ampel wieder der von der Schuldenbremse erlaubten Neuverschuldung von „nur“ 44 Milliarden Euro annähern. Am Ende wird ein neuer Kriegshaushalt stehen, vermutlich mit noch größeren Zumutungen für die große Mehrheit der Menschen in diesem Land. Eskens Sorge ist berechtigt. Aber es ist nicht Lindner, der die „Regierung beschädigt“. Das Problem der Ampel sind nicht die politischen Vorhaben, die ihr misslingen, sondern die, die sie durchbringt.