US-Regierung schafft Netzneutralität ab

Zahle oder krieche

Von Christoph Hentschel

Netzneutralität bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der Nutzung von Datennetzen. Netzneutrale Internetdienstanbieter behandeln alle Datenpakete bei der Übertragung gleich, unabhängig von Sender und Empfänger, dem Inhalt der Pakete und der Anwendung, die diese Pakete generiert hat. Darüber hinaus sind Netzwerkbetreiber verpflichtet, ihre Kunden über die Qualität des angebotenen Internetzugangs zu informieren. In Deutschland ist die Netzneutralität gesetzlich nicht explizit vorgeschrieben. Seit 2016 gibt es eine EU-Verordnung, die aber als lückenhaft und schwammig kritisiert wird. So erlaubt die Verordnung bestimmte „Spezial-Dienste“, die im Netz bevorzugt werden dürfen. Das gibt den Netzbetreibern ein Schlupfloch, um bestimmten Datenverkehr auf ihren Leitungen zu drosseln und anderen zu bevorzugen.

Zukünftig muss man sich darauf einstellen, für eine schnelle Variante eines Internetdienstes bezahlen zu müssen. Die US-Aufsichtsbehörde für Telekommunikation, die Federal Communications Commission (FCC), beschloss vergangenen Donnerstag, die Regeln zur sogenannten „Netzneutralität“ für Netzbetreiber aufzuheben und es den Unternehmen selber zu überlassen, ihre Netz für alle gleich zugänglich zu gestalten oder für bestimmte Daten, Anwendungen oder Benutzer zu reglementieren oder sogar auszuschließen. Netzbetreiber sollen künftig nicht mehr als Bereitsteller grundsätzlicher Infrastruktur, sondern als „Informationsdienste“ gelten. Damit nimmt sich die FCC selbst die rechtliche Grundlage weg, um entsprechende Regeln erlassen zu dürfen. Für Daten- und Verbraucherschutz wird sie bei der Handelsaufsicht, Federal Trade Commission (FTC), liegen. Die FTC kann jedoch nur Verstöße gegen geltendes Recht bestrafen, aber keine neuen Regeln einführen.

Das FCC hatte unter der Obama-Regierung im Februar 2015 die neuen Regeln zur Netzneutralität eingeführt, um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu garantieren und um zu verhindern, dass die US-amerikanischen Telefongesellschaften wie Verizon, Comcast und AT&T Extra-Gebühren für Streamingangebote von Firmen wie Netflix und YouTube verlangen können. Mit der Amtsübernahme von Donald Trump 2017 wurde die Webseite des Weißen Hauses zur Netzneutralität gelöscht und Ajit Pai als neuer FCC-Vorsitzender eingesetzt. Pai gilt als entschiedener Gegner der Netzneutralität. Die Selbstentmachtung soll laut Pai zu neuen, innovativen Geschäftsmodellen zur Finanzierung des teuren Breitbandausbaus der nun deregulierten Netzbetreiber führen.

Netzbetreiber können künftig nach eigenem Gutdünken bestimmte Dienste bevorzugen oder benachteiligen, solange sie darauf im Kleingedruckten hinweisen. Anbieter von Internetdiensten wie Social-Networks oder Instant-Messaging müssen dann an die Netzbetreiber zusätzliche Gebühren zahlen, damit diese über das schnellere Internet laufen. Das werden sich auf Dauer nur große Anbieter wie zum Beispiel Google, Facebook, Amazon oder Netflix leisten können, was ihre Monopolposition in ihrem Segment weiter zementieren wird.

NGOs sehen in der Netzneutralität einen Garanten für Meinungsfreiheit und den freien Zugang zum Internet für alle. So bezeichnet die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) die Netzneutralität als „eine Säule des offenen Internets“ und kritisiert an der Entscheidung des FCC, dass „die Stimmen von Millionen von Internetnutzern ignoriert werden, die diese Schutzmaßnahmen unterstützen“ und dass sie ein weiterer Schritt dahin sei, dass die Internetpolitik alleine den „Aktionärsinteressen dient“.

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"Zahle oder krieche", UZ vom 22. Dezember 2017



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