Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika kennt man jetzt Jorgito Jerez, den mit einer schweren Behinderung geborenen Journalisten aus Camagüey/Kuba. Der Dokumentarfilm „Die Kraft der Schwachen“ über Jorgitos Leben und seinen Kampf für die Freiheit der „Cuban Five“ wurde vom 12. bis 26. April mit großem Erfolg in den USA vorgestellt. Innerhalb von zwei Wochen sprachen Jorgito und der Filmemacher Tobias Kriele in New York und Washington auf elf Veranstaltungen vor insgesamt 600 Menschen, gaben mehrere Radiointerviews und besuchten soziale Projekte.
Der Obama-Administration scheint es bereits vorher gedämmert zu haben, dass ein Auftritt eines jungen Kubaners, dessen rechter Arm in Folge eines auf die US-Blockade zurückgehenden Medikamentenmangels steif geblieben ist, nicht in ihrem Sinne sein kann. Die Tatsache, dass Jorgitos Visum erst auf sanften diplomatischen Druck hin erteilt wurde, zeigt, dass sich hinter der Fassade in der Kuba-Politik der USA nichts geändert hat. Nachdem er öffentlichkeitswirksam verkündet hatte, die USA würden sich nicht in Kubas Zukunft einmischen, hatte Obama wenige Tage nach seinem Kubabesuch ein Stipendienprogramm für junge Kubaner unterzeichnet, die in den USA gegen die kubanische Revolution in Stellung gebracht werden sollen. Im Gegensatz zu dieser scheinheiligen Gastfreundlichkeit auf der einen Seite wurde auf der anderen Seite die Entscheidung über den Antrag des kubanischen Behindertenverbandes ACLIFIM, Jorgito einUS-Visum zu erteilen, gezielt verschleppt. Jorgito und Familie verbrachten eine geschlagene Woche auf eine Entscheidung der US-Botschaft wartend in Havanna. Zweimal täglich erkundigte sich ein kubanischer Diplomat persönlich in der US-Botschaft nach neuen Ergebnissen. Der Druck und die Ausdauer lohnten sich am Ende: Am Dienstag, 19. April, wurde das Visum erteilt und Jorgito stieg in das nächste Flugzeug, um gerade noch rechtzeitig, zwei Stunden vor der ersten Filmvorführung, in Washington einzutreffen. Die ersten fünf Veranstaltungen in den USA hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ohne die charismatische Hauptfigur des Films stattfinden müssen.
Die Veranstaltungen in Washington standen im Rahmen der Internationalen Aktionstage gegen die Blockade, veranstaltet vom vormals der Befreiung der „Cuban Five“ verschriebenen „International Committee for Peace, Justice and Dignity“. Neben Jorgito waren noch vier weitere Kubaner eingeladen, darunter Ärzte, die in Afrika gegen die Ebola-Epidemie angekämpft hatten, die Leiterin des Museums der Alphabetisierungskampagne in Havanna sowie ein Vertreter des Instituts für Völkerfreundschaft. Kein einziger der Genannten erhielt rechtzeitig das US-Visum erteilt, um an den Veranstaltungen teilnehmen zu können. Die ungebrochene Schärfe der US-Politik gegen Kuba war dann auch Thema der Hauptveranstaltung der Aktionstage, „Durch kubanische Augen“, auf der Jorgito Jerez an der Seite des kubanischen Botschafters in den USA, José Ramón Cabañas, zum Hauptredner wurde. Jorgito nannte den Annäherungsprozess zwischen beiden Ländern eine Herausforderung für die kubanische Jugend. Präsident Obama habe während seines Kubabesuches in seiner Rede die junge Generation direkt anzusprechen versucht. Der US-Präsident täusche sich aber, wenn er davon ausgehe, dass er es nach der historischen Generation der Rebellenkämpfer einfach haben werde, die Kubaner hinters Licht zu führen. Junge Menschen in Kuba seien mehr als andere Sektoren von der Blockadepolitik am meisten betroffen und nähmen sehr genau wahr, dass Obama keine entscheidende Änderung in dieser Frage umgesetzt habe. Jorgito nannte Obama heuchlerisch, da er sich mit dem Widerstand des Kongresses herauszureden versuche. Wenn er wollte, könne er mit einer Unterschrift die Blockade zu einer Farce machen. Und er endete mit einem schelmischen Appell: „Wenn er sich nicht mehr an seine präsidiale Macht zu erinnern vermag, müssen wir ihm dabei auf die Sprünge helfen. Wie hieß es doch so schön in seinem Wahlkampf? YES WE CAN!“
Neben dem Internationalen Komitee für Frieden, Gerechtigkeit und Würde war das alternative Medienprojekt „Women‘s Press Collective“ aus Brooklyn die zweite Veranstalterin der Tour von „Die Kraft der Schwachen“ durch die USA. Während der ersten fünf Veranstaltungen in New York, an deren Teilnahme Jorgito gehindert worden war, war eine Telefonkette für den Fall der Visaerteilung vereinbart worden. Die erste Filmpräsentation in einem Kulturzentrum in New York wurde dadurch zu einem triumphalen Empfang für Jorgito. Standing Ovations gab es auch bei den anschließenden Veranstaltungen, die in einem Altenheim und dem Sitz der Gewerkschaft der Krankenpflegerinnen und -pfleger stattfanden. Die Veranstalter hatten im Vorfeld beschlossen, dass die Veranstaltungen in New York ganz bewusst nicht auf die Kuba-Solidaritäts-Szene abzielen sollten. Die Idee war vielmehr, Jorgito gezielt an solchen Orten über die Gesundheitsversorgung in Kuba sprechen zu lassen, die von den katastrophalen Verhältnissen des US-Gesundheitssystems gebeutelt sind.
Die Reaktionen des Publikums war dementsprechend von Erstaunen und von spontaner Sympathie für den Kampf des kubanischen Volkes um eine menschenwürdige Gesellschaft geprägt. Die Fortsetzung der US-Blockadepolitik gegen Kuba stieß überall, wo wir hinkamen, auf Ablehnung. Der Wunsch, jenes Land kennenzulernen, in dem Medizin für den Menschen eingesetzt wird und nicht in erster Linie für die Generierung von Profit, war allerorten zu spüren. Noch erstaunlicher: Von antikommunistischen Vorbehalten oder zynischer „Menschenrechts“rhetorik war keine Spur. Dafür dominierte der Eindruck, dass die arbeitende Bevölkerung in den armen Stadtteilen von New York ihren kubanischen Brüdern und Schwestern entgegenstrebt. Es gibt sie wirklich, die Freundschaft zwischen dem kubanischen und dem US-amerikanischen Volk. Ein eloquenter, revolutionärer, mitreißender Jorgito hat ein Fass voller Solidarität zum Übersprudeln gebracht.
Auf der kleinen Tournee nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung insgesamt 170 DVDs von „Die Kraft der Schwachen“ mit. Die Verkaufserlöse der DVD, die übrigens auch im UZ-Shop erhältlich ist, werden für die Gegenfinanzierung für das nächste Reisevorhaben verwendet. Ziel ist dann Deutschland: Jorgito kommt nämlich zum UZ-Pressefest vom 1. bis 3. Juli und wird dort unter anderem in der Casa Cuba begeistern.