Die XXXL Möbelhandelsgruppe expandiert stetig. Ihr Erfolg beruht nicht zuletzt auf der Bekämpfung gewerkschaftlicher Organisierung und auf Tarifflucht. Dafür hat sich XXXL eine Struktur gegeben, die sich die Rechtslage und die herrschende Rechtsprechung zunutze macht. Anfang 2014 wurde das Möbelhaus Rück in Oberhausen von XXXL übernommen. Dort stößt der Möbelhändler mit seinen Praktiken auf Widerstand.
Die österreichische XXXLutz-Gruppe setzt 3,9 Milliarden Euro um und betreibt 237 Möbelhäuser in neun Ländern. 1977 lag der Umsatz bei nur sechs Millionen Euro. Die Brüder Andreas und Richard Seifert, die 1979 die Geschäftsführung übernahmen, wollen XXXL weltweit zur Nummer eins der Branche machen.
Die Konzernstruktur
Das Unternehmen übernimmt Familienbetriebe des Möbeleinzelhandels und spaltet sie dann in mehrere Gesellschaften auf: Jeweils einer gehört das Vermögen. Sie ist formal die Betreiberin des Möbelhauses, hat aber kaum Personal. Das Personal ist angestellt bei den anderen Gesellschaften, den „Dienstleistern“, die wiederum so gut wie kein Vermögen haben. Sie stellen der „Betreiberin“ das Personal zur Verfügung.
Die Betreiber- schließt mit den Servicegesellschaften Dienstleistungsverträge ab, die jederzeit kurzfristig kündbar sind. Für eine Servicegesellschaft bedeutet die Kündigung das Aus, da sie ihren einzigen Auftraggeber verliert, und für die Beschäftigten den Verlust des Arbeitsplatzes ohne rechtliche oder finanzielle Ansprüche. Die Entlassenen erhalten dann von einer anderen Servicegesellschaft ein Beschäftigungsangebot, zu deutlich schlechteren Konditionen. Aktive GewerkschafterInnen oder Schwerbehinderte bleiben allerdings außen vor.
Obwohl alle Fäden bei denselben wenigen Personen in Würzburg bzw. im österreichischen Wels zusammenlaufen, will die XXXLutz-Gruppe kein Konzern sein. Sonst würde die Konzernhaftung greifen und die Verantwortung für die Entlassenen der Servicegesellschaften auf XXXL übergehen.
Dieses Konstrukt funktioniert so lange, wie Arbeitsgerichte davon ausgehen, dass die XXXL-Gesellschaften, die gemeinsam ein Möbelhaus betreiben, voneinander unabhängig und die Servicegesellschaften eigenständige Unternehmen sind. Dass sie dies tun, hat bittere Konsequenzen für die Entlassenen: Trotz gewonnener Kündigungsschutzklagen sind sie die Verlierer in diesem Spiel. Die Dienstleistungsgesellschaften können sich jederzeit vor Ansprüchen ihrer Beschäftigten in die Insolvenz flüchten und niemand haftet dafür. Ein interessantes Modell auch für andere Konzerne.
Übernahme von Rück
Beim Möbelhaus Rück in Oberhausen wurden im September 2014, wenige Monate nach der Übernahme, 49 Angestellte entlassen: Die Verwaltung wurde nach Würzburg verlagert. Zum Jahresende wurde allen Beschäftigten gekündigt und der Betrieb aufgespalten: Die Möbelstadt Rück blieb Eigentümerin der Immobilie und Betreiberin des Möbelhauses. Die Beschäftigten erhielten im Rahmen eines Betriebsübergangs Arbeitsverträge in fünf neuen Servicegesellschaften, von denen zwei den Möbelverkauf und drei den Betrieb des Lagers übernahmen.
Dann kam der Hauptschlag:
Zum 31. Juli 2015 kündigte die Möbelstadt Rück den beiden Servicegesellschaften, die für den Verkauf zuständig waren, die Verträge. Allen Beschäftigten wurde betriebsbedingt gekündigt. 68 von ihnen, darunter der gesamte Betriebsrat, verloren ihren Arbeitsplatz. Sie erhielten von keiner der acht neuen XXXL-Gesellschaften, die ab dem 1. August den Verkauf übernahmen, einen Arbeitsvertrag. Einen erneuten Betriebsübergang des Möbelhauses gab es angeblich nicht. Vor dem Arbeitsgericht war damit der Einzelhändler Rück und mit ihm der de facto Konzern aus dem Schneider. Es ging nur noch um Ansprüche gegen einzelne Servicegesellschaften.
Zusammen mit den aus der Logistik Gekündigten wurden während der Übernahme insgesamt 140 von 300 Beschäftigten entlassen.
Gegenwehr
In Oberhausen traf XXXL auf einen Betriebsrat und eine Belegschaft, die dies nicht schweigend hinnahmen.
Es folgten, mit Unterstützung von ver.di, zahlreiche Kündigungsschutzklagen. Die Verhandlungen fanden reges öffentliches Interesse, die Klagen waren erfolgreich oder wurden mit einem Vergleich beendet. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen.
26 ehemalige Beschäftigte haben Strafanzeige wegen Betrugs gegen die Verantwortlichen von XXXL Rück erstattet. Sie hatten dem Wechsel in eine der neuen Servicegesellschaften aufgrund der schriftlichen Versicherung zugestimmt, dass sich für sie nichts ändern würde. Dass sie in ein mittelloses Unternehmen wechseln sollten, das mit einem Vertrag mit nur 14-tägiger Kündigungsfrist arbeitet, wurde ihnen jedoch verschwiegen.
ver.di ruft zum Boykott auf: „Wir fordern Sie auf, Ihren Einkauf bei XXXL Rück so lange einzustellen, bis XXXL Rück die Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht zurückzieht, beziehungsweise diese im Interesse der Arbeitnehmer beendet sind.“
Durch den geschassten Betriebsrat, ver.di und verschiedene Initiativen wurde das skandalöse Vorgehen von XXXL immer wieder in die Öffentlichkeit gebracht. Am 25. Oktober hat das ZDF in der Sendung Frontal 21 über das Vorgehen in Oberhausen und auch in Mannheim und München kritisch berichtet. Dies hat bei XXXL zu sichtlicher Unruhe geführt. Kurz nach dem Bericht stellten die Verantwortlichen von XXXL Pallen in Aachen ihre Angriffe auf die gerade stattfindende Neuwahl des Betriebsrates ein und sicherten eine Vereinfachung der Unternehmensstruktur zu.
Am 3. Dezember wurde XXXL Rück mit Protest im eigenen Haus konfrontiert: Mit einem Flashmob machten gewerkschaftliche AktivistInnen die Kundschaft erneut auf die Machenschaften von XXXL aufmerksam. Vom Restaurant aus zogen sie durch verschiedene Abteilungen des Möbelhauses, riefen Parolen, hielten Plakate hoch und verteilten Flugblätter. Das Führungspersonal reagierte darauf wenig souverän mit Hektik und Handgreiflichkeiten. Von der Kundschaft kamen Zeichen der Sympathie und der Anerkennung.
Seit 2014 ist XXXL Rück nicht mehr aus den negativen Schlagzeilen herausgekommen. Schlecht für ein Unternehmen, das auf ein positives Image angewiesen ist. Vielleicht macht dies das Modell für andere Konzerne weniger nachahmenswert.